In erster Linie geht es bei der Tarifrunde der Metallindustrie in diesem Jahr um die simple Frage um wieviel Prozent die L\u00f6hne der ArbeitnehmerInnen steigen. Im Schatten dieser zentralen Auseinandersetzung, geht es aber auch um ein neues Entgelt-Rahmen-Abkommen (ERA). Was verbirgt sich dahinter?<\/p>\n
von Torsten Sting, IGM-Mitglied, Rostock
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Der Ausgangspunkt der Diskussion \u00fcber ein solches Abkommen, ist die Unterteilung der abh\u00e4ngig Besch\u00e4ftigten in Arbeiter und Angestellte. Diese Kategorien sind so alt wie der Kapitalismus selber. Sie sind nicht zuf\u00e4llig entstanden oder von den ArbeitnehmerInnen erfunden worden. Diese Unterteilung erfolgte durch die Kapitalisten. Arbeiter, dass war die
Masse der Besch\u00e4ftigten in den Fabriken. Sie mussten in erster Linie harte, k\u00f6rperliche
Arbeit machen (\u201eHandarbeit\u201c). Jene Arbeitnehmer, die B\u00fcrot\u00e4tigkeiten ausf\u00fchrten und auch Dinge f\u00fcr den Betrieb planten oder kaufm\u00e4nnischeArbeiten erledigten galten als Angestellte (\u201eKopfarbeit\u201c).<\/p>\n
Politische Interessen<\/p>\n
Neben dieser Erkl\u00e4rung wiegt eine politische schwerer. Die Unternehmer waren damals eine kleine Minderheit in der Gesellschaft. Durch die Industrialisierung nahm der Anteil der Arbeiterschaft rasant zu. Darum hatten die Kapitalisten ein existentielles Interesse daran, der aufbegehrenden Arbeiterbewegung etwas entgegenzusetzen. Sie versuchten sich mit den Angestellten im Betrieb und in der Gesellschaft eine soziale St\u00fctze f\u00fcr ihre Herrschaft aufzubauen. Diese wurden besser bezahlt, hatten bessere Arbeits und gesetzliche Regelungen, so etwa bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Diese wurde durch einen sechsw\u00f6chigen Streik der Metaller in Schleswig-Hollstein 1957 erk\u00e4mpft und galt per Tarifvertrag f\u00fcr Arbeiter und Angestellte. Es dauerte jedoch bis 1969 bis auch per Gesetz die Gleichstellung erfolgte. Bis dahin galt die Lohnfortzahlung lediglich f\u00fcr Angestellte.<\/p>\n
Folgen der Trennung<\/p>\n
Was waren nun die Folgen dieser Unterscheidung in Arbeiter und Angestellte? Zum einen
war es in vielen Branchen \u00fcber Jahrzehnte sehr schwer die beiden Gruppen zusammen zu bringen. Arbeiter misstrauten den Angestellten, weil diese aus ihrer Sicht angenehmere und leichtere Arbeit machten, zudem bekamen diese auch noch wesentlich mehr Lohn. Oftmals standen Angestellte den Unternehmern aufgrund ihrer bevorzugten Stellung auch ideologisch nahe. Dies \u00e4usserte sich darin, dass Angestellte h\u00e4ufig konservative und arbeitgeberfreundliche Parteien unterst\u00fctzten und nur sehr selten in der Gewerkschaft organisiert waren. Wenn sie Gewerkschafter waren , dann in sogenannten \u201egelben\u201c Gewerkschaften, d.h. Organisationen die den Klassenkampf ablehnten und eine spalterische Wirkung entfalteten. Auf betrieblicher und tarifpolitischer Ebene wird von den Unternehmern bis heute versucht durch Besserstellung von Angestellten die Besch\u00e4ftigten zu schw\u00e4chen.<\/p>\n
Materielle Konsequenzen<\/p>\n
Die Bezahlung eines Arbeitnehmers h\u00e4ngt heute massgeblich davon ab, welchen \u201eStatus\u201c er innehat. Bei einem Arbeiter regelt der zust\u00e4ndige Tarifvertrag (Lohnrahmen) die Entlohnung anhand sogenannter Lohngruppen. Diese reichen von 1-10, danach gibt es f\u00fcr den besten Arbeiter keine Aufstiegschance mehr. Jede Lohngruppe beschreibt gewisse T\u00e4tigkeitsmerkmale. So sind die ersten sechs Lohngruppen den verschiedenen hilfs und angelernten Arbeiten zugeordnet. Ab der Gruppe sieben beginnen die Facharbeitergruppen. Die Lohngruppe 10 ist nur den Vorarbeitern mit ihren hervorgehobenen Befugnissen vorgesehen, danach ist Ende der Fahnenstange, es ei denn ein Arbeiter bildet sich zum Meister oder Techniker weiter, dann wechselt er allerdings automatisch zum Angestelltenstatus. Bei den angestellten KollegInnen gibt es ebenfalls (Gehalts)Gruppen, die allerdings besser bezahlt werden. Die Begr\u00fcndung der Kapitalisten ist die, dass ihre Qualifizierung h\u00f6herwertiger sei als die der Arbeiter. Was nat\u00fcrlich bei H\u00f6herqualifizierten (Techniker, Ingineure etc) zutrifft. Bei der Breite der Facharbeiter und kaufm\u00e4nnischen oder technischen Angestellten geh\u00f6rt dieses Bild aber der Vergangenheit an.<\/p>\n
Ver\u00e4nderung der Berufsbilder<\/p>\n
L\u00e4ngst hat Hightec die Produktion erobert. Einfache T\u00e4tigkeiten gibt es kaum noch. Facharbeiter m\u00fcssen hochkomlizierte Technik beherrschen, selbstst\u00e4ndig arbeiten und tragen eine hohe Verantwortung.
Ein Beispiel:
Fr\u00fcher hat ein Dreher nach Vorgaben ein Werkst\u00fcck manuell bearbeitet. Diese Vorgabe hat er von einem Kollegen aus dem B\u00fcro und\/oder von seinem betrieblichen Vorgesetzten bekommen. Heute bekommt er zwar auch noch den Auftrag. \u00dcber Computergest\u00fctzte Maschinen, die er z.T selber programmiert , fertigt er heute vollkommen anders das Werkst\u00fcck. Das T\u00e4tigkeitsprofil dieses klassischen Industriearbeiters hat sich dem eines Angestellten also deutlich angen\u00e4hert.<\/p>\n
Gemeinsamer Eingruppierung ist Fortschritt<\/p>\n
Deshalb ist die Forderung aus gewerkschaftlicher Sicht berechtigt und fortschrittlich, dass die Trennung zwischen Arbeitern und Angestellten aufgehoben und ein gemeinsamer Entgeltvertrag ausgehandelt wird. Dies kann insbesondere Facharbeitern zu gute kommen die in ihrer bisherigen Bewertung gegen\u00fcber Angestellten benachteiligt waren. Der Teufel steckt jedoch im Detail. Es muss sichergestellt werden, dass es keine Verschlechterungen f\u00fcr bestimmte Gruppen von Angestellten gibt. Im Gegenteil, ERA muss damit verbunden werden auch hier zu einer Umverteilung zu gunsten aller ArbeitnehmerInnen zu kommen. Von daher ist die Forderung der Unternehmer nach Kostenneutalit\u00e4t unannehmbar und muss im Rahmen der Tarifrunde mit einer Mobilisierung zum Vollstreik beantwortet werden. ERA w\u00e4re aber auch politisch ein Fortschritt f\u00fcr die ArbeiterInnenbewegung, weil das immer noch vorherrschende Berufs und Standesbewusstsein weiter zur\u00fcck gedr\u00e4ngt und somit ein gemeinsamer Kampf aller Arbeitnehmer leichter w\u00fcrde.<\/p>\n
Zwickel auf die Finger schauen!<\/p>\n
Achtung ist jedoch auch bei der IGM-Spitze angebracht. Diese hatte vollmundig angesagt, dass es keinen Abschluss ohne \u201eeinen Einstieg in ERA\u201c geben werde. Dies riecht wieder nach Beschiss. Die B\u00fcrokratie wird wahrscheinlich einen Stufenplan (siehe 35-Stunden-Woche) pr\u00e4sentieren. Zudem ist angedeutet worden, dass das Volumen von ERA mit der Tarifforderung verrechnet w\u00fcrde. In der Frankfurter Rundschau vom 6.4.02 sagt der Bezirkschef der IGM Baden-W\u00fcrttemberg Berthold Huber:\u201cWir akzeptieren, dass ERA aus dem Gesamtvolumen finanziert wird.\u201c Dies w\u00e4re zum wiederholtenmale ein \u00dcbergehen der Mitgliedschaft. Dies muss durch Druck von unten verhindert werden.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"
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