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KEIN TRADITIONELLER KOLONIALER KRIEG
30) Aber es war nicht, wie das Vereinigte Sekretariat (USFI) argumentierte, einfach eine neue Version eines üblichen kolonialen Krieges, hauptsächlich wegen wirtschaftlicher Gründe: „Ein Krieg um Öl“. Die Wirklichkeit der Ziele des US-Imperialismus im Afghanistan-Krieg sind viel komplizierter. Letztendlich sind natürlich wirtschaftliche Macht, die finanziellen Interessen des Imperialismus und die Quelle seines Profits und Einkommens wichtige, ja entscheidende, Faktoren. Es waren diese Gründe, warum US-Öl-Firmen die Taliban umgarnten und sie in den 90er auf Reisen in die USA einluden. Ihre Einschätzung Afghanistans damals war das einer bedeutender Region für eine mögliche Pipeline für die ebenso größtenteils ungenutzten Öl- und Gasreichtümer des Kaspischen Meer und des Transkaukasus. Gleichwie, vor dem Hintergrund der organischen Instabilität Afghanistans und ganz Transkaukasiens, wäre dieses Land für eine Pipeline, um es vorsichtig zu formulieren, problematisch gewesen. Selbst in einer Nach-Kriegs-Situation gäbe es wahrscheinlich so großes Chaos und Anarchie, dass es ein äußerst risikoreiches Spiel für die Öl-Firmen wäre, sich in einem solch riskanten Spiel zu engagieren.
31) Die Ressourcen der transkaukasischen und kaspischen Region könnten für den Imperialismus langfristig von großer Bedeutung sein. Sie waren aber nicht die unmittelbaren Gründe dieses Krieges. Vor dem 11. September fand zwischen Putins Russland, das den Kaukasus weiter als vitalen Bestandteil ihrer Einflusssphäre sieht, und den von der Bush-Administration unterstützten Öl-Konzernen, die um Einfluss dort kämpfen, ein Wettlauf statt.
Nach dem Angriff auf die Twin-Towers, welcher die Involvierung saudischer Staatsangehöriger und zumindest auf finanzieller Ebene auch einige Figuren aus dem saudischen Regime aufdeckte, kam eine große Debatte in der bürgerlichen US-Presse auf, die US-Interessen von saudischem Öl zu möglichen Ressourcen in den Kaukasus zu verlagern. Jedoch ist das noch immer Zukunftsmusik, sieht man die seit dem Golfkrieg gestiegene Abhängigkeit des US-Imperialismus vom Öl des Nahen Ostens (hauptsächlich saudisches). Der ausschlaggebende Faktor für den US-Imperialismus zu Beginn war die Wiederherstellung von Macht und Prestige, welche durch den 11. September schweren Schaden erlitten haben. Jedes größere Einkommen als Ergebnis dieses Sieges wird zu einem späteren Zeitpunkt eintreffen.
32) Wenn wir nun diesen Krieg von Seiten des Imperialismus als durch und durch reaktionär begreifen, bedeutet dies, dass wir uns, und sei es „kritisch“, mit jenen zusammentun, die angeblich den USA „Widerstand“ geleistet haben, namentlich bin-Ladin, seine al-Qa`ida und die Taliban-Regierung? Unglaublich, das ist die Position von einigen kleinen trotzkistischen Gruppen wie „Workers Power’ (Arbeitermacht (D); ArbeiterInnenstandpunkt (Ö)) und der morenoistischen LIT. Letztere ist hauptsächlich in Lateinamerika aktiv. Ihr Anspruch wird absolut kein Echo unter der weltweiten ArbeiterInnenklasse, im Speziellen jener der entwickelten kapitalistischen Länder, finden. Nichts desto trotz, da sie während des Krieges einige von Trotzkis alten Schriften zur Rechtfertigung ihrer Position herangezogen haben, könnten (und taten dies in einigen Fällen) sie einige Jugendliche und ArbeiterInnen verwirren und irreleiten, die mit ihnen in Kontakt gekommen sind. Es ist deshalb nötig, sich hier mit ihren Argumenten auseinander zu setzen, als einem Mittel, Klarheit über diese Punkte in unseren eigenen Reihen zu schaffen. Sie zeigen auch grundlegende Verwirrung über die Entwicklungen innerhalb des „Islam“.
ISLAMISMUS – RADIKAL UND RECHTS
33) Deshalb ist es nötig, bevor wir ihre Positionen analysieren, unsere Herangehensweise an den „politischen Islam“ zu klären. Was manches mal „Fundamentalismus“ genannt wird, wird oft innerhalb der moslemischen Welt als „politischer Islam“ bezeichnet. Das passt für bürgerliche Professoren und Kommentatoren, genauso wie manche auf der Linken. Aber für das CWI ist das keine ausreichende Beschreibung der politischen Vorgeschichte und die Positionen der verschiedenen islamischen Gruppen innerhalb des gegenwärtigen politischen Spektrums.
34) Einige der Trends und Organisationen innerhalb der Massenbewegung, welche die Iranische Revolution und den Sturz des Shah (Kaiser; Anm.) geführt haben, waren Beispiele dessen, was wir mit „radikalem Islam“ oder „radikaler islamischer Fundamentalismus“ meinen. Diejenigen, die diese Ideen unterstützten, antworteten üblicherweise auf die Frage, für welche Art von Gesellschaft sie kämpfen, dass sie eine „Republik der Armen“ wollten. Gleichwie, der globale Hintergrund, vor dem die Iranische Revolution stattfand, war verglichen mit heute grundlegend anders. Damals existierten die stalinistischen Staaten – mit einer Planwirtschaft und einem totalitären Regime. Das und der offensichtliche Bankrott von Großgrundbesitz und Kapitalismus in der neo-kolonialen Welt radikalisierte die Oppositionsbewegung zur Tyrannei des Shah und der iranischen Elite, die sich auf den großen Ölreserven des Iran aufbaute. Diese Opposition stützte sich größtenteils auf die städtische Armut in Teheran im speziellen und die teilweise hungernden iranischen bäuerlichen Massen. Das „Model“ einer geplanten Wirtschaft im Hintergrund gab der Bewegung einen betont radikalen und „linken“ Charakter.
35) Dieser Trend war derart kraftvoll, dass er das iranische Regime von Ayatollah Khomeini in ihrer ersten Phase dazu zwang, eine linke radikale Phraseologie und eine unversöhnliche Feindschaft zum Imperialismus gegenüber, speziell den USA, anzunehmen. Das wurde von Aktionen ergänzt, die zur staatlichen Übernahme eines Großteils der Industrie führten. Auf einer gewissen Stufe erschien sogar die Möglichkeit, dass im Iran ein deformierter Arbeiterstaat entstehen könnte; ein Abziehbild Moskaus, mit einer geplanten Wirtschaft, wenn auch mit einem totalitären politischen Regime, in dem die Macht in den Händen der Mullahs und des moslemischen Klerus konzentriert gewesen wäre. Gleichwie, die Revolution blieb stecken. Ein beginnender Bürgerkrieg zwischen verschiedenen Fraktionen des Klerus folgte. Der Schwerpunkt bewegte sich graduell nach rechts. Das führte zur Privatisierung vormals nationalisierter Sektoren.
36) Heute gibt es im Iran einen erbitterten Kampf zwischen verschiedenen Flügeln des Islam. Dem liegt folgender Konflikt zugrunde: zwischen einem rechten Klerus, der entschlossen ist, die Kontrolle der Staatsmacht zu halten und Sektoren der Bourgeoisie und jenen, die in eine mehr „moderne“ Richtung, sprich westlichen Kapitalismus gehen möchten, derzeit von einer Mehrheit der Bevölkerung unterstützt. Jugendliche sind im speziellen in einer offenen Revolte gegen die erstickenden Bedingungen, die ihnen von den Mullahs und der „religiösen Polizei“ aufgezwungen werden.
37) Im Kontrast zur frühen radikalen Phase der iranischen Revolution, ist der Aufstieg des Islam und dessen, was nunmehr „politischer Islam“ genannt wird, speziell in der arabischen Welt, im letzten Jahrzehnt ein hauptsächlich rechtes Phänomen. Die Entwicklung dieser Organisationen und deren Verankerung in mehr und mehr Teilen der Bevölkerung inklusive großer Sektoren der Mittelklassen in Ländern wie Ägypten, ist teilweise eine Widerspiegelung der Niederlagen der vorangegangenen arabischen Bewegungen und teilweise ein bewusster Schritt seitens des Imperialismus und ihrer lokalen Statthalter (die feudalen, diktatorischen Regimes Arabiens), den Islam gegen Linke und radikale Kräfte im Nahen Osten zu verwenden.
38) In einem Artikel der New York Times (abgedruckt im International Herald Tribune vom 3. Dezember 2001), gab Saad Mehio eine eindringliche Beschreibung, wie die vergangene Instrumentalisierung des Islam durch die gegenwärtigen Regimes, vom US-Imperialismus voll unterstützt, nun mit fatalen Konsequenzen auf diese zurückfällt. Er folgerte aus der Frage, was nach bin-Ladin und den Taliban kommen würde: „Vielleicht mehr Talibans und neue Osama bin-Ladins“. Und der Grund für dieses Phänomen „umfasst die unmoralische, skrupellose und unreligiöse Ausbeutung des Islam als eine politische Waffe – durch jeden. Der Westen, die USA, arabische und andere moslemische Tyranneien haben alle diese Waffe des Islam benützt. Und alle zahlen nun einen unterschiedlichen Preis dafür.“
39) Er beschreibt, wie der Islam beauftragt wurde, den „Kommunismus“ zu bekämpfen – eine breite Definition um im Kalten Krieg alles einzuschließen, das links oder sozialistisch, nicht nur stalinistisch, war. Die Fähigkeit des Imperialismus und ihrer lokalen arabischen Agenten wurde durch das Versagen des arabischen Nationalismus und den Stalinismus enorm gefördert. Kommunistische Massenparteien hatten in Ländern wie Irak und dem Sudan die Möglichkeit, die Macht zu übernehmen, aber scheiterten aufgrund ihrer falschen stalinistischen Politik. Das führte, zusammen mit dem Kollaps des „sozialistischen Modells“ in der Sowjetunion und Osteuropa, symbolisiert durch den Fall der Berliner Mauer 1989, zum Aufstieg des rechten Islamismus. Mehio kommentiert: „Die Politik, den politischen Islam als ein antikommunistisches Werkzeug zu benützen, war ein bedeutender Grund, warum so große Teile der moslemischen Welt von stagnierenden, undemokratischen aber stabilen (oder scheinbar stabilen) und adäquat pro-westliche Regierungen auf der einen Seite und den traditionellen Kräften des politischen Islam in der letzten Phase des 20. Jahrhunderts auf der anderen Seite dominiert wurden.“
40) Er fährt fort: „Die Glanzleistung solcher Politik lag in der Niederlage der modernisierenden Alternative: jener Bewegungen, die hofften, sowohl ein Bündnis mit der Sowjetunion als auch Amerika vermeiden zu können; um ihre Gesellschaften entlang sekulärer (aufgeklärt, nicht von Religion bestimmt; Anm. d. Ü.) Linien zu entwickeln; mit – im Musterfall – demokratischeren Mitteln und mit dem Nationalismus als Ersatz für koloniale Demütigung und islamischen Traditionalismus. Solche Bewegungen wurden einst Nasserismus genannt, nach Präsident Gamal Abdul Nasser von Ägypten. Er kämpfte die meiste Zeit seines politischen Lebens gegen die Moslem-Bruderschaft. Der Spielraum des Nasserismus schrumpfte in den drei Jahrzehnten seit seinem Tod.“
41) Nassers Nachfolger, Anwar Sadat, und die ägyptische herrschende Klasse als Ganzes, entschied sich, einen direkt entgegengesetzte Pfad zum Vorgänger einzuschlagen. Sadat unterstützte bewusst das Wachstum des Islam als Gegengewicht zum Nationalismus und der Linken und suchte die Umarmung des US-Imperialismus. Das ägyptische Regime wird mittels US-Gelder von 3 Mrd. Dollar jährlich aufgepäppelt. Sadats Aktionen fielen auf ihn in tödlicher Weise zurück; er starb durch die Hände genau jener Fundamentalisten, denen er geholfen hatte. Der Grund: sein Abkommen mit Israel.
ISRAEL FÖRDERT ISLAMISTISCHE GRUPPEN
42) In einem größeren oder kleineren Ausmaß folgten die arabischen Eliten Sadats Weg, in dem sie jeweils ihren eigenen islamischen Fundamentalismus züchteten; zum Beispiel durch Finanzierung von ca. 7.500 religiösen Schulen in Pakistan, Indien und Arabien (durch Petro-Dollars). Diese Schulen lehrten die rückständigste und isolierteste Interpretation des Koran und des Islam. Sie waren die Grundlage, von der die Taliban aufbrachen, solche Verwüstung über die Menschen Afghanistans zu bringen, wie in der gegenwärtigen Katastrophe. Selbst die Diktatur Pervez Musharrafs, nachdem sie Zeugin der zerstörerischen Auswirkungen der obskuren Mullah-dominierten Madrassah-Schulen wurde, machte großes Aufsehen während des Konflikts um deren Beschränkungen. Mehio kommentiert: „Das regionale System (in der arabischen Welt; Anm.) das Washington während des Kalten Krieges aufzog und das es ab 1989 sich selbst überlies, sah sich als Brutplatz für menschliche Raketen und Selbstmord-Attentäter – direkt gegen die USA gerichtet – gewandelt.
43) Gleichwie, es waren nicht nur die USA, sondern auch ihre lokalen Agenten, die israelische herrschende Klasse, welche genauso islamistische Gruppen wie Hamas und Islamischer Jihad, als Gegengewichte aufbauten – zu dem, was sie in den 1970er und 1980er als die mehr radikalen und sekulären palästinensischen Organisationen gehalten hat, wie Fatah und die PFLP. Robert Fisk untermauerte diesen Punkt als er in „The Independent“ schrieb: „Hamas, das prinzipielle Ziel des Sharon-„Krieg gegen Terror“, wurde ursprünglich von Israel gesponsert. In den 1980er, als Mr. Arafat der „Super-Terrorist“ und die Hamas eine kleine schrullige moslemische Hilfsorganisation waren; wenn auch gehässig in ihrer Opposition zu Israel. Die israelische Regierung unterstützte deren Mitglieder, Moscheen in Gaza zu bauen. Einige Genies in der israelischen Armee entschieden, dass es keinen besseren Weg gab, die nationalistischen Ambitionen der PLO in den besetzten Gebieten zu untergraben, als durch die Förderung des Islam.“
44) „Selbst nach dem Oslo-Vertrag, während eines Treffens mit Arafat, haben hochrangige israelische Armee-Offiziere öffentlich angekündigt, dass sie mit Hamas-Funktionären sprechen. Als Israel illegal Hunderte Hamas-Mitglieder in den Libanon 1992 deportierte, war es einer ihrer Führer, der mir, als er hörte, dass ich nach Israel reise, die Privatnummer von Shimon Peres aus seinem Kontaktbuch anbot.“ (5. Dezember 2001)
45) Hamas und Islamischer Jihad in der Westbank und Gaza haben eine grundlegende rechte politische Überzeugung. Sie unterscheiden sich deutlich von den islamischen KämpferInnen, die den Shah im Iran bekämpften und die in der unmittelbar auf die Iranische Revolution folgende Periode existierten. Dasselbe gilt für die Menge an islamischen politischen Organisationen im Nahen Osten (Ägypten, Algerien, Jordanien und über allem Saudi Arabien). Das Wachstum des rechten „politischen Islam“ in diesen und anderen arabischen Ländern fußt auf den oben beschriebenen Gründen des Versagen alternativer Modelle, aber ist auch ein direktes Resultat der Einmischung von geschätzten 30.000 Arabern, die mit den Mujaheddins im Kampf gegen die Sowjetkräfte in Afghanistan zwischen 1983 und 1989 standen.
46) Viele von diesen glaubten, dass ihre Unterstützung für die Mujaheddin entscheidend war, um eine Bewegung in Gang zu setzen, die in der Niederlage „des Kommunismus“ und den Sturz einer Supermacht, der UdSSR, endete. Viele US-Strategen des Kalten Krieges wiederbelebten diese Idee und zahlen nun den Preis – durch die Aktivitäten der al-Qa`ida gegen alle Aspekte und Symbole der US-Macht. Gleichwie, es waren nicht die Mujaheddin oder die 30.000 Araber, die mit ihnen gekämpft hatten, die zur Niederlage der Sowjetunion in Afghanistan geführt haben.
47) Das war das Resultat der Verkümmerung und des langsamen Verfalls der „Sowjetunion“. Die Tendenz in den 1970er und 1980er für die Planwirtschaft führte zur Auflösung unter der stalinistischen, überflüssigen bürokratischen Herrschaft. Die Unterstützung des Weltimperialismus, speziell des US-Imperialismus, war der bedeutende militärische Faktor. Das wurde durch massive Waffenlieferungen über den Luftweg ermöglicht, durch die USA zur Verfügung gestellt und mit 2 Mrd. Dollar aus saudischen und US-Fonds finanziert. Arabischen Kämpfern wurden auch Billigstflüge von saudischen Fluglinien auf der Route Riad-Peshawar (Saudi Arabien – Pakistan; Anm.) angeboten.
48) Diese arabische „Fremdenlegion” hatte nichts (weder ihrer sozialen Zusammensetzung noch ihrer Ideologie) mit den Internationalen Brigaden zu tun, die auf Seite der Republikaner im Spanien der 1930er gekämpft hatten. Ein Experte zur al-Qa`ida kommentierte in der „Financial Times“: „Einige kamen (nach Afghanistan, Anm.) mit dem Vorhaben, ein Monat zu bleiben. Durchaus viele Saudis würden in ihrem Urlaub hierher kommen. Wenn du einige Zeit mit einer Hure in Bangkok verbracht hast, konntest du hierher kommen und dich durch den Jihad wieder reinigen.“
49) Die sozialen Wurzeln der führenden Gruppe, die al-Qa`ida geformt hat, sind aufgrund der Rolle, die sie in der Ausrichtung und Organisation der Taliban gespielt hat, entscheidend. Das wiederum ist aufgrund der falschen Idee einiger auf der Linken wichtig, dass in einer gewissen Weise die Taliban und al-Qa`ida den nationalen Befreiungskampf des afghanischen Volks und der arabischen Völker widerspiegeln würden.
50) Es ist wohl dokumentiert, dass bin-Ladin aus einer reichen saudisch/jemenitischen Familie stammt. Er erbte 300 Millionen Dollar im Alter von Zehn Jahren (als sein Vater starb) – sein Anteil eines Familienvermögens der Saudi bin Yadin-Gruppe von heute 36 Mrd. Dollar. Teile seines Reichtums wurden im Krieg gegen die Sowjetunion zur Finanzierung der arabischen Kämpfer verwendet. Zusätzlich können die islamistischen Organisationen, mit denen bin-Ladin verbunden ist, auf 5 – 16 Mrd. Dollar zurückgreifen. Die „Financial Times’ kommentierte: „Viel davon wurde gespendet, speziell von Saudis und aus Kuwait, der Quelle von Millionen jedes Monat.“
51) Dieses Geld kam nicht von den unterdrückten Schichten der arabischen Welt, sondern von der islamischen Elite. Noch einmal die FT: „Viel von seinem Geld kommt von verärgerten saudischen Händlern.” Ein vormaliger Golf-Bankier und Experte in arabischem Finanzwesen, Jean-François Cesnec, stellte fest: „Ein „Sturkopf’ klappert sympathisierende Händler in Jedda ab und sammelt von jedem 5.000 Dollar. Sie geben nie mehr als 5.000 Dollar, deshalb musst du sie regelmäßig treffen.“
AL-QA`IDA – KEINE NATIONALE BEFREIUNGSBEWEGUNG!
52) Das ist Teil einer Anforderung für Reiche im Islam; der Zakkat: Eine Spende (ca. 2 % des Einkommens) für einen „guten Zweck“. Das schlug zu Gunsten bin-Ladins aus. Und es sind nicht nur reiche Saudis oder Jemenis, welche die herrschende Gruppe von al-Qa`ida bilden, sondern ähnliche Typen wurden aus nationalistischen islamischen Bewegungen in deren Reihen geholt. So war Ayman al-Zawahari ein Chirurg aus einer reichen ägyptischen Familie in Alexandrien. Er kämpfte in Afghanistan und wurde Führer von Jihad, der ägyptischen islamistischen Gruppe, welche für die Ermordung von Anwar Sadat 1981 verantwortlich war.
53) Nach der Niederlage der UdSSR in Afghanistan kehrten viele der siegreichen Araber in den Nahen Osten und Nordafrika zurück, wo sie als „Islamische Helden“ begrüßt wurden. Das wiederum führte zur Stärkung des rechten Charakters der islamischen Organisationen, wie im Fall der Islamischen Heilsfront (FIS) und der Bewaffneten Islamischen Gruppe (GIA) in Algerien, so wie der Islamischen Gruppe und Jihad in Ägypten. Ihre Waffen waren nun auch gegen die eigenen Regierungen gerichtet, jene „gottlosen Verbündeten der ultimativen Feinde, USA und Israel, die Kreuzritter und die Juden“. Die Regimes antworteten mit harter repressiver Politik und – im speziellen – durch die Armee und Geheimdienste; im Fall des brutalen BürgerInnen-Kriegs in Algerien, der bisher zu über 100.000 Toten geführt hat.
54) Diese Tatsachen untermauern die Schlussfolgerung, die wir schon in vormaligen CWI-Stellungnahmen gezogen haben; dass bin-Ladin und al-Qa`ida keine genuine nationale Befreiungsbewegung repräsentieren, nicht einmal in einer verzerrten Form. Sie kommen von der reichen, halb-feudalen Elite Saudi Arabiens und der arabischen Welt und ihr „Programm“, so sie überhaupt eines haben, bedeutet das Zurückdrehen des Rads der Geschichte ins 7. Jahrhundert! Deren spezielle obskure Auffassung des Islam, Salifismus (auch bekannt als Wahhabismus), welche sich im 18. Jahrhundert entwickelte, sieht all jene als „Ungläubige“, die nicht ihrer engen Definition des Islam zustimmen. Diese (inklusive andere Moslems) sind deshalb zu „eliminieren”.
55) Einer von bin-Ladins frühen Lehrern war der Palästinenser Abdul Assam, der Afghanistan als den Brennpunkt des militanten Islam sah. Es war – seiner Meinung nach – für jeden Moslem eine Verpflichtung, dort zu kämpfen. Aber das war erst der erste Schritt. „Jihad („heiliger Krieg“; Anm.) wird eine individuelle Verpflichtung bleiben, bis alle anderen Länder, die moslemisch waren, an uns zurückgegeben sind, so dass der Islam herrschen wird; vor uns liegen Palästina, Bokara, Libanon, Tschad, Eritrea, Somalia, die Philippinen, Burma, Südjemen, Taschkent und Andalusien.“ Wie Justin Marozzi kommentiert: „Egal ob die Völker dieser Länder eine solche Rückkehr zum Islam wollen. Warum fragen, wenn Gott auf deiner Seite steht?“
56) Diese messianische, fast vormittelalterliche Philosophie ist der Grundstein für den Kult um bin-Ladin und der al-Qa`ida. Letztendlich ist bin-Ladin natürlich auch ein Ausdruck der imperialistischen Unterdrückung der arabischen Welt, welche auch, zumindest psychologisch, die privilegierten Schichten betrifft. Trotzdem ist seine Bewegung keine echte bürgerliche nationale Befreiungsbewegung.