Strategiekonferenz 2020 zur Vernetzung von Gewerkschaftslinken und Aktiven
Interview mit Angelika Teweleit, Sprecherin vom “Netzwerk für eine kämpferische und demokratische ver.di”
Das „Netzwerk für eine kämpferische und demokratische ver.di“ hat gemeinsam mit anderen innergewerkschaftlichen Zusammenschlüssen zu einer Strategiekonferenz für eine kämpferische Gewerkschaftspolitik 2020 aufgerufen. Was soll auf dieser Konferenz passieren?
Wir wollen einen Neuanfang für die Organisierung einer breiten Gewerkschaftslinken machen. Statt Co-Management und Sozialpartnerschaft wollen wir eine kämpferische Ausrichtung der Gewerkschaften. Es ist gut, dass fast alle linken Gewerkschafts-Initiativen, die jede für sich einen eigenen Ansatz verfolgen, zu einer gemeinsamen Konferenz aufzurufen. Es soll explizit aber auch darum gehen, neue Aktive aus den Betrieben, die sich eine kämpferische Ausrichtung ihrer Gewerkschaft wünschen, zu sammeln und mit ihnen über Strategien zu diskutieren. Wir hoffen, dass wir Kolleg*innen wie von Amazon, Aktive aus den Streiks im Sozial- und Erziehungsdienst sowie aus den Krankenhäusern, Kolleg*innen, die in Tochterunternehmen für Tarifverträge kämpfen, und viele mehr erreichen und mobilisieren können. Unser Ziel ist, die kämpferischen Ansätze aus Betrieben und Gewerkschaften zusammen zu bringen, um dann gemeinsam dafür zu sorgen, dass die Politik der Gewerkschaften verändert wird.
Wo siehst du die Defizite in der jetzigen Politik der Gewerkschaften?
Bei der IG Metall zum Beispiel gibt es ein sehr starkes Element des Co-Managements. Dieses findet sich insbesondere in der Politik von Konzernbetriebsräten wieder. Verschlechterungen bei Arbeitsbedingungen wird zugestimmt, weil der Arbeitgeber dann angeblich den Stellenabbau sozial verträglich gestaltet. Die Bosse nutzen das, um Kosten zu senken und gleichzeitig den Betriebsfrieden zu wahren. Bei der letzten Tarifrunde hat die IG-Metall-Führung seit Jahrzehnten zum ersten Mal wieder zum Mittel von flächendeckenden ganztägigen Streiks gegriffen. Aber in der Mobilisierung wäre viel mehr drin gewesen.
Bei ver.di gibt es teilweise größere Spielräume für Aktive und Betriebsgruppen. So konnte die Betriebsgruppe an der Charité sich gegen Widerstände im Apparat durchsetzen und schließlich mit dem Streik für mehr Personal 2015 ein Beispiel setzen, welches von anderen Betriebsgruppen aufgegriffen wurde. Offiziell hat ver.di dann sogar eine Kampagne für mehr Personal ausgerufen, aber eine wirkliche bundesweite Strategie für die Ausweitung von Streiks, begleitet von einer breiten Solidaritätskampagne durch ver.di und den DGB gibt es nicht. In den größeren Tarifrunden wie bei den Länderbeschäftigten oder bei Bund und Kommunen erleben wir jedes Mal, dass die Kampfkraft nicht wirklich genutzt wird.
Welche gewerkschaftliche Politik wäre aus deiner Sicht nötig?
In den Bereichen, wo eine Kampfkraft vorhanden ist, muss sie voll ausgenutzt werden. Laufzeiten wie jetzt sogar bis drei Jahre oder länger zu vereinbaren, schwächt die Gewerkschaften. Um Arbeitskämpfe zu gewinnen, müssen die Streikenden selbst in die Entscheidungen eingebunden werden – über Streikversammlungen, Diskussionen, gewählte Streikleitungen vor Ort und Streikdelegiertentreffen auf allen Ebenen. Auf diese Weise können alle Schritte für den Arbeitskampf demokratisch von den Kolleg*innen diskutiert und abgestimmt werden. Entscheidungen darüber, ob ein Angebot angenommen und ein Arbeitskampf beendet werden soll, lägen so auch in der Hand der Streikenden, und nicht einer Handvoll von Funktionär*innen.
Anstatt die Salamitaktik von Arbeitgebern und Verzicht zuzustimmen, muss es eine konsequente Kampfstrategie geben. Das bedeutet unter anderem, dass Kämpfe möglichst zusammen geführt werden, damit Belegschaften nicht jede für sich streiten müssen.
Ein solcher Kurswechsel in Richtung kämpferischer Praxis müsste aber auch mit einem politischen Kurswechsel einhergehen hin zu einer antikapitalistischen Ausrichtung, die sich der Markt- und Profitlogik und den daraus erwachsenden sogenannten Sachzwängen verweigert.
Ist es überhaupt möglich, sich mit solchen Vorstellungen in den Gewerkschaftsapparaten durchzusetzen?
Ich denke, das ist eine Frage, bei der viele Aktive eher skeptisch sind. Aber letztlich geht kein Weg daran vorbei. Je mehr wir werden, umso bessere Chancen haben wir, die Gewerkschaften von unten zu verändern. Es gibt ja inzwischen einige kämpferische Ansätze. Wir müssen beginnen, diese zu vernetzen und eine gemeinsame Strategie entwickeln. In den nächsten Jahren wird es auch immer mehr nötig sein, sich zur Wehr zu setzen. Die nächste tiefgreifende wirtschaftliche Krise ist bereits im Anmarsch. Das wird massiven Arbeitsplatzabbau und Angriffe auf den Lebensstandard der Masse von Beschäftigten bedeuten. Der Aufbau einer innergewerkschaftlichen Opposition wird unter diesen Vorzeichen umso dringender.
Um welche Themen wird es bei der Konferenz gehen?
Die Themen werden die sein, um die es den Kolleg*innen in den Betrieben geht. Davon wird sicher eines der Kampf für mehr Personal in Krankenhäusern sein, ein weiteres die Frage des Kampfes um Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich, aber vor allem auch: wie können wir uns gegenseitig unterstützen und an welchen konkreten Fragen können wir an einem Strang ziehen?
Wie können Kolleg*innen sich in die Vorbereitung einbringen?
Am 18. Mai laden wir breit zu einem Vorbereitungstreffen ein. Hier soll es einen ersten Austausch darüber geben, was wir gemeinsam erreichen wollen, welche Themen auf der Konferenz wichtig sind und erste Ideen, wie wir die Konferenz gemeinsam zu einem Erfolg machen können. Die Konferenz soll natürlich kein Selbstzweck sein. Sie soll ein Startschuss sein, um eine systematische Vernetzung von Kolleg*innen mit einer gemeinsamen Strategie für kämpferische und demokratische Gewerkschaften in Gang zu setzen.