Erkl\u00e4rung der SAV-Schwesterorganisation und CWI-Sektion in Tunesien<\/strong><\/p>\n
Bei dem Terroranschlag am Bardo-Museum in Tunis am 18. M\u00e4rz sind mindestens 23 Menschen get\u00f6tet worden. Die Verantwortung f\u00fcr diesen Anschlag hat die selbsternannte Gruppe des \u201eIslamischen Staats\u201c \u00fcbernommen. Die Sektion des CWI in Tunesien verurteilt diese grausame und feige Attacke auf das Sch\u00e4rfste.<\/p>\n
Eine Welle der Entr\u00fcstung und Wut schwappt \u00fcber das ganze Land. Tausende TunesierInnen sind spontan auf die Stra\u00dfe gegangen, um ihre Solidarit\u00e4t mit den Opfern des Terroranschlags zu zeigen, der vollkommen unschuldige Menschen das Leben gekostet hat, darunter auch ein tunesischer Arbeiter, der beim Museum angestellt war.<\/p>\n
Diese Art von Terroranschl\u00e4gen kommt leider nicht besonders \u00fcberraschend. Seit einiger Zeit schon sind djihadistische Gruppierung in Tunesien sehr aktiv darin zu rekrutieren und ideologisch zu indoktrinieren. Erleichtert wird ihnen das durch die sich immer weiter zuspitzende soziale Krise aber auch durch den v\u00f6lligen Zusammenbruch der Strukturen im benachbarten Libyen nach der Intervention des westlichen Imperialismus, der das Land in Schutt und Asche gelegt hat.<\/p>\n
In den vergangenen Jahren haben sich tausende TunesierInnen djihadistischen Gruppen angeschlossen, die in Syrien und dem Irak agieren. Dazu z\u00e4hlt auch der \u201eIslamische Staat\u201c, der Tunesien zu einer der wichtigsten Quellen f\u00fcr ausl\u00e4ndische K\u00e4mpfer in diesen Konflikten gemacht hat.<\/p>\n
Die Regierung versucht die j\u00fcngsten Ereignisse zu nutzen, um angesichts des Terrorismus an die \u201enationale Einheit\u201c zu appellieren. Die TunesierInnen sollten wirklich zusammenstehen \u2013 aber sicher nicht mit einer derart verfaulten und in sich zerfressenen Regierung, der Parteien angeh\u00f6ren, die noch aus der alten Diktatur stammen und von der eine dieser Parteien ihre Wurzeln im rechtsgerichteten religi\u00f6sen Fundamentalismus hat. Vertrauen, dass sie den Kampf gegen den Terror anf\u00fchren k\u00f6nnten, kann man keiner dieser Kr\u00e4fte schenken.<\/p>\n
Mehr als die H\u00e4lfte der Parlamentsabgeordneten der regierenden Partei \u201eNidaa Tounes\u201c (deutsch: \u201eRuf Tunesiens\u201c) sind ehemalige Mitglieder oder Anh\u00e4nger der alten RCD (\u201eRassemblement Constitutionnel D\u00e9mocratique\u201c), eine Partei, die jahrelang den \u201eKampf gegen den Terrorismus\u201c benutzt hat, um im Land die B\u00fcrgerrechte zu zerst\u00f6ren und jede Opposition im Keim zu ersticken. Der todbringende Terroranschlag, der 2002 in Djerba stattfand und bei dem 19 Menschen ums Leben kamen, ist der eindeutige Beleg daf\u00fcr, dass diktatorische Regime beileibe kein Bollwerk gegen den Terrorismus sind. Das genaue Gegenteil zu dem ist der Fall, was einige uns auch heute wieder erz\u00e4hlen wollen.<\/p>\n
Weil zum Beispiel die f\u00fchrenden Vertreter der Partei \u201eEnnahda\u201c enge ideologische Verbindungen zu einigen Teilen der radikalen salafistischen Bewegung unterhalte, kann kein Zweifel daran bestehen, dass es irgendeinen Teil der kapitalistischen herrschenden Klasse gibt, der nicht zur\u00fcckgewiesen werden sollte.<\/p>\n
Vor kurzem hat Pr\u00e4sident Essebsi noch dem saudischen Despoten Abdullah seine Beileidsbekundung erwiesen und den saudischen Prinzen Alwaleed nach Tunesien eingeladen. Das Regime des Prinzen hat \u2013 durch Milliarden-Transfers \u2013 die giftige Ideologie des Wahabismus in die gesamte Region und noch dar\u00fcber hinaus exportiert. Mehr noch: Der j\u00fcngste Anschlag ist in Teilen auch die Folge des katastrophalen Krieges, den die imperialistischen M\u00e4chte im Nahen Osten f\u00fchren. Beide herrschenden Partei sind \u00fcberaus erpicht, mit beiden Polen zusammenzuarbeiten.<\/p>\n
Auf den Stra\u00dfen hat man Armeeeinheiten aufmarschieren lassen, und nach dem Terroranschlag wird das von vielen TunesierInnen wahrscheinlich auch begr\u00fc\u00dft. Dieser Schritt wird jedoch keines der tieferliegenden Probleme lindern k\u00f6nnen. Wozu es dienen kann, ist allerdings, dass auch andere Formen von widerstand gegen die Regierung damit in die Schranken gewiesen und die Menschen daran gehindert werden auf die Stra\u00dfe zu gehen. Schlie\u00dflich k\u00f6nnten sie das ja in der Art tun, dass es f\u00fcr die amtierenden Machthaber eine Herausforderung darstellt \u2026<\/p>\n
Die Regierung versucht in der Tat, den Schock und die Gem\u00fctslage f\u00fcr sich auszunutzen, die der j\u00fcngste Terroranschlag hervorgebracht hat. In Wirklichkeit will man an unsere Grundrechte ran und eine R\u00fcckkehr zur \u00fcberm\u00e4chtigen Staatsmaschinerie. Gleichzeitig wird man mit der desastr\u00f6sen und gegen die Armen gerichteten Politik fortfahren, die zur Entfremdung einer ganzen Bev\u00f6lkerungsschicht gef\u00fchrt und die Basis daf\u00fcr gelegt hat, dass religi\u00f6se Extremisten Zulauf bekommen. Die angebliche Notwendigkeit, \u201ealle Anstrengungen der Nation\u201c darauf zu verwenden, gegen den Terror zu k\u00e4mpfen, kann genauso gut als Begr\u00fcndung daf\u00fcr erhalten, um Streiks und soziale Proteste zu verbieten, die in vielen Branchen an der Tagesordnung sind.<\/p>\n
Die derzeitige Regierung hat keine ernstzunehmende Antwort auf die terroristische Gewalt. Sie l\u00e4uft nur Gefahr, das Land in eine Endlos-Spirale der Gewalt zu st\u00fcrzen, wobei der Vorwand des \u201eKampfes gegen den Terrorismus\u201c nur benutzt wird, um das Erbe der Revolution endlich loszuwerden und erneut ein Regime einzusetzen, dass auf staatlichem Terror basiert.<\/p>\n
Terror hat nicht nur ein Gesicht. Terror ist auch die Fortsetzung von Folter, die auf den Polizeirevieren durchgef\u00fchrt wird. Terror ist auch das Ergebnis von erschossenen DemonstrationsteilnehmerInnen, wie etwa im vergangenen Februar in Dehiba \u2026 Und die Mehrheit der Bev\u00f6lkerung Tunesiens wollen diese Art von Terror nicht mehr!<\/p>\n
Die meisten TunesierInnen haben sehr legitime und echte Hoffnungen, dass das Leben wieder sicher wird. Zu einer der ersten und grundlegendsten Sicherheiten z\u00e4hlt aber, dass man das Recht auf einen regul\u00e4ren Job und festes Einkommen hat, um in der Lage zu sein, ein angemessenes Leben leben zu k\u00f6nnen. Dieses Recht wird einer immer gr\u00f6\u00dfer werden Zahl von Menschen im Land verwehrt. Tunesien weist im Weltma\u00dfstab eine der h\u00f6chsten Arbeitslosenquoten bei den Menschen unter 25 Jahren auf. Die Preise f\u00fcr Grundbedarfsg\u00fcter sind erheblich angestiegen. Im Vergleich zur Zeit der Diktatur unter Ben Ali machen heute drei Mal mehr Menschen den Staat f\u00fcr die schlechte wirtschaftliche Lage verantwortlich und attestieren ihm \u201esehr schlecht\u201c zu handeln. Die Politik der neuen Regierung, die neue K\u00fcrzungen bei den staatlichen Subventionen und andere \u201eam Markt orientierte Reformen\u201c plant, wird die Lage nur weiter verschlechtern.<\/p>\n
Vor zwei Jahren, in der Zeit, als in Tunis das Weltsozialforum stattfand, hat das CWI in Tunesien ein Flugblatt verteilt, auf dem Folgendes zu lesen stand:<\/p>\n
\u201eDas wachsende Elend in den verarmten Wohnvierteln bereitet den Boden, auf dem Salafisten und Djihadisten rekrutieren k\u00f6nnen \u2013 vor allem unter den jungen Leuten, die keine Hoffnung mehr haben. Wenn sie keine ernstzunehmenden Antworten bekommen, die von der Linken oder aus der Gewerkschaftsbewegung kommen m\u00fcssen, dann k\u00f6nnen die am meisten verzweifelten Schichten diesen reaktion\u00e4ren Demagogen zum Opfer fallen. Die Arbeiterklasse und die revolution\u00e4re Jugend k\u00f6nnen nur dann die Br\u00fccke zur Masse der \u201eHabenichtse\u201c schlagen, wenn sie eine m\u00e4chtige landesweite Bewegung aufbauen, die in der Lage ist, f\u00fcr die dr\u00e4ngendsten Forderungen der Unterdr\u00fcckten zu k\u00e4mpfen\u201c.<\/p>\n
Heute, da wir abermals kurz vor einem Sozialforum stehen, dass in wenigen Tagen wieder in Tunis stattfinden wird, k\u00f6nnen diese S\u00e4tze eins zu eins genauso ein zweites Mal abgedruckt werden. Schlie\u00dflich hat der Umstand, dass die F\u00fchrung der Arbeiterbewegung nicht in der Lage war, der Sackgasse, in die uns die kapitalistische Krise gef\u00fchrt hat, eine radikale und revolution\u00e4re Alternative entgegenzustellen, zu dem Vakuum gef\u00fchrt, in das extremistische Gruppierungen sto\u00dfen konnten und mehr und mehr sto\u00dfen. Salafistische und djihadistische Organisationen investieren einen Gro\u00dfteil ihrer Ressourcen in den marginalisierten Randgebieten (aus denen auch die M\u00f6rder vom Bardo-Museum stammten). Dort haben ihnen Hoffnungslosigkeit und die grassierende Massenarbeitslosigkeit bereits die H\u00e4lfte der Arbeit abgenommen.<\/p>\n
Chokri Belaid, einer der F\u00fchrer der Linken, der vor zwei Jahren ermordet worden ist, sagte einmal: \u201eDu hast Angst, die Stra\u00dfe entlang zu gehen? Wenn du nur w\u00fcsstest, was dich erwartet, wenn du zu Hause bleibst!\u201c. Die Verantwortung daf\u00fcr, das Land vom Terror (welcher Ausformung auch immer) zu befreien, liegt voll und ganz bei den arbeitenden Massen und der Jugend, die ein echtes gemeinsames Interesse teilen und eine radikale Ver\u00e4nderung der staatlichen Strukturen anstreben.<\/p>\n
Nach der Ermordung der beiden f\u00fchrenden linken Politiker Chokri Belaid und Mohamed Brahmi im Jahr 2013 wurde bereits damit begonnen, als unmittelbar danach zwei spektakul\u00e4re Generalstreiks stattfanden. Genauso sollten der Gewerkschaftsbund UGTT, die \u201eVolksfront\u201c und all die k\u00e4mpferischen Teile der tunesischen Linken das Heft erneut in die Hand nehmen und Gebrauch machen von der Macht, die sie potentiell haben. Sie sollten das Land hinter einem klaren und auf den Interessen der Arbeiterklasse basierenden Aktionsprogramm vereinen, dabei unabh\u00e4ngig von der aktuellen Regierung bleiben. Ein solches Programm sollte sich ganz unmissverst\u00e4ndlich auf die ganze Macht der organisierten Arbeiterklasse und die Dynamik einer Jugendbewegung gr\u00fcnden. Die Perspektive muss lauten, f\u00fcr umfassenden gesellschaftlichen, \u00f6konomischen und politischen Wandel zu sorgen.<\/p>\n
Die Personen, die derzeit an der Macht sind, geben vor, sich um unsere Sicherheit zu k\u00fcmmern. Dabei ist ihr Staatsapparat weiterhin durchzogen mit den Anh\u00e4ngern des alten Regimes. Einige von ihnen, sind noch nicht einmal f\u00fcr Mord oder Folter zur Rechenschaft gezogen worden. Es ist eine Tatsache, dass die Zeit, in der in der tunesischen Geschichte am meisten Sicherheit herrschte, die Zeit war, als die Massen millionenfach das Stra\u00dfenbild beherrschten und die Politik des Landes direkt beeinflussen konnten. Die besten Traditionen unserer Revolution (wie z.B. der Aufbau revolution\u00e4rer Verteidigungsaussch\u00fcsse in den Wohnvierteln) sollten wiederbelebt werden, um zu verhindern, dass der Kampf gegen den Terrorismus und Djihadismus allein in den H\u00e4nden des herrschenden Establishments verbleibt. Wozu das f\u00fchren kann, mussten unsere Br\u00fcder und Schwestern in den 1990er Jahren in Algerien am eigenen Leibe erleben. Sie haben schwer leiden m\u00fcssen.<\/p>\n
Es ist Zeit, die Massen zu mobilisieren! Die Gewerkschaftsbewegung, die UGET, die Erwerbslosen-Organisationen, die Linke und die revolution\u00e4re Jugend m\u00fcssen sich f\u00fcr Massenaktionen stark machen \u2013 aber auf ihre Art. Der Aufruf zu einem 24-st\u00fcndigen Generalstreik w\u00e4re ein guter erster Schritt in diese Richtung: F\u00fcr die Einheit aller ArbeiterInnen, jungen Menschen und der Mehrheit der tunesischen Bev\u00f6lkerung, gegen Terrorismus und \u00fcberkommene Denkstrukturen. Und ebenso zur energischen Verteidigung unserer demokratischen Rechte und f\u00fcr die Organisierung des Widerstands gegen die kapitalistische Politik des sozialen Elends und staatlicher Repression. Schlie\u00dflich ist es das, was zur Situation gef\u00fchrt hat, wie sie heute ist. Ein solcher Streik w\u00fcrde \u2013 in Verbindung mit der Mobilisierung der Massen auf den Stra\u00dfen \u00fcberall im Land \u2013 helfen, zum massenhaften Kampf zur\u00fcckzukehren, mit dem die zentralen Forderungen der Revolution nach \u201eBrot, Arbeit und W\u00fcrde\u201c zur\u00fcck auf die Tagesordnung gesetzt w\u00fcrden. Dieser Kampf kann seinen ultimativen Ausdruck im Aufbau einer demokratischen und sozialistischen Gesellschaft finden, die auf \u00f6ffentlichem Eigentum und der demokratischen Planung der Reichtumsverteilung durch die arbeitenden Menschen basiert.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"
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