von Conny Dahmen, K\u00f6ln<\/em><\/p>\nSeit Wochen w\u00e4chst die Bewegung rasant. Nach dem Vorbild der Schulstreikaktionen in Schweden haben sich mittlerweile in \u00fcber 100 deutschen St\u00e4dten Ortsgruppen von \u201eFridays for Future\u201c gebildet, die auch in kleineren St\u00e4dten wie Gie\u00dfen (1200) oder Mainz (1600 am 18.1.) Tausende auf die Stra\u00dfen bringen, die sich nicht vor Strafen wie negativen Zeugnisvermerken oder Verweisen f\u00fcrchten. Viele derjenigen, die jetzt die Bewegung aufbauen, sind das erste Mal politisch aktiv.<\/p>\n
Die Wut ist gro\u00df, nachdem die Politiker*innen bei der UN-Klimakonferenz in Katovice im Dezember wiedermal nichts als Luft erhitzt hatten. Dort hatte allein die schwedische Sch\u00fclerin Greta Thunberg Klartext geredet, die im hei\u00dfen D\u00fcrresommer 2018 mit ihren w\u00f6chentlichen Schulstreikaktionen eine neue Jugendbewegung angesto\u00dfen hatte, und warf dem Publikum vor, nicht „reif genug“ zu sein, um \u201ezu sagen, wie es ist\u201c: \u201eUnsere Zivilisation wird geopfert, damit eine sehr kleine Anzahl von Menschen weiterhin eine enorme Menge Geld verdienen kann.\u201c Sie fordert eine andere Klima- und Energiepolitik und die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens (Begrenzung der Erderw\u00e4rmung auf unter zwei Grad), wozu nach Einsch\u00e4tzung des Weltklimarates IPCC im November die weltweiten Emissionen im Vergleich zu heute etwa halbiert werden m\u00fcssten.<\/p>\n
Nach den Zahlen des Umweltbundesamtes werden hierzulande j\u00e4hrlich rund 900 Millionen Tonnen Kohlendioxid und andere Treibhausgase emittiert, rund 35 Prozent davon kommen aus Kohlekraftwerken. Industriebetrieb sind f\u00fcr 21 Prozent, der Verkehr f\u00fcr 19 Prozent der Emissionen verantwortlich, die in beiden Sektoren zuletzt wieder gestiegen sind.<\/p>\n
Diese Wut auf die verantwortungslos agierenden etablierten Politiker war am 25. Januar auf den Demonstrationen in vielen treffenden und witzigen Slogans auf bunt gemalten Schilder und bei lauten Demospr\u00fcchen zu sp\u00fcren ( z.B. \u201eEs ist unsere Zukunft, ihr Arschl\u00f6cher!\u201c). Viele forderten einen m\u00f6glichst schnellen Ausstieg aus der Kohleenergie, eine Forderung, die nach Umfragen des zdf-Politbarometer 73 Prozent der Menschen in Deutschland unterst\u00fctzen.<\/p>\n
Kohlekommission: Kein Druck f\u00fcr schnellen Ausstieg<\/h4>\n
Anlass der zentralen Aktion in Berlin war die Tagung der Kohlekommission. Der offizielle Name der Kommission \u201eWachstum, Strukturwandel und Besch\u00e4ftigung“, die \u00fcber die Umstellung der Energiegewinnung diskutierte und eine Empfehlung an die Bundesregierung abgeben soll, l\u00e4sst schon die Dominanz von Wirtschaftslobbyist*innen vermuten. Tats\u00e4chlich sind von 28 stimmberechtigten Mitgliedern sieben direkte Vertreter*innen von Industrie und Wirtschaft – darunter die Chefs der Arbeitgeberverb\u00e4nde BDA und BDI Kampeter (CDU) und Kempf -, f\u00fcnf aus der Wissenschaft, drei Vertrer*innen von Umweltverb\u00e4nden und drei der Gewerkschaften, f\u00fcnf sind \u201eVertreter*innen der Braunkohle-Regionen\u201c, hinzu kommen drei Vorsitzende von CDU und SPD, der Rest Parteilose.<\/p>\n
Die \u201eEmpfehlung\u201c dieser Leute ist wenig hilfreich: im Abschlusspapier sollen bis 2022 Braun- und Steinkohlekraftwerke mit einer Kapazit\u00e4t von rund 12,5 Gigawatt vom Netz gehen, wobei gerade im Westen viele davon sowieso marode sind. Der letzte Kohlemeiler k\u00f6nnte noch bis 2038 (!) laufen, womit selbst die offiziellen Klimaziele verfehlt w\u00fcrden. Weder der Hambacher Forst noch die von Umsiedlung bedrohten Orte in den Braunkohlerevieren in der Lausitz und im Rheinland sind au\u00dfer Gefahr, die Kommission h\u00e4lt den Erhalt des Hambacher Forstes lediglich \u201ef\u00fcr w\u00fcnschenswert\u201c und \u201ebittet … die Landesregierungen\u201c um einen \u201eDialog um die Umsiedlungen\u201c mit den Betroffenen, \u201eum soziale und wirtschaftliche H\u00e4rten zu vermeiden.“<\/p>\n
Im Herbst 2018 war der Hambacher Forst, ein kleines Waldst\u00fcck beim Braunkohletagebau Hambach, das nach jahrelangem Kampf und Besetzung gewaltsam von der Polizei ger\u00e4umt und wieder besetzt wurde, zum Symbol der Bewegung gegen Kohleverstromung geworden. Im September und Oktober hatten dort mehrfach zehntausende Menschen protestiert, Aktivist*innen hatten Bagger und B\u00e4ume besetzt. Unter dem so entstandenen \u00f6ffentlichen Druck konnte die Rodung vorerst gestoppt werden.<\/p>\n
Bezahlt werden soll der Ausstieg nat\u00fcrlich von der breiten Masse: die vom Kohleausstieg betroffenen Regionen sollen laut Kommission in den kommenden 20 Jahren 40 Milliarden Euro an Strukturhilfen bekommen, auch Energiekonzerne wie RWE sollen f\u00fcr das vorzeitige Abschalten der Kraftwerke mit \u00f6ffentlichen Geldern entsch\u00e4digt werden. Dennoch k\u00fcndigte er Energiekonzern RWE bereits an, m\u00f6glicherweise Wald trotzdem zu roden, und beeilte sich auch, bei den besch\u00e4ftigten Panik durch Ank\u00fcndigung massiven Stellenabbaus bis 2023 zu sch\u00fcren.<\/p>\n
Welche Forderungen und Strukturen f\u00fcr die Bewegung?<\/h4>\n
W\u00e4hrend die Gr\u00fcnen, Greenpeace und BUND den Abschlussbericht offiziell begr\u00fc\u00dften, kritisierten Sprecher*innen der Fridays for Future ihn als inakzeptabel. Konkrete Forderungen oder Vorstellungen einer alternativen Energiepolitik finden sich allerdings weder in Reden, Pressestatements noch auf der Hompepage der Bewegung. Auch FFFs \u201eOffener Brief\u201c an die Kommission mit Betreff \u201eJugend fordert schnellstm\u00f6glichen Kohleausstieg und echte Zukunftspolitik\u201c, bleibt schwammig und appelliert eher an die b\u00fcrgerliche Politik.<\/p>\n
In der Klimabewegung dominieren immer noch die in Jahrzehnten vor allem von den Gr\u00fcnen gepr\u00e4gte Idee, mit individuellem Konsumverhalten den Planeten retten zu k\u00f6nnen. Einige lokale FFF-Gruppen wie in Mainz diskutieren und \u00e4u\u00dfern jedoch auch weitgehendere Forderungen wie Nulltarif bei \u00f6ffentlichen Verkehrsmitteln.<\/p>\n
Die Au\u00dfendarstellung wird von Mitgliedern der Gr\u00fcnen Jugend wie Luisa Neubauer \u00fcbernommen. BUND-Jugend und Greenpeace-Jugend bringen sich in die Strukturen ein. Weil die Strukturen der Bewegung noch sehr locker sind und die Aktivist*innen sich haupts\u00e4chlich \u00fcber Messenger-Gruppen koordinieren, ist programmatisch wenig festgelegt. Deswegen muss die Bewegung weiter aufgebaut und mit einem starken Programm bewaffnet werden, das Sch\u00fcler*innen, Studierende und Besch\u00e4ftigte in einem Kampf zusammenbringt. Dazu geh\u00f6ren auch Kommunikations- und Organisationsstrukturen, mit denen man sich bundesweit auszutauschen, vernetzen und gemeinsame, klare Forderungen erarbeiten kann, um noch viel mehr Menschen zu erreichen und L\u00f6sungen f\u00fcr die Probleme anbieten zu k\u00f6nnen.<\/p>\n
Beteiligte Organisationen sollten offen und transparent auftreten und ihre Meinung darstellen k\u00f6nnen. Beim Protest in Berlin wurden Mitglieder der linksjugend [\u2018solid] von Ordner*innen aufgefordert ihre Fahnen einzurollen und w\u00e4hrend der ersten drei Stunden keine Flugbl\u00e4tter zu verteilen, dem sie mit Verweis auf Meinungsfreiheit nicht nachgekommen sind. In einer Hamburger Whatsapp Gruppe schrieb eine Organisatorin, es w\u00e4re gut \u201ewenn ihr euch alle dran haltet, dass es hier NUR UM KLIMASCHUTZ geht und nicht um antikapitalismus, antisexismus oder was anderes!! Die Reden d\u00fcrfen nicht attackierend oder provozieren wirken und erst recht nicht aggressiv!! [\u2026] Gebt das an alle weiter die kommen und da sind und die Ordner sind nicht die Einzigen die f\u00fcr Ruhe und Ordnung sorgen k\u00f6nnen falls sich wer daneben benimmt…\u201c<\/p>\n
Solche Ma\u00dfnahmen f\u00fchren nicht zu weniger Vereinnahmung sondern Dominanz von kleineren Zirkeln der Organisator*innen sowie Gro\u00dforganisationen, die sich auf anderen Wegen Geh\u00f6r verschaffen k\u00f6nnen. Alle Organisationen, die gegen Klimawandel k\u00e4mpfen und nicht rassistisch sind, sollten die M\u00f6glichkeit haben, sich frei zu \u00e4u\u00dfern. Falls die Gefahr von Vereinnahmung besteht, kann zum Beispiel helfen, bei Abstimmungen in Gruppen, nur Sch\u00fcler*innen entscheiden zu lassen.<\/p>\n
Sch\u00fcler*innen und Besch\u00e4ftigte gemeinsam gegen Klimawandel<\/h4>\n
Am 1. Februar wird es einen weiteren internationalen Aktionstag von ‚FridaysForFuture‘ geben, der n\u00e4chste wichtige Protesttag ist der weltweite Sch\u00fcler*innenstreik am 15. M\u00e4rz. Mitglieder der SAV beteiligen sich vor Ort an den Aktionen und den Diskussionen in der Bewegung und unterst\u00fctzen die Methode von Streiks von Sch\u00fcler*innen und Studierenden, um auch Druck auf die Arbeiter*innenbewegung auszu\u00fcben. Zu einem zentralen Streik-und Aktionstag sollten auch Umweltorganisationen, die LINKE und die Gewerkschaften breit mobilisieren \u2013 vor allem die Gewerkschaften, deren F\u00fchrung Schluss machen muss mit der veralteten Umwelt-gegen-Arbeitspl\u00e4tze-Propaganda, die RWE-Besch\u00e4ftigte gegen Hambi-Aktivst*innen ausspielt, um gemeinsam f\u00fcr den Ausbau des erneuerbaren Energiesektors und Erhalt aller Arbeitspl\u00e4tze zu k\u00e4mpfen.<\/p>\n
Die SAV tritt f\u00fcr den sofortigen Ausstieg aus der Braunkohle und die vollst\u00e4ndige Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien ein. Gleichzeitig fordern wir die gleichwertige garantierte Weiterbesch\u00e4ftigung aller zur Zeit in der Kohleindustrie Besch\u00e4ftigten in klimaneutralen Energiezweigen. Nicht der Staat, sondern die Konzerne, die an der Umweltzerst\u00f6rung verdient und den Planeten mit besch\u00e4digt haben, sollen daf\u00fcr zahlen. Die gr\u00f6\u00dften Energiekonzerne m\u00fcssen in Gemeineigentum \u00fcberf\u00fchrt werden, unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch gew\u00e4hlte Vertreter*innen aus den Reihen der Besch\u00e4ftigten, der arbeitenden Bev\u00f6lkerung und Verbraucher- und Umweltschutz-Organisationen. Um im Verkehrssektor umzusteuern, brauchen wir keine Erh\u00f6hung von Benzin- und Kerosinsteuern, sondern vor allem kostenlosen \u00f6ffentlicher Personennahverkehr, den massiven Ausbau von Schienenstrecken und eine Erh\u00f6hung der Taktzeiten.<\/p>\n
\u201eDas System selbst ver\u00e4ndern\u201c<\/h4>\n
\u201eSolange ihr euch nicht darauf konzentriert, was notwendig ist, sondern nur darauf, was politisch m\u00f6glich ist, gibt es keine Hoffnung. (\u2026) Wir m\u00fcssen die fossilen Brennstoffe im Boden lassen und wir m\u00fcssen uns auf Gerechtigkeit konzentrieren. Und wenn L\u00f6sungen innerhalb des Systems unm\u00f6glich zu finden sind, dann m\u00fcssen wir vielleicht das System selbst ver\u00e4ndern\u201c hat Greta Thunberg in ihrer Rede vor der UN-Klimakonferenz in Katovice gesagt. Und in der Tat: im kapitalistischen Wirtschaftssystem ist nur \u201epolitisch m\u00f6glich\u201c, was im Interesse der Banken und Gro\u00dfunternehmen ist, also Profit bringt. Billige Produktionsverfahren, Wegwerfprodukte, Privatisierung usw. sind nicht vereinbar mit einem wirklichen Programm zur Klimarettung. Nicht \u201ewir“ und \u201eunser Egoismus\u201c sind die Ursache aller Probleme, sondern der Kapitalismus \u201eWir\u201c, also die arbeitenden Menschen, Jugendlichen, k\u00f6nnen vielmehr die L\u00f6sung sein, wenn wir die Gesellschaft selbst in die Hand nehmen und die Kontrolle der Wirtschaft und der Gro\u00dfunternehmen in die H\u00e4nde der Bev\u00f6lkerung gelangen, damit die erforderlichen Investitionen get\u00e4tigt und Wirtschaft und Gesellschaft demokratisch nach den Bed\u00fcrfnissen von Mensch und Umwelt geplant werden. Diese Perspektive einer sozialistischen Gesellschaft ist notwendig, wenn die Menschheit eine Zukunft haben soll.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"
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