im Kampf\u00a0<\/span>f\u00fcr mehr Personal im Krankenhaus<\/strong><\/p>\nNiemand, der diesen Streik mitbekommen hat, wurde\u00a0nicht\u00a0<\/span>davon ber\u00fchrt. Zehn Tage lang streikten Hunderte Besch\u00e4ftigte an der Charit\u00e9 f\u00fcr eine tarifvertrag<\/span>liche Regelung f\u00fcr mehr Personal im Krankenhaus,\u00a0bis am 1. Juli ein Eckpunktepapier zwischen Gewerkschaft und Vorstand erreicht wurde<\/span>. Historisch\u00a0betrachtet ist<\/span>\u00a0dies der erste Streik im Krankenhaus, der nicht f\u00fcr mehr Lohn, sondern f\u00fcr mehr Personal gef\u00fchrt wurde \u2013 im Interesse von Besch\u00e4ftigten und PatientInnen.<\/p>\n\u201eSeit gestreikt wird, werde ich besser gepflegt\u201c,\u00a0sagte ein 72-j\u00e4hriger Patient der BZ Berlin mitten im Arbeitskampf. Das macht deutlich, wie sehr Kolleginnen und Kollegen bem\u00fcht waren, eine gute Notfallversorgung w\u00e4hrend des Streiks zu gew\u00e4hrleisten. Das Motto des Streiks ‚Nicht der Streik, sondern der Normalbetrieb gef\u00e4hrdet die Patienten‘ traf den Nerv vieler Berlinerinnen und Berliner.<\/span>1200 Betten wurden gesperrt, \u00fcber 20 Stationen dicht gemacht, der Arbeitgeber an den Rand der Verzweiflung gebracht. Den Kolleginnen und Kollegen ist im Laufe des Streiks<\/span>\u00a0bewusst geworden, dass dies ein politischer Kampf ist:\u00a0G<\/span>egen die Politik einer Regierung, die mit dem neuen Krankenhausstrukturgesetz eine weitere Milliarde Euro in deutschen Krankenh\u00e4usern einsparen will, w\u00e4hrend laut\u00a0V<\/span>er.di 162.000 Besch\u00e4ftigte in deutschen Krankenh\u00e4usern fehlen.\u00a0Und dass sie Pioniere sind und m\u00f6glicherweise Geschichte schreiben. Es ist dem Kampfeswillen und der Entschlossenheit der KollegInnen und einer k\u00e4mpferischen Ver.di-Betriebsgruppe zu verdanken, dass mit der Vereinbarung eines Eckpunktepapiers ein erster Erfolg errungen werden konnte.<\/span><\/p>\nvon Lucy Redler, aktiv im B\u00fcndnis Berlinerinnen und Berliner f\u00fcr mehr Personal im Krankenhaus und SAV-Bundessprecherin<\/em><\/p>\nAm 1. Juli beschlossen Streikversammlungen demokratisch an allen drei Campussen der Charit\u00e9, dass Ver.di Charit\u00e9 auf Grundlage des vorliegenden Eckpunktepapiers mit dem Arbeitgeber einen Tarifvertrag aushandeln soll und der Streik ausgesetzt wird. In den anstehenden Verhandlungen sind noch offene Fragen zu kl\u00e4ren.<\/span>
\nCarsten Becker, Vorsitzender der Betriebsgruppe an der Charit\u00e9 kommentierte dies am selben Tag wie folgt:<\/span>\u00a0\u201e<\/span>Nach 10 Tagen Streik geht es jetzt in die Verhandlungen zu unserem Tarifvertrag. Ein Tarifvertrag mit Quoten f\u00fcr Intensivpflege h\u00f6chstens 1:2!,\u00a0<\/span>I<\/span>ntensiv\u00fcberwachung h\u00f6chstens 1:3!. Eine Quote f\u00fcr die station\u00e4re Pflege konnten wir nicht erreichen (nur in der Kinderkrankenpflege 1:6,5). Aber dort, wie in den Funktionsbereichen, Psychiatrie, Radiologie und Krei\u00dfsaal entwickeln wir Mindeststandards, die\u00a0<\/span>e<\/span>rstens zu mehr Personal f\u00fchren,\u00a0<\/span>z<\/span>weitens bei drohender Unterschreitung zu Konsequenzen bis hin zum Bettensperren f\u00fchren\u00a0<\/span>und drittens, dass wir nicht mehr allein im Nachtdienst sind.\u00a0<\/span>
\nDann noch einiges zu Gesundheitsschutz und F\u00f6rderung, mit Elementen der kollektiven Eigenbeteiligung. U<\/span>f<\/span>f! Das alles verhandeln und schreiben wir in den n\u00e4chsten Wochen, zum Gl\u00fcck mit \u00fcber 100 Tarifberater<\/span>I<\/span>nnen! Wenn es nicht klappt, streiken wir wieder und wenn es klappt, dann haben wir damit auch gleich ein kleines St\u00fcck Geschichte geschrieben. Mehr von uns ist besser f\u00fcr alle!“\u00a0<\/span><\/p>\nSignal: Geht doch!<\/h4>\n
Die Ausgangsforderungen von\u00a0V<\/span>er.di Charit\u00e9 waren: Eine Quote f\u00fcr die Betreuung auf Intensivpfleges<\/span>tationen zwischen Pflegekraft und Patient von 1:2, in der station\u00e4ren Pflege von 1:5 und Verbesserungen in allen nicht-pflegerischen Bereichen.\u00a0Au\u00dferdem sollte kein Nachtdienst mehr allein verrichtet und das Recht auf Leistungseinschr\u00e4nkung tarifvertraglich fixiert werden.<\/span><\/p>\nW\u00e4hrend\u00a0<\/span>V<\/span>er.di bundesweit darauf setzt, eine Personalbemessung gesetzlich durchzusetzen, hat<\/span>V<\/span>er.di Charit\u00e9 mit dem Streik etwas bewiesen, was lange auch in der eigenen\u00a0<\/span>G<\/span>ewerkschaft<\/span>umstritten war<\/span>: dass\u00a0<\/span>ein<\/span>\u00a0Streik f\u00fcr\u00a0<\/span>eine tarifvertragliche Regelung m\u00f6glich ist.\u00a0<\/span>Lange musste die Betriebsgruppe darum ringen. Zum einen mit dem Arbeitgeber, der zweimal versuchte den Streik<\/span>mittels einstweiliger Verf\u00fcgung gerichtlich zu untersagen und jedesmal scheiterte. Zum anderen mit der eigenen Gewerkschaftsf\u00fchrung, die erst nach starken Druck von unten gr\u00fcnes Licht f\u00fcr den Arbeitskampf gab.\u00a0<\/span><\/p>\nDas\u00a0<\/span>Zwischenergebnis ist nun<\/span>\u00a0auch ein wichtiges Signal an\u00a0<\/span>KollegInnen\u00a0<\/span>andere<\/span>r<\/span>\u00a0Krankenh\u00e4user,\u00a0<\/span>jetzt<\/span>nachzuziehen und ebenfalls den Kampf aufzunehmen. Ein solcher Kampf w\u00fcrde\u00a0<\/span>nicht nur d<\/span>ie eigene Gewerkschaft herausfordern,\u00a0<\/span>sondern vor allem<\/span>\u00a0die Gesundheitspolitik der Bundesregierung ersch\u00fcttern, die mit den Fallpauschalen auf ein budgetbasiertes\u00a0<\/span>Finanzierungsm<\/span>odell setzt.\u00a0<\/span><\/p>\nWenn es zu einem Tarifvertrag\u00a0<\/span>an der Charit\u00e9\u00a0<\/span>kommt, ist dies ein wichtiger tarifpolitischer Durchbruch.\u00a0<\/span>Zum ersten Mal\u00a0<\/span>in einem deutschen Krankenhaus\u00a0<\/span>werden\u00a0<\/span>dann<\/span>\u00a0im Intensivpflegebereich<\/span>Quoten\u00a0<\/span>von\u00a0<\/span>1:2 als Standard\u00a0<\/span>definiert<\/span>\u00a0(auch w\u00e4hrend der Nachtschicht)\u00a0<\/span>und Sondertatbest\u00e4nde festgelegt sowie\u00a0<\/span>eine Quote in der Kinderklinik eingef\u00fchrt<\/span>.\u00a0<\/span>Zudem werden weitere Stationen, die bisher der station\u00e4ren Pflege zugeteilt waren, den Intensivpflegestationen zugerechnet.\u00a0<\/span>Ersten<\/span>Informationen<\/span>\u00a0zufolge k\u00f6nnte es auf dieser Grundlage\u00a0<\/span>zu\u00a0<\/span>eine<\/span>r<\/span>\u00a0bundeseinheitliche<\/span>n<\/span>\u00a0gesetzliche<\/span>n<\/span>Regelung\u00a0<\/span>f\u00fcr den Intensiv<\/span>pflege<\/span>bereich\u00a0<\/span>kommen<\/span>.<\/span><\/p>\nDer Arbeitgeber sperrte sich jedoch gegen eine Quotenregelung f\u00fcr die station\u00e4re Pflege\u00a0<\/span>und die Funktionsbereiche<\/span>. Es ist stark davon auszugehen, dass es hier Druck von\u00a0<\/span>politischer Seite\u00a0<\/span>gab,\u00a0<\/span>keine solche Regelung zu treffen, um eine\u00a0<\/span>N<\/span>achahmung in anderen Krankenh\u00e4usern zu verhindern.\u00a0<\/span>Um auch in diesem Bereich Quoten durchzusetzen w\u00e4re ein ganz anderer gesellschaftlicher Druck \u2013 auch durch\u00a0<\/span>V<\/span>er.di bundesweit \u2013 und Streiks in mehreren Krankenh\u00e4usern n\u00f6tig gewesen.\u00a0<\/span><\/p>\nEin erstes Angebot\u00a0<\/span>nach vier Streiktagen<\/span>, das\u00a0<\/span>lediglich<\/span>\u00a0zu Verbesserung\u00a0<\/span>im<\/span>\u00a0Intensivpflegebereich gef\u00fchrt h\u00e4tte, wurde von den TarifberaterInnen\u00a0<\/span>zu Recht\u00a0<\/span>mit dem Argument zur\u00fcck gewiesen, man wolle sich nicht spalten lassen.<\/span><\/p>\nVerbesserungen in der station\u00e4ren Pflege<\/h4>\n
Nach weiteren drei Tagen Streik musste der Arbeitgeber auch ein Angebot f\u00fcr die station\u00e4re Pflege auf den Tisch legen. Hier<\/span>\u00a0w<\/span>e<\/span>rden\u00a0<\/span>jetzt\u00a0<\/span>Mindeststandards\u00a0<\/span>als Haltelinien\u00a0<\/span>definiert\u00a0<\/span>und keiner soll mehr Nachtdienst allein verrichten<\/span>.\u00a0<\/span>A<\/span>uf Grundlage der\u00a0<\/span>in den\u00a0<\/span>neunziger<\/span>\u00a0Jahren angewandten<\/span>Pflegepersonalregelung (PPR),\u00a0<\/span>die nach ihrer Abschaffung in manchen Kliniken noch als interner Berechnungsma\u00dfstab verw<\/span>endet<\/span>\u00a0wird, soll der errechnete Personalbedarf zu\u00a0<\/span>90\u00a0<\/span>Prozent<\/span>\u00a0<\/span>PPR\u00a0<\/span>plus<\/span>Nachtdienste\u00a0<\/span>und\u00a0<\/span>plus Sondertatbest\u00e4nde\u00a0<\/span>(besondere T\u00e4tigkeiten die zu erh\u00f6hter Belastung f\u00fchren) erf\u00fcllt werden. Vor dem Streik hat der Arbeitgeber den Bedarf bei 85\u00a0<\/span>Prozent<\/span>\u00a0PPR angesetzt\u00a0<\/span>und<\/span>Nachtdienste und Sondertatbest\u00e4nde nicht beachtet. Oftmals wurde\u00a0<\/span>die<\/span>\u00a085\u00a0<\/span>Prozent-<\/span>Grenze<\/span>\u00a0sogar<\/span>unterschritten. Dies ist jetzt nicht mehr m\u00f6glich. KollegInnen jeder Station k\u00f6nnen\u00a0<\/span>nach Abschluss des Tarifvertrags<\/span>\u00a0selbst nachpr\u00fcfen, wie viel<\/span>e<\/span>\u00a0Vollkr\u00e4fte ihnen\u00a0<\/span>ungef\u00e4hr\u00a0<\/span>zustehen.<\/span>\u00a0Der Anspruch f\u00fcr KollegInnen unterschiedlicher Stationen wird jetzt berechnet.\u00a0<\/span>Eine geplante Regelung zu<\/span>Sondertatbest\u00e4nden\u00a0<\/span>soll<\/span>\u00a0der\u00a0<\/span>G<\/span>ewerkschaft\u00a0<\/span>und KollegInnen<\/span>\u00a0ein neues Instrument\u00a0<\/span>an die Hand\u00a0<\/span>geben<\/span>,<\/span>mehr<\/span>\u00a0Personalbedarf\u00a0<\/span>geltend zu machen\u00a0<\/span>und Sondertatbest\u00e4nde\u00a0<\/span>zu definieren\u00a0<\/span>wie zum Beispiel die Pflege von Demenzkranken<\/span>.\u00a0<\/span><\/p>\nM<\/span>it einer festen Untergrenze wird \u201ed<\/span>er heimliche Stellenabbau an der Charit\u00e9 endlich gestoppt\u201c,\u00a0<\/span>wie eine\u00a0<\/span>Kollegin unter Applaus\u00a0<\/span>sagte. \u201e<\/span>Alles in allem wird hier<\/span>\u00a0ein Systemwechsel von der budgetorientierten zur patientenorientierten Personalausstattung eingef\u00fchrt,\u201c erkl\u00e4rt der Intensivpfleger Arthur Radvilas.<\/span><\/p>\nEntlastung schaffen<\/span><\/h4>\nWird die Vereinbarung nicht eingehalten,\u00a0<\/span>beispielsweise weil<\/span>\u00a0der Arbeitgeber nicht genug Personal bereit stellt, haben\u00a0<\/span>KollegInnen k\u00fcnftig \u00fcber ihre\u00a0<\/span>Stations\/<\/span>Schicht<\/span>leitungen<\/span>\u00a0das Recht,\u00a0<\/span>sich an einen Gesundheitsausschuss zu wenden und ihre Belastung anzuzeigen.\u00a0<\/span>In einer Eskalationskaskade wird dann Personal aufgestockt, die Arbeitsleistung eingeschr\u00e4nkt oder in letzter Konsequenz Betten gesperrt.<\/span>\u00a0Dies ist eine wichtige Regelung, um zu verhindern, dass im Falle fehlender Gelder zur Finanzierung oder unzureichender Bewerber<\/span>Innen<\/span>, die Besch\u00e4ftigten\u00a0<\/span>am Ende\u00a0<\/span>die Last tragen m\u00fcssen.\u00a0<\/span>Unmittelbar sollen zudem alle befristeten Arbeitsvertr\u00e4ge entfristet werden.\u00a0<\/span>Diese Regelungen sind auch deshalb sehr wichtig, weil davon auszugehen ist, dass es \u2013 im Falle eines<\/span>fertigen Tarifvertrags \u2013 etwas dauern wird, bis eine Entlastung real sp\u00fcrbar wird.<\/span><\/p>\nIn den Funktionsbereichen\u00a0wie beispielsweise OP<\/span>\u00a0und<\/span>\u00a0Krei\u00dfsaal\u00a0<\/span>sollen Empfehlungen\u00a0von<\/span>Fachgesellschaften f\u00fcr die zuk\u00fcnftige Personalausstattung\u00a0gelten. Jana Rauscheid von der Streikleitung des Virchow-Klinikums berichtet \u00fcber einen Erfolg der KollegInnen der Radiologie: \u201eDass der Streik alle Besch\u00e4ftigten betrifft und auch von den meisten mitgetragen wurde, zeigt sich darin, dass KollegInnen aus der Radiologie nach zehn Tagen solidarischem Mitstreiken feststellten, dass eben auch f\u00fcr sie eine personelle Verbesserung mit dem Abschluss des Tarifvertrags einhergeht.\u201c<\/span><\/p>\nKommt es zu einem solchen Tarifvertrag, soll dieser\u00a0eine Mindestlaufzeit<\/span>\u00a0bis Ende 2016 haben.<\/p>\n\u201eWaffenstillstand\u201c<\/h4>\n
U<\/span>m m\u00f6gliche Fallstricke in den Verhandlungen mit dem Arbeitgeber \u00fcber einen Tarifvertrag, den es bisher nicht gab, zu vermeiden, ist eine intensive R\u00fcckkopplung mit den TarifberaterInnen n\u00f6tig.\u00a0<\/span><\/p>\nSollte\u00a0<\/span>durch den Arbeitgeber<\/span>\u00a0w\u00e4hrend der Tarifverhandlungen gegen das Eckpunktepapier versto\u00dfen werden,<\/span>\u00a0kann die Gewerkschaft die Verhandlungen abbrechen und den Streik erneut hochfahren.\u00a0<\/span>E<\/span>in Kollege formulierte\u00a0<\/span>den Zustand so<\/span>: \u201e<\/span>Oder symbolisch gesagt, die Pistole steckt im Holster aber die Hand liegt noch an ihr.\u201c\u00a0Oder mit den Worten Stephan Gummerts von der Streikleitung: \u201e<\/span>Streik ist ausgesetzt. Es beginnt nach dem Etappensieg nun die n\u00e4chste Phase des Konflikts. Milit\u00e4risch gesprochen befinden wir uns im Waffenstillstand.\u201c<\/p>\nSolidarit\u00e4t<\/h4>\n
Ein Streik in einem Krankenhaus ist nicht zu vergleichen mit anderen Streiks.<\/span>K<\/span>rankenhausbesch\u00e4ftigte arbeite<\/span>n am<\/span>\u00a0Menschen\u00a0<\/span>und<\/span>\u00a0rette<\/span>n<\/span>\u00a0im Zweifelsfall Leben.\u00a0<\/span>Besch\u00e4ftigte stehen\u00a0<\/span>unter enormen, auch seelischen Druck, weil sie sich ihren Patient<\/span>Innen<\/span>\u00a0gegen\u00fcber verantwortlich f\u00fchlen. Deshalb\u00a0<\/span>