Die Gewerkschaft ver.di fordert bundesweit eine gesetzliche Personalbemessung in den Krankenh\u00e4usern im Rahmen der Kampagne \u201eDer Druck muss raus\u201c. Am Universit\u00e4tsklinikum Charit\u00e9 in Berlin beginnen die ver.di-Aktiven eine Tarifbewegung f\u00fcr Mindestbesetzung und gesundheitsf\u00f6rdernde Ma\u00dfnahmen. Stephan Gummert und Carsten Becker von der ver.di-Betriebsgruppe erkl\u00e4ren im Interview, wie parallel zur ver.di-Forderung nach gesetzlicher Personalbemessung an der Charit\u00e9 zum ersten Mal tarifpolitisch vorgegangen wird. Das Gespr\u00e4ch f\u00fchrte Angelika Teweleit.<\/p>\n
Carsten:<\/strong> Kern der Forderungen sind Regelungen zur Frage der Mindestbesetzung f\u00fcr alle Besch\u00e4ftigten und insbesondere f\u00fcr die bettenf\u00fchrenden Bereiche. Auf den Intensivstationen fordern wir eine Mindestbesetzung von einer Pflegekraft f\u00fcr zwei Patienten, auf den Normalstationen wollen wir eine Pflegekraft f\u00fcr h\u00f6chstens f\u00fcnf Patientinnen und Patienten. Eine wichtige Forderung ist auch \u201ekeine Nacht allein\u201c, denn derzeit muss eine Pflegekraft drei\u00dfig Patienten oder mehr nachts alleine versorgen. Wegen der Dramatik der Situation haben wir diese Forderungen entwickelt und unter das Motto \u201eMehr von uns ist besser f\u00fcr alle\u201c gestellt. Denn diese Regelungen bedeuten nicht nur eine Verbesserung der Lage f\u00fcr die Besch\u00e4ftigten, sondern auch f\u00fcr die Patienten.<\/p>\n Stephan:<\/strong> Unser Slogan hat somit zwei Sto\u00dfrichtungen: zum einen nach innen, an die Kolleginnen und Kollegen gerichtet, die schier am verzweifeln sind, weil sie nicht mehr wissen, wie sie diesem enormen Druck standhalten sollen. Zum anderen an die \u00d6ffentlichkeit, denn auch Patientinnen und Patienten leiden unter den unhaltbaren Zust\u00e4nden.<\/p>\n Carsten:<\/strong> Die Systematik der Fallkostenpauschalen (DRG\u2018s) und die nicht gezahlten Investitionsmittel durch L\u00e4nder und Kommunen an Krankenh\u00e4user sind hauptverantwortlich f\u00fcr die dramatische Situation. Bundesweit ist die Situation in allen Krankenh\u00e4usern: Immer mehr Patientinnen und Patienten mit immer schwierigeren Krankheitsbildern sollen in immer k\u00fcrzerer Zeit von immer weniger Personal versorgt werden. ver.di hat festgestellt, dass bundesweit 162.000 Besch\u00e4ftigte in den Krankenh\u00e4usern fehlen. Ziel unserer Tarifbewegung ist, diesem Abw\u00e4rtstrend entgegenzuwirken.<\/p>\n Carsten:<\/strong> Der Leidensdruck der Kolleginnen und Kollegen an der Charit\u00e9 hatte schon letztes Jahr eine Grenze erreicht, der sich jetzt in Widerstand wandelt. ver.di bietet uns jetzt einen Handlungsrahmen.<\/p>\n Stephan:<\/strong> Parallel zur ver.di-Forderung nach gesetzlicher Personalbemessung wird an der Charit\u00e9 zum ersten Mal ein tarifpolitischer Handlungsrahmen er\u00f6ffnet. Zugespitzt formuliert: Personalbemessung ist streikf\u00e4hig.<\/p>\n Carsten:<\/strong> Andere Aspekte dieser Tarifbewegung sind Gesundheitsschutz und altersgerechtes Arbeiten. 60 Prozent der Belegschaft sind \u00e4lter als 40 Jahre. Hier kommen zwei Sachen zusammen. Zum einen der Fachkr\u00e4ftemangel: Immer weniger sind bereit, Pflegekraft zu werden. Wen wundert\u2018s bei diesen Arbeitsbedingungen. Zum anderen die Personalausd\u00fcnnung: Im Sinne der Gewinnorientierung wurden zus\u00e4tzlich Stellen abgebaut.<\/p>\n Stephan:<\/strong> Die Kolleginnen und Kollegen, die jetzt noch da sind, sollen auch noch \u2013 im Drei-Schicht-System \u2013 bis 67 arbeiten. Das Ergebnis: Die meisten Kollegen scheiden mit \u2013 teilweise massiven \u2013 Renteneinbu\u00dfen aus.<\/p>\n Carsten:<\/strong> Gar nicht bis jetzt. Das gibt uns das Signal, dass ein erfolgreicher Tarifvertrag nur mit dem Mittel des Streiks erreicht werden kann.<\/p>\n Stephan:<\/strong> Arbeitskampfma\u00dfnahmen brauchen Vorbereitungszeit, denn abgesehen von einer Urabstimmung haben wir es auch mit Patientinnen und Patienten zu tun. Wie auch bei unserem Streik 2011 setzen wir darauf, durch Stationsschlie\u00dfungen und Bettensperrungen den notwendigen \u00f6konomischen Druck zu entfalten, ohne dabei Patienten zu gef\u00e4hrden.<\/p>\n Carsten:<\/strong> Generell bin ich der Meinung, jeder Arbeitskampf braucht \u00f6ffentliche Unterst\u00fctzung. Auch, wenn immer weniger im Krankenhaus arbeiten wollen: Potenziell sind doch alle Patientinnen und Patienten. Sie sollten die bestm\u00f6gliche Versorgung haben.<\/p>\n Stephan:<\/strong> Die universelle Betroffenheit ist entscheidend. Jeder Mensch ist potenzieller Patient. Das macht das Thema so politisch. Es ist naheliegend, die Solidarit\u00e4t von den Menschen dieser Stadt einzufordern.<\/p>\n Carsten:<\/strong> Es gibt schon jetzt ein fortdauerndes Medieninteresse. Es gibt auch Parteien, die zuh\u00f6ren, insbesondere DIE LINKE. Sie hat in einem guten Zusammenspiel durch die Unterst\u00fctzung der betrieblichen Kampagne, das Einbringen einer Gesetzesinitiative in den Bundestag und die Organisation eines Hearings schon jetzt eine gute Solidarit\u00e4tsarbeit geleistet. Falls wir nicht zu einem positiven schnellen Verhandlungsergebnis kommen, k\u00f6nnte ein Streik an der Charit\u00e9 mitten in die hei\u00dfe Phase des Bundestagswahlkampfes fallen. Hier hoffen wir auch darauf, dass wir verbesserte M\u00f6glichkeiten haben, Unterst\u00fctzung von au\u00dfen zu erhalten.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":" Die Gewerkschaft ver.di fordert bundesweit eine gesetzliche Personalbemessung in den Krankenh\u00e4usern im Rahmen der Kampagne \u201eDer Druck muss raus\u201c. <\/p>\n","protected":false},"author":2,"featured_media":17799,"comment_status":"closed","ping_status":"closed","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":[],"categories":[75,13],"tags":[291,336],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/archiv.sozialismus.info\/maschinenraum\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/25101"}],"collection":[{"href":"https:\/\/archiv.sozialismus.info\/maschinenraum\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/archiv.sozialismus.info\/maschinenraum\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/archiv.sozialismus.info\/maschinenraum\/wp-json\/wp\/v2\/users\/2"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/archiv.sozialismus.info\/maschinenraum\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=25101"}],"version-history":[{"count":0,"href":"https:\/\/archiv.sozialismus.info\/maschinenraum\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/25101\/revisions"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/archiv.sozialismus.info\/maschinenraum\/wp-json\/wp\/v2\/media\/17799"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/archiv.sozialismus.info\/maschinenraum\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=25101"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/archiv.sozialismus.info\/maschinenraum\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=25101"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/archiv.sozialismus.info\/maschinenraum\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=25101"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}Wo seht ihr die Verantwortung daf\u00fcr?<\/h4>\n
Seit einiger Zeit habt ihr mit verschiedenen Aktionen auf die Situation aufmerksam gemacht. Welche Bedeutung hat die Aufforderung an den Arbeitgeber, \u00fcber Eure Forderungen zu verhandeln?<\/h4>\n
Was fordert ihr noch? <\/h4>\n
Wie hat der Arbeitgeber auf Eure Forderungen reagiert?<\/h4>\n
Wie bereitet ihr Euch auf einen eventuellen Arbeitskampf vor?<\/h4>\n
Welche Bedeutung hat f\u00fcr Euch die Unterst\u00fctzung von au\u00dfen?<\/h4>\n