Protestlobby gegen Spahn in Dresden
Am 6. März besuchte der Bundesgesundheitsminister Dresden, um dort auf einer Veranstaltung der Jungen Union über die ärztliche Versorgung zu sprechen. Um dem Minister nur ja nicht zu viel Kritik auszusetzen, sollten die Teilnehmer*innen ihre Fragen vorher an die Veranstalterin einreichen. Es sollte Jens Spahn nicht viel helfen: Obwohl die Zeit für die Mobilisierung nur sehr kurz war, kamen immerhin 50 Beschäftigte aus Pflege, Krankenhaus und medizinischen Berufen vor der Dreikönigskirche in der sächsischen Landeshauptstadt zu einer Protestlobby zusammen. Die Verdi-Betriebsgruppe Dresden, das „Bündnis für mehr Personal in der Pflege und im Krankenhaus“ hatten gemeinsam aufgerufen und die Ortsgruppe der SAV hatte sich aktiv an den Vorbereitungen beteiligt.
Wütende Kritik
In Reden und kulturellen Beiträgen wurde Spahns Politik dann auch heftig angegriffen. Dorit Hollasky, Sprecherin der Verdi-Betriebsgruppe im Städtischen Klinikum, sowie des „Bündnisses für mehr Personal in der Pflege und im Krankenhaus“ und aktiv bei der SAV, strich in ihrem Beitrag heraus, dass das Gesundheitswesen seit den 90er Jahren kaputtgespart und Marktmechanismen unterworfen worden ist: So würden die Fallpauschalen (DRG‘s) die Kosten nicht senken, sondern steigen lassen. Zudem würden öffentliche Kliniken so unter Finanzierungsdruck geraten. Es dürfe angesichts der katastrophalen Situation in der Pflege nicht mehr länger um kleine Reförmchen gehen, die nicht helfen, sondern um wirkliche Verbesserungen. Die DRG‘s gehörten abgeschafft.
Benjamin Ludwig von der Ver.di-Betriebsgruppe im Städtischen Klinikum Dresden betonte, dass die Arbeit in der Pflege und im Krankenhaus über die Belastungsgrenzen des Personals hinausgingen. Daher würden viele inzwischen in Teilzeit arbeiten. In der Altenpflege würden es die Beschäftigten noch durchschnittlich achteinhalb Jahre ertragen und auf Station im Krankenhaus sogar nur noch siebeneinhalb Jahre. Die meisten würden dann den Beruf verlassen, weil der Stress und die Arbeitsbelastung nicht mehr zu ertragen seien.
Der Redebeitrag der SAV hielt fest, dass Spahns Politik Teil des Problems sei, wenn er keine besseren Ideen zu bieten habe, als dass alle Pflegekräfte, die Teilzeit arbeiten ab sofort Vollzeit arbeiten sollten. Der Vorschlag, den Spahn im September letzten Jahres durch die Medien gehen ließ, mache jene, die unter seiner Politik leiden müssen – die Pflegekräfte – für die Folgen seiner Politik verantwortlich. Es sei wichtig eine bundesweite Strategie zu entwickeln, die den Kampf von Gewerkschaften, Beschäftigten, Initiativen und Bündnissen für eine bedarfsgerechte Pflege und menschenwürdige Arbeitsbedingungen zum Erfolg machen würde. Und weiter: „Lasst uns für eine Gesellschaft kämpfen, in der wir alle wirklich demokratisch und solidarisch über die Verwendung des erwirtschafteten Reichtums entscheiden. Lasst uns hobeln bis der Spahn fällt.“
Spahn in der Defensive
Der angesprochene Minister wurde von den Beschäftigten denn auch mit dem Ruf: „Spahns Politik reiner Hohn, mehr Personal auf Station“ begrüßt. Dennoch ließ er es sich nicht nehmen die Teilnehmer*innen von seiner Politik zu überzeugen, wenigstens versuchte er das. Der Erfolg dieses Unterfangens hielt sich jedoch in engen Grenzen. So quittierte Ludwig die Darstellung des Ministers, er habe Reformen begonnen, mit dem Satz: „Das waren wir, Herr Spahn.“ Ludwig meinte damit die Proteste der letzten Jahre, die nun auch das Gesundheitsministerium zu wenigen und kleinen Reformschritten veranlassten. Zudem pries Spahn, dass er die Personalkosten zukünftig aus den DRG‘s herausrechne, was Dorit Hollasky zu dem Zwischenruf veranlasste: „Die DRG‘s sind das Problem, Herr Spahn. Die müssen weg!“ Spahn konterte etwas blass: „Wie sollen wir denn die Krankenhäuser sonst finanzieren?“ Worauf Hollasky festhielt: „Vor der Einführung der DRG‘s ging es auch!“
Das Rededuell vor der Dreikönigskirche ging klar an die Pflegekräfte. Aber auch drinnen geriet Spahn häufig unter Druck. Als er die Schaffung von 13.000 Stellen ankündigte, platzte einer Teilnehmerin der Kragen: „Ich glaube Ihnen kein Wort“, rief sie durch den Saal. Hollasky erklärte am Rande der Protestlobby zudem, dass bei 13.000 Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen in Deutschland keine langen Rechenformeln nötig seien, um zu verstehen, dass Spahns angeblich großer Wurf im Schnitt nur eine Pflegekraft pro Einrichtung bedeute. Dadurch würde sich nichts wirklich ändern.
Übrigens wurde Spahn auch in Bautzen mit einem Pfeifkonzert von 100 Pflegekräften empfangen. Kein guter Tag für den Minister!