Berlin: Streik an der CPPZ

„Selbstbewusstsein steigt sichtbar“

Die Charité kommt nicht zur Ruhe. Nach acht Streiktagen im Dezember letzten Jahres ist klar: der Kampf der Physio-, Ergotherapeut*innen und Masseurinnen der CPPZ geht weiter, so auch heute, als Begleitung zu den Verhandlungen.

von Angelika Teweleit, Berlin

Für die meisten Kolleg*innen war es der erste Streik ihres Lebens. Die ungleiche Bezahlung und die Abwertung therapeutischer Berufe durch Billiglöhne hat seit Jahren für Wut gesorgt. Doch ohne das Engagement eines festen aktiven Kerns von Aktiven wäre der Streik nicht möglich gewesen. Gerade in einem Betrieb mit vielen befristeten Arbeitsverträgen und einem niedrigen gewerkschaftlichen Organisationsgrad ist es nicht einfach, zu einem solchen selbstbewussten gemeinsamen Auftreten von streikenden Beschäftigten zu kommen, wie man es in diesem Arbeitskampf erleben kann.

„Es gab viele Gespräche in den Mittagspausen mit dem Ziel, den Unerfahrenen diesen Weg aufzuzeigen, klarzumachen, dass uns niemand etwas schenkt. Dass wir uns die Dinge, die uns zustehen, selbst holen müssen.“ erzählt Susanne Mohrig, die vor einigen Jahren bereits einen Betriebsrat mit aufgebaut hatte.

Ausgründung

Der Schritt der Charité, die therapeutischen Berufe in eine Tochterfirma auszugründen, bedeutete, dass die Tarife ausgehebelt wurden. Marko Große, Betriebsratsmitglied beschreibt die Folgen: „Das führte zu hoher Fluktuation im Betrieb, Mangel an Wertschätzung, niedriger Entlohnung. Es gab drei Entgeltsystematiken in der CPPZ: Tarifzahlung der „Gestellten“ – also derjenigen, die noch den alten Tarifvertrag aus der Charité haben, Tarifzahlung der Leasingkräfte und frei verhandelbare Entlohnung der neuen Angestellten. Viele Stellen wurden nicht besetzt, was heißt, dass die Arbeit auf wenige Schultern verteilt wurde und Mehrarbeit am Wochenende bedeutet.“ Susanne Mohrig fügt hinzu: „Jede*r neu Eingestellte bekam unglaublich viel weniger – etwa 800 Euro brutto im Monat.“

Dass dies systembedingt ist und viele betrifft, erklärt Josy Seeger, aktives ver.di Mitglied an der CPPZ sehr plastisch: „Hartz 4, Agenda 2010 – die Wirtschaft profitierte und drehte frei am Rad. Die Folgen wie Nachwuchsmangel, unbesetzte Stellen, Arbeitsverdichtung, wachsender Krankheitsstand müssen die Beschäftigten ausbaden. Später winkt Altersarmut.“

Selbstbewusstsein

Mit dem Streik haben die Kolleg*innen erfahren, dass sie nicht mehr ohnmächtig sind. „Es entsteht viel Gutes unter den Streikenden. Das Selbstbewusstsein steigt sichtbar! Streik bedeutet auch politische Arbeit; es wird diskutiert und über den Tellerrand geschaut. Es ist wichtig zu kapieren, dass wir nur ein Teil des Ganzen sind.“ bilanziert Mohrig die ersten beiden Runden ihres Arbeitskampfes. Wichtig ist die Solidarität aus anderen Betrieben, sowie der Kolleg*innen in anderen Berufsgruppen an der Charité, sagt Josy Seehger: „Auf meiner Station gibt es viel Solidarität von den Ärzt*innen, Pflegenden, Patienten und deren Angehörigen. Ich erfahre viel positives Feedback. Das ist wichtig, um durchzuhalten.“ Susanne Mohrig findet wichtig, „dass man sich und den anderen immer wieder klar macht, dass wir zwar unterschiedliche Berufsgruppen sind, aber dass die eine ohne die andere nicht arbeiten kann. Wird der OP-Saal nicht geputzt, kann nicht operiert werden. Funktioniert der Betten-Transport nicht, gelangen die PatientInnen nicht zu den Untersuchungen…Wir sind ein großes Team und sitzen in einem Boot.“

Krankes System

Längst haben die Streikenden die tiefer liegenden Ursachen erkannt. Josy Seeger bringt es auf den Punkt: „Das System hinter dem Gesundheitswesen ist furchtbar. Es will den marktgerechten Patienten, aber den gibt es nicht. Der Sinn der Gesundheitsberufe ist mittlerweile völlig entleert. Das Wohl des Patient*innen steht nicht mehr im Vordergrund; dort steht jetzt die Frage nach dem Gewinn. Und das Personal ist ausgedünnt und erschöpft. Das System ist krank, und wir, die darin arbeiten, werden es auch.“

„Wir wollen Bezahlung nach TVÖD und gleichen Lohn für gleiche Arbeit“, bekräftigt Marko Große die Forderungen der Beschäftigten. Wer bei der Kundgebung am vorerst letzten Streiktag im Dezember dabei war, konnte die Entschlossenheit der Kolleg*innen spüren, und dass dieser Arbeitskampf erst beendet ist, wenn die Forderungen erfüllt sind. Es wird wichtig sein, die Kolleg*innen solidarisch zu unterstützen.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Tageszeitung Neues Deutschland

SAV unterstützt Streik

Die Berliner SAV unterstützt den Streik der Kolleg*innen beim CPPZ. In einer Pressemitteilung von ver.di heißt es: „Angesichts dieses Beschlusses (gemeint ist der Senatsbeschluss das CPPZ in die Charité zurückzuführen) erwarten wir nun ein Ende der Blockadehaltung von Charité und CPPZ-Geschäftsführung. Es kann jetzt nur noch um die Konditionen bei der Angleichung an den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst – TVöD – im Zusammenhang mit der Rückführung der Tochter in die Charité gehen.“

Wir treten für die volle Durchsetzung der Forderungen ein und fordern von der Berliner LINKEN, dass sie sich unzweideutig an die seite der Beschäftigten stellt und im Senat dafür sorgt, dass Charité und CPPZ-Geschäftsführung zum Einlenken gezwungen werden.

Gesundheit darf keine Ware sein und Marktwirtschaft hat im Gesundheitswesen nichts verloren. Der Streik der Therapeut*innen und Masseur*innen ist Teil des Kampfes für mehr Personal und bessere Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern und für ein Gesundheitswesen, dass sich an den Bedürfnissen der Patient*innen orientiert und nicht an Renditen. Alle Ausgliederungen und Privatisierungen gehören rückgängig gemacht. Dafür sollte die ver.di-Führung die verschiedenen Kämpfe zusammenführen und die anderen DGB-Gewerkschaften Solidaritätskampagnen organisieren.