von Conny Dahmen, K\u00f6ln<\/em><\/p>\nBis heute, 30 Jahre sp\u00e4ter, ist das Massaker unvergessen, dass christlich-maronitische Milizen unter den Augen der israelischen Armee vom 16. bis 18. September 1982 in den beiden Fl\u00fcchtlingslagern Sabra und Schatilah ver\u00fcbten und welchem zirka 3000 Menschen zum Opfer fielen. Nur wenige \u00fcberlebten. F\u00fcr den Staat Israel markierte es einen Wendepunkt in einem 20 Jahre w\u00e4hrenden Krieg, der nicht zu gewinnen war.<\/p>\n
Der libanesische B\u00fcrgerkrieg und die PLO<\/h4>\n
Ausgangspunkt f\u00fcr die milit\u00e4rische Besetzung des Libanon durch die israelische Armee (IDF) war ein B\u00fcrgerkrieg, der 1975 zwischen christlich-maronitischen und arabischen Milizen ausgebrochen war: die \u201eLibanesische Front\u201c, bestehend vor allem aus rechten christlichen Gruppen, welche die rechte Regierung unterst\u00fctzten, k\u00e4mpfte gegen die \u201eradikalere\u201c \u201eLibanesische Nationalbewegung\u201c, (LNM) der sich vor allem muslimische, aber auch drusische und pal\u00e4stinensische Kampfgruppen, wie die PLO, anschlossen.<\/p>\n
Die PLO (\u201ePal\u00e4stinensische Befreiungsorganisation\u201c, damals die wichtigste politische und milit\u00e4rische Vertretung der Pal\u00e4stinenserInnen), hatte bereits ab 1968 ihre St\u00fctzpunkte in den Libanon verlegt, wo sie bis 1973 eine Art Staat im Staate aufbauen konnte. Au\u00dfer im S\u00fcdlibanon befanden sich PLO-Zentren auch in Beirut, Sidon und Tyrus. Die 500.000 Pal\u00e4stinenserInnen stellten 10 Prozent der Bev\u00f6lkerung, nachdem viele nach ihrer brutalen Vertreibung aus Jordanien im \u201e Schwarzen September\u201c 1970 dorthin gefl\u00fcchtet waren. Viele Fl\u00fcchtlinge aus den pal\u00e4stinensischen Lagern im Libanon traten der PLO bei.<\/p>\n
Trotz ihrer gro\u00dfen Popularit\u00e4t weltweit, vor allem in vielen ex-kolonialen L\u00e4ndern, war die PLO nicht in der Lage, dieses Potential zu nutzen und internationale Solidarit\u00e4t f\u00fcr den Befreiungskampf zu organisieren. Sie orientierte sich ebenso wenig auf die Arbeiterklasse und Jugend in Israel wie auf die libanesische Arbeiterklasse und armen Bauern, ob christlich, drusisch oder arabisch, um sie zu einem vereinten Kampf gegen den Kapitalismus mobilisierten, sondern beschr\u00e4nkte sich auf die pal\u00e4stinensische Frage. Finanziell st\u00fctzte sich die PLO zudem auf verrottete arabische Diktaturen wie in Saudi Arabien und Kuwait.<\/p>\n
Operation \u201eFrieden f\u00fcr Galil\u00e4a\u201c<\/h4>\n
Aus Angst vor revolution\u00e4ren Entwicklungen im Libanon schickte nicht nur das syrische Assad-Regime Truppen in den Libanon, auch Israel beeilte sich, die Lage unter seine Kontrolle zu kriegen. Bereits 1978 waren israelischen Streitkr\u00e4fte (IDF ) nach einem \u00dcberfall auf einen Kibbuz in Israel in den S\u00fcdlibanon einmarschiert, hatte sich aber nach einigen Monaten wieder zur\u00fcck gezogen und und das ehemals besetzte Gebiet der Kontrolle seines Verb\u00fcndeten \u201eFreien Libanesischen Armee\u201c\u201c (FLA, sp\u00e4ter SLA) unter Major Haddad \u00fcberlassen, die zuerst die PLO und sp\u00e4ter die Hisbollah bek\u00e4mpfte und mit Billigung der IDF zahlreiche Gr\u00e4ueltaten ver\u00fcbte. Die FLA war vermutlich auch beim Massaker in Sabra und Schatilah beteiligt.<\/p>\n
Im Juni 1982 marschierte die IDF unter dem Kommando von Eytan und Ariel Scharon (damaliger Verteidigungsminister, sp\u00e4ter Premier) erneut in den Libanon ein, offiziell, um weitere PLO- Angriffe auf nordisraelische St\u00e4dte und D\u00f6rfer zu verhindern. Bisher hatte die israelische Armee auf die Bombenangriffe der PLO aus den s\u00fcdlichen D\u00f6rfern des Libanon mit \u201eS\u00e4uberungsaktionen\u201d reagiert – also z.B. Luftangriffe wie die Bombardierung der PLO- Zentren in Beirut, Dammer und Nabatijieh 1981, was 503 Pal\u00e4stinenserInnen und libanesischen ZivilistInnen das Leben kostete. Die \u201eOperation Frieden in Galil\u00e4a\u201d sollte aber vor allem die PLO- St\u00fctzpunkte im Libanon zerst\u00f6ren – und damit m\u00f6glichst den gesamten pal\u00e4stinensischen Widerstand, auch in der Westbank und Gazastreifen:<\/p>\n
\u201eDie israelische Invasion sollte, noch einmal gesagt, die Hoffnung der Menschen im Westjordanland und dem Gazastreifen auf eine erfolgreiche Konstituierung des pal\u00e4stinensischen Volkes zu einer Nation ein f\u00fcr allemal zerst\u00f6ren. Die Invasion sollte jeglichen Widerstand gegen die totale israelische Kontrolle brechen und das Leben f\u00fcr alle, die ihre Freiheit und politische Selbstbestimmung wertsch\u00e4tzten, so schwierig machen, dass sie letztendliche nach Jordanien auswandern w\u00fcrden.\u201c (Harold Saunders, ehem. Staatssekret\u00e4r f\u00fcr nah\u00f6stliche und s\u00fcdasiatische Angelegenheiten im US-Ausseministerium, in Foreign Affairs)<\/p>\n
Auf dem H\u00f6hepunkt der \u201eOperation Frieden f\u00fcr Galil\u00e4a\u201c waren 90.000 israelische SoldatInnen im Einsatz, neben 1300 Panzern, Luftwaffe usw. Viele Pal\u00e4stinenserInnen und LibanesInnen landeten in Sammellagern im S\u00fcdlibanon und Israel, drangsaliert von der IDF. Nach der Eroberung von Tyros und Sidon belagerten die israelischen Streitkr\u00e4fte Beirut, die letzte Zufluchtst\u00e4tte der PLO- K\u00e4mpferInnen. Neun Wochen lang waren die Menschen von jeglicher Nahrungs-, Wasser- und Stromversorgung abgeschnitten und dem st\u00e4ndigen Bombardement der israelischen Armee ausgesetzt. In den ersten drei Monaten starben rund 18.000 Menschen und 30.000 wurden verletzt, haupts\u00e4chlich ZivilistInnen. Zwischen 500.000 und 800.000 wurden obdachlos. Dieses \u00e4u\u00dfert brutale Vorgehen f\u00fchrt zu enormer Wut und Widerstand gegen die israelische Kriegspolitik. Auf Druck des US- Imperialismus und der israelischen Massen hin kam es zum Waffenstillstand mit der PLO und zur Evakuierung von 9000 Pal\u00e4stinenserInnen.<\/p>\n
Die Falange und das Massaker<\/h4>\n
Neben der Haddad-Miliz war ein weiterer wichtiger Verb\u00fcndeter des israelischen Regimes die maronitische Falange-Miliz. Ihr Gr\u00fcnder Pierre Gemayel sie 1936 nach Vorbild der deutschen Nazi-Organisationen gegr\u00fcndet und aufgebaut und sich bereits einen gewissen \u201eRuf\u201c durch eine Reihe grausamer \u00dcbergriffe und Massaker erworben. Die Falange war jahrelang von der IDF bewaffnet und trainiert worden, um mit ihrer Hilfe die Machtverh\u00e4ltnisse im Libanon beizubehalten und die pal\u00e4stinensischen Kr\u00e4fte zu vertreiben. Bashir Gemayel, Pierre Gemayels Sohn und F\u00fchrer der Falange, war im August zum Pr\u00e4sidenten des Libanon gew\u00e4hlt worden \u2013 bis er am 14.9.1982 durch ein Bombenattentat in seinem Hauptquartier ums Leben kam. Obwohl die Hintergr\u00fcnde des Anschlags letztendlich ungekl\u00e4rt blieben, lieferte er den Anlass, blutige Rache an den Pal\u00e4stinenserInnen zu nehmen. Au\u00dferdem kamen viele der Falange-K\u00e4mpfer aus D\u00f6rfern, die im B\u00fcrgerkrieg von der PLO massiv angegriffen worden waren.<\/p>\n
Obwohl der Gro\u00dfteil der pal\u00e4stinensischen K\u00e4mpfer unter Aufsicht Israels abgezogen und nur noch ZivilistInnen in den Lagern geblieben waren, verbreitete Scharon die Propaganda, es bef\u00e4nden sich angeblich noch 2000 \u201eTerroristen\u201c im Land, die es aufzusp\u00fcren gelte. Diese Aufgabe sollten die Falange \u00fcbernehmen, die Scharon gezielt in die Lager Sabra und Schatilah schickte. Die M\u00f6glichkeit eines Massakers war mit einkalkuliert: \u201e In Beirut wird es immer noch Terroristen geben und die Falange wird einen Weg finden, sie zu erwischen und alte Rechnungen zu begleichen. Eines Tages werden die Morde beginnen.\u201c ( Generalmajor Jehoshua Saguy, Chef des milit\u00e4rischen Geheimdienstes in einer Besprechung mit Verteidigungsminister Scharon, 12. 8. 82 ) Schlie\u00dflich hatten die Falange bereits 1976 auf Gehei\u00df des syrischen Regimes im pal\u00e4stinensischen Lager Tel al Za`atar in Beirut ein \u00e4hnliches Blutbad ver\u00fcbt.<\/p>\n
Die amerikanischen und franz\u00f6sischen Truppen waren bereits vor Abschluss der Evakuierung aus Beirut abgezogen worden, obwohl der PLO die \u00dcberwachung ihres Abzuges f\u00fcr weitere 2 Wochen zugesichert worden war. Nur die israelische Armee hielt Westbeirut weiterhin besetzt.<\/p>\n
Auf Scharons Befehl hin wurden falangistische Einheiten nach Sabra und Schatilla gebracht, um die dortigen pal\u00e4stinensischen Fl\u00fcchtlingslager zu \u201es\u00e4ubern\u201c. Bereits vom 4.Juni an hatte die israelische Armee Sabra und Shatilah bombardiert und nahezu zerst\u00f6rt, lang vor dem Beginn der Evakuierung der pal\u00e4stinensischen K\u00e4mpfer. In der Nacht zum 16.September schossen die IDF immer wieder Leuchtraketen ab<\/p>\n
Unter den Augen der IDF-Soldaten, die nach wie vor die Lager umstellten, schlachteten die Falangisten gnadenlos M\u00e4nner, Frauen, alte Menschen, Kinder auf bestialische Art und Weise ab. Bitten um Hilfe, Hinweise auf das Massaker und die Schreie ignorierten die Soldaten und schickten die verzweifelten LagerbewohnerInnen wieder zur\u00fcck. Auch den Abtransport der Leichen mit Bulldozern und LKW sahen sie mit an. Das Massengrab, in dem die Falange die Leichen verscharrte, befand sich direkt unterhalb eines Israelischen Kommandozentrums. Am Freitag dankte der Stabsschef der IDF Eytan den erm\u00fcdeten Millizion\u00e4re f\u00fcr ihre \u201egute Arbeit\u201c und tauschte sie sogar gegen neue aus, die munter mit dem T\u00f6ten fortfahren konnten.<\/p>\n
Die ca. 150 Falangisten, die in die Lager geschickt worden waren sahen sich keineswegs der Konfrontation mit tausenden Terroristen ausgesetzt, der sie auch kaum h\u00e4tten standhalten k\u00f6nnen. Obwohl es sich offenbar um eine Propagandal\u00fcge handelte, beeilte sich die IDF noch am 18.9., die wenigen \u00dcberlebenden in einem Stadion zum \u201eVerh\u00f6r\u201c zusammen zu treiben und auch nicht wenige von ihnen in Gefangenenlagern festzuhalten. Entgegen der \u2013 allerdings nur kurzfristig aufrecht erhaltenen \u2013 Behauptung der israelischen Regierung, die IDF h\u00e4tte \u201edem Gemetzel ein Ende\u201c bereitet, sobald sie \u201evon den tragischen Ereignisse erfahren\u201c habe ( New York Times, 23.9.1982) betraten die IDF Sabra erst lange nach Ende des Massakers, nach Schatilah kamen sie erst gar nicht.<\/p>\n
Anti-Kriegs-Bewegung<\/h4>\n
Das Massaker st\u00fcrzte die israelische Regierung in eine Krise. Schon bald nach der israelischen Invasion wurden die wirklichen Hintergr\u00fcnde f\u00fcr das Vorgehen des israelischen Staates f\u00fcr die Masse der israelischen Bev\u00f6lkerung offensichtlich und es entwickelte sich ein starke Anti-Kriegs-Stimmung. Eine Zeit lang waren 90 Prozent der israelischen Bev\u00f6lkerung gegen den Krieg. Besonders der Einsatz von Clusterbomben und Phosphorbomben, also Anti-Personenbomben, auf zivile Gebiete rief nicht nur Proteste im In- und Ausland hervor, sondern auch innerhalb der israelischen Streitkr\u00e4fte. ReservistInnen, die zum Dienst im Libanon einberufen worden waren, organisierten eine Gruppe mit dem Namen\u201c Jesch Gwul\u201c ( = \u201e es gibt eine Grenze\u201c ). 35 Soldaten einer Eliteeinheit schrieben einen Protestbrief an Ministerpr\u00e4sident Begin: \u201eF\u00fcr mich ist klar, dass ich get\u00e4uscht wurde und dass ich zum ersten Krieg in Israels Geschichte aufgerufen wurde, der kein Verteidigungskrieg, sondern ein gef\u00e4hrliches Spiel zur Erreichung politischer Ziele war\u201d. (Zitat). Gleichzeitig bekr\u00e4ftigten diese Soldaten allerdings auch ihre Bereitschaft, ihr \u201e Vaterland\u201c gegen \u00e4u\u00dfere Feinde zu verteidigen. Viele der KriegsdienstverweigererInnen bezahlten ihr Engagement mit Gef\u00e4ngnis, gesellschaftlicher \u00c4chtung Knast und ruinierten Arbeitsplatzaussichten.<\/p>\n
In jedem Land im Nahen Osten l\u00f6ste das Massaker von Sabra und Schatilah Streiks und Demonstrationen aus. Auf dem H\u00f6hepunkt der Anti- Kriegsbewegung forderten 400.000 DemonstrantInnen in Tel Aviv eine \u00f6ffentliche Untersuchung \u00fcber die Geschehnisse in Sabra und Schatilla. Diese Untersuchung fand offiziell im Rahmen der Kahan-Komission der israelischen Regierung statt, die aber trotz der zu Tage gef\u00f6rderten Erkenntnisse der IDF und Scharon die Verantwortung f\u00fcr die Massaker absprach und nur \u201ezu geringe Aufmerksamkeit\u201c kritisierte.<\/p>\n
Abzug und Wiedereinmarsch<\/h4>\n
Der Libanon lag in Tr\u00fcmmern, die sektiererischen K\u00e4mpfe dauerten an und produzierten weitere Fl\u00fcchtlingsstr\u00f6me. Die muslimische pro-syrische Amal-Miliz konnte die Falange schlie\u00dflich aufreiben und fuhr wie die im Aufbau begriffene Hisbollah mit den Angriffen gegen die israelischen Streitkr\u00e4fte fort. Dieser Druck des milit\u00e4rischen Widerstands im Libanon, aber auch des politischen Widerstandes in Israel f\u00fchrte nicht nur zum R\u00fccktritt Begins und der Absetzung Sharons, sondern auch zum R\u00fcckzug der IDF, die nur in einer kleinen Pufferzone im S\u00fcden des Libanons stationiert blieb.<\/p>\n
Endg\u00fcltig geschlagen gab sich die IDF 18 Jahre nach der Invasion. Die Angriffe der israelischen Armee im Libanon wurden in Israel immer unpopul\u00e4rer und viele Wehrpflichtige hatten keine Lust, sich dort verheizen zu lassen. Die verhassten S\u00f6ldnertruppen der SLA dagegen mussten nach Abzug der IDF ihre St\u00fctzpunkte aufgeben und fliehen; die Hisbollah dagegen, eine islamisch- fundamentalistische Freiwilligen-Guerilla aus 5000 Leuten, konnte letztlich die israelischen Streitkr\u00e4fte besiegen und den S\u00fcdlibanon \u00fcbernehmen, da sie sich auf die massive Unterst\u00fctzung der libanesischen Bev\u00f6lkerung berufen konnte. Diese Unterst\u00fctzung bescherte den IDF 2006 eine weitere Niederlage im Libanon, als sie als Reaktion auf Raketenangriffe der Hisbollah weite Teile des Libanon bis auf die Grundmauern niederbombten.<\/p>\n
Heute stellt die Hisbollah-Regierung keineswegs eine L\u00f6sung f\u00fcr die Masse der LibanesInnen dar, da sie und alle anderen Parteien im Libanon dieselbe pro-kapitalistische Wirtschafts- und Sozialpolitik verfolgen und als Stellvertreter des iranischen und syrischen Regimes agieren.<\/p>\n
Imperialismus und Nahost-Konflikt<\/h4>\n
In den L\u00e4ndern des Nahen Ostens befinden sich immer noch Dreiviertel aller bekannten \u00d6lreserven der Welt. Den kleinen reichen Eliten dieser L\u00e4ndern bringen sie seit vielen Jahrzehnten Reichtum und Luxus, den westlichen Gro\u00dfkonzernen horrende Profite, den ArbeiterInnen und armen Bauern die H\u00f6lle auf Erden.<\/p>\n
Zun\u00e4chst protegierten vor allem der franz\u00f6sische und britische Imperialismus den ein oder anderen diktatorischen Machthaber (wie Mubarak, Ben Ali, fr\u00fcher auch Assad) und spielten gezielt verschiedene Ethnien und Religionszugeh\u00f6rigkeiten gegeneinander aus, um ihre Einflusssph\u00e4ren in der Region zu halten. Mit der Gr\u00fcndung des Staates Israel 1948 hatte die neue Weltmacht USA ein starkes Bollwerk f\u00fcr seine Interessen geschaffen, besonders gegen\u00fcber der zweiten Gro\u00dfmacht Sowjetunion, deren Stellvertreter-Regimes und nicht zuletzt den zahlreichen Unabh\u00e4ngigkeitsbewegungen im Nahen Osten. Als Feind aller AraberInnen einigte Israel schlie\u00dflich Herrscher und Beherrschte. Da es nirgendwo eine politische Kraft gab, die Klassengegens\u00e4tze statt nationaler Unterschiede aufzeigte und einen Befreiungskampf aller f\u00fcr Sozialismus organisieren konnte, gewannen religi\u00f6s-fundamentalistische Organisationen an Boden \u2013 meist auch mit Geldern aus dem Westen, wie zum Beispiel die Hamas. Israel selbst blieb in seiner Isolation von westlichem Geld und Waffen abh\u00e4ngig. Innerhalb Europas ist Deutschland der gr\u00f6\u00dften Geldgeber Israels und zweitgr\u00f6\u00dfter Waffenlieferant nach den Vereinigten Staaten, deutsche Gro\u00dfkonzerne wie Daimler oder Siemens produzieren in Israel.<\/p>\n
Unterdr\u00fcckung der Pal\u00e4stinenserInnen<\/h4>\n
Bei der Gr\u00fcndung Israels wurden hunderttausende Pal\u00e4stinenserInnen vertrieben und sahen sich seither Verfolgung und gewaltsamer Unterdr\u00fcckung ausgesetzt. In den besetzten pal\u00e4stinensischen Gebieten sahen sie sich st\u00e4ndiger Bedrohung, \u00dcbergriffen und Morden seitens des israelischen Staates, der Armee oder rechter j\u00fcdischer Siedlerlnnen ausgesetzt, pal\u00e4stinensische ArbeiterInnnen in Israel hatten kaum Rechte. Ein nationales Selbstbestimmungsrecht blieb den pal\u00e4stinensischen Massen trotz diverser Friedensabkommen bis heute verwehrt.<\/p>\n
Heute wird die pal\u00e4stinensische Bev\u00f6lkerung hinter der Mauer im Westjordanland und in dem vollst\u00e4ndig abgeriegelten Gaza-Streifen abgeschirmt und einer elenden Existenz in Armut und ohne Perspektive \u00fcberlassen. Die Wirtschaft ist am Boden, die Arbeitslosigkeit enorm. Der Gazastreifen ist durch die Operation \u201eGegossenes Blei\u201c 2008-09, als \u00fcber 2000 Pal\u00e4stinenserInnen get\u00f6tet wurden, massiv zerst\u00f6rt worden. 1,8 Millionen Menschen sind in diesem gr\u00f6\u00dften Gef\u00e4ngnis der Welt auf engstem Raum zusammengepfercht, wesentliche Infrastruktur funktioniert aufgrund der Blockade Israels nicht. 300.000 Menschen leben von weniger als 1 Dollar pro Tag.<\/p>\n
W\u00e4hrend zwei Drittel der israelischen J\u00fcdInnen heute f\u00fcr einen unabh\u00e4ngigen pal\u00e4stinensischen Staat sind, sehen ihn die Herrschenden in Israel vor allem als Bedrohung ihrer Sicherheit und m\u00f6glichen Wirtschaftskonkurrenten. Weder die Verhandlungen der Fatah noch die Terroranschl\u00e4ge der Hamas ebnen den Weg f\u00fcr eine L\u00f6sung der nationalen Frage Pal\u00e4stinas. Bomben auf israelische ZivilistInnen st\u00e4rken die Sympathien f\u00fcr die Forderungen der Pal\u00e4stinenserInnen unter der j\u00fcdischen Massen keineswegs, sondern treiben sie in die Arme ihrer Regierung.<\/p>\n
Was die Organisationen der Autonomiebeh\u00f6rde, die westlichen Industriestaaten, die arabischen Machthaber, die \u00d6lmultis und selbst die Pal\u00e4stinensische Autonomiebeh\u00f6rde einigt: ein Staat mit gleichen demokratischen Rechten und Chancen f\u00fcr alle dort lebenden Menschen, sozialer Gerechtigkeit, hohen L\u00f6hnen und Arbeit f\u00fcr alle wollen sie auf keinen Fall, weder in Pal\u00e4stina noch anderswo.<\/p>\n
Klassenkampf in den besetzten Gebieten und in Israel<\/h4>\n
Trotz des repressiven Regimes der Hamas entwickeln sich neue Ans\u00e4tze f\u00fcr Widerstandsbewegungen in den besetzten Gebieten, wie ein Streik der politischen Gefangenen in israelischen Gef\u00e4ngnissen und eine Reihe von Jugenddemos in Ramallah diesen Sommer gegen die Kollaboration der Pal\u00e4stinenserbeh\u00f6rde mit israelischen Beh\u00f6rden. Diese Proteste, die in Solidarit\u00e4t mit den Aufst\u00e4nden in Tunesien und \u00c4gypten begannen, stehen aber erst am Anfang.<\/p>\n
Die revolution\u00e4ren Bewegungen im arabischen Raum inspirierten ebenso die sozialen K\u00e4mpfe in Israel, die seit einem Jahr andauern und das Land mit Streiks, Platzbesetzungen nach dem Vorbild des Tahrir-Platz, Demonstrationen und anderen Aktionen ersch\u00fcttern. Gro\u00dfe Teile der israelischen Jugend, der ArbeiterInnen und Erwerbslosen sind nicht l\u00e4nger bereit, die Kriegstreiber-Politik des israelischen Staates auf ihre Kosten zu tragen, w\u00e4hrend sie selbst massive Angriffe auf das Sozialsystem, Wohnungen und Arbeitnehmerrechte erdulden soll. Mit einer Demonstration von 400 000 Menschen hatten die sozialen Bewegungen im August 2011 ihren H\u00f6hepunkt erreicht und forderten \u201eDas Volk will soziale Gerechtigkeit!\u201c. Auch einige pal\u00e4stinensisch-israelische AktivistInnen nahmen an den Protesten teil.<\/p>\n
Rolle der Arbeiterklasse<\/h4>\n
Mit Scheinentr\u00fcstung versuchen imperialistische M\u00e4chte gerade, den Aufstand in Syrien, wie zuvor in Libyen, unter ihre Kontrolle zu bringen, und finanzieren verkommene Milizen, anstatt eine wirkliche Bewegung der Bauern, Besch\u00e4ftigten und Jugend zu unterst\u00fctzen \u2013 besonders, nachdem die pro-westliche Regimes von Mubarak und Ben Ali zu Fall gebracht haben.<\/p>\n
Im Kampf um die Vorherrschaft im Nahen Osten setzt Netanjahu jetzt unter anderem auf Kriegsdrohungen gegen den Iran. Im Milit\u00e4r und unter den Kapitalisten im In- und Ausland gibt es noch schwere Bedenken und Angst vor einem m\u00f6glichen Fl\u00e4chenbrand in der Region. Im Zweifelsfall sind sie aber bereit, die Massen im Nahen Osten erneut Armut, Verfolgung, Folter und Tod auszusetzen.<\/p>\n
Die Bewegungen der arabischen und j\u00fcdischen ArbeiterInnen, Jugendlichen und Armen stellen einen wirklichen Ansatz f\u00fcr wirkliche Ver\u00e4nderungen im Nahen Osten dar \u2013 nicht nur f\u00fcr ein unabh\u00e4ngiges Pal\u00e4stina, sondern auch f\u00fcr eine lebenswerte Zukunft f\u00fcr die arabischen und die j\u00fcdischen Massen. Die kann es auf kapitalistischer Grundlage niemals geben. Eine neue Regierung allein hat in \u00c4gypten und Tunesien wenig ver\u00e4ndert, ein kurdischer Pr\u00e4sident im Irak hat den KurdInnen dort keinerlei soziale und \u00f6konomischen Verbesserungen gebracht. Solange die Wirtschaft auf Ausbeutung durch in- und ausl\u00e4ndische Konzerne beruht, wird das Elend der Massen, werden sektiererische Konflikte und Gewalt andauern.<\/p>\n
Es gibt heute das Potential f\u00fcr den Aufbau neuer politischer Kr\u00e4fte der Arbeiterklasse, die nicht nur die nationale Befreiung unterdr\u00fcckter V\u00f6lker, sondern auch die soziale Befreiung aller Unterdr\u00fcckten erk\u00e4mpfen k\u00f6nnen, \u00fcber alle ethnischen und religi\u00f6sen Grenzen hinweg. Damit die Massen der Region \u00fcber das \u00d6l und die anderen Ressourcen der Region selbst verf\u00fcgen k\u00f6nnen, muss nicht nur die Herrschaft der verrotteten Eliten und des Imperialismus, sondern auch des Kapitalismus insgesamt gebrochen werden. Auf der Grundlage einer demokratisch geplanten Wirtschaft, in der Produktion und Verteilung von den Besch\u00e4ftigten selbst organisiert und kontrolliert werden, w\u00e4ren auch eine friedliche Koexistenz sowohl eines pal\u00e4stinensischen wie auch eines israelischen Staates m\u00f6glich, in der Menschen aller Herkunft und religi\u00f6sen Ausrichtung dieselben demokratischen Rechte genie\u00dfen und \u00fcber ihr Leben selbst bestimmen k\u00f6nnen. Ohne Profitinteresse besteht auch kein Interesse an blutigen Konflikten um Land, Einfluss und Rohstoffe. Eine freiwillige sozialistische F\u00f6deration k\u00f6nnte alle Staaten des Nahen Ostens miteinander verbinden und der Unterdr\u00fcckung, dem Chaos und den Kriegen endlich ein Ende bereiten.<\/p>\n
Literatur \u2013 und andere Verweise zum Thema:<\/strong><\/p>\nRobert Fisk, Sabra und Schatila: Ein Augenzeugenbericht. Libanon 1982, Promedia, Wien (10. M\u00e4rz 2011)<\/p>\n
Noam Chomsky, Offene Wunde Nahost. Israel, die Pal\u00e4stinenser und die US-Politik, Europa Verlag; Auflage: Erw. N.-A. (2003)<\/p>\n
Waltz With Bashir, Animationsfilm, Israel\/Frankreich\/Deutschland, 2008, Drehbuch und Regie: Ari Folman<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"
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