„Eigentumsfrage in die Debatte bringen“

Der Parteivorstand der LINKEN solidarisiert sich mit der Kampagne „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“

Interview mit Lucy Redler über ihre Arbeit im LINKE-Parteivorstand

Lucy Redler ist eine von acht Bundessprecher*innen der Antikapitalistischen Linken, Mitglied der SAV-Bundesleitung und seit zweieinhalb Jahren Mitglied des Parteivorstands der LINKEN. Sie ist gerade in Elternzeit, beteiligt sich aber an den Sitzungen des Parteivorstands und verfasst gemeinsam mit Thies Gleiss einen Bericht von jeder Sitzung. Solidarität – Sozialistische Zeitung sprach mit ihr über ihre Arbeit und Erfahrungen im Vorstand.

 

Worin siehst Du Deine Rolle im Parteivorstand und was sind Deine Schwerpunkte?

Ich setze mich im Vorstand für eine Schwerpunktsetzung auf die Unterstützung von sozialen Bewegungen und gewerkschaftlichen Kämpfen ein. Als Verantwortliche für das Thema Gesundheit habe ich unter anderem mitgewirkt, dass die Partei die Kämpfe von Krankenhausbeschäftigten für Personal und die vielen Volksbegehren auf Landesebene zu dieser Frage unterstützt. Ich trage auch immer wieder explizit sozialistische Ideen und die Eigentumsfrage in die Debatten und habe es gemeinsam mit anderen zum Beispiel erreicht, dass im Bundestagswahlprogramm die Forderung nach Überführung der Banken und Konzerne in Gemeineigentum aufgestellt wurde oder jetzt im Rahmen der Kampagne zum Thema Wohnen die Enteignung der großen Immobilienkonzerne gefordert wird.

Gerade hat der Vorstand eine Strategie zu den Europawahlen beschlossen. Thies Gleiss und du wart dagegen. Warum?

Die Wahlstrategie soll es sowohl EU-Gegner*innen als auch EU-Befürworter*innen in der Partei Recht machen und entspricht der Logik „Wir lassen uns nicht in ein Für oder Gegen Europa zwingen“, sondern stellen inhaltliche Forderungen in den Mittelpunkt. Abgesehen davon, dass in der Strategie oftmals EU und Europa verwechselt werden, enthält sie keine Analyse der EU als kapitalistisches Projekt der Herrschenden. Die EU wird einerseits scharf kritisiert, andererseits wird der Eindruck erweckt, man könne dieser EU einen anderen Inhalt geben und sie reformieren. Ich halte das für Wunschdenken. Wir müssen die EU überwinden. Ich bin Internationalistin, meine Alternative zur EU ist nicht der Nationalstaat, sondern ein Europa der arbeitenden und erwerbslosen Bevölkerung, ein Europa der Bewegungen, ein sozialistisches Europa. Es ist auch falsch so zu tun, als sei die EU die Alternative zum Nationalstaat. Letzterer existiert ja fort und die Regierungen der ökonomisch führenden Nationalstaaten nutzen die EU in ihrem Interesse und verschärfen den Nationalismus an den EU-Außengrenzen.

Wie geht es in der Diskussion zum Europa-Wahlkampf weiter?

Der Parteivorstand wird am 8./9. Dezember das Europawahlprogramm als Entwurf beschließen. Am  22./23./24. Februar beschließt dann der Europaparteitag in Bonn das Programm und die Vertreter*innenversammlung stellt die Kandidat*innenliste auf. Antragsschluss ist der 10. Januar, Änderungsanträge zum Europawahlprogramm und anderen Anträgen können bis zum 5. Februar eingereicht werden. Es ist wichtig, dass in den Kreisverbänden die Debatte um das Programm, Strategie aber auch über die Art des Wahlkampfes begonnen wird. Ich schlage vor, den Wahlkampf mit den Kampagnen der Partei zu Pflege und Mieten zu verbinden.

Wie laufen die Kampagnen der Partei zu Pflege und Mieten?

Viele Kreisverbände haben eines der beiden Themen oder beide in den letzten Monaten aufgegriffen. Es wurde noch nie so viel Kampagnenmaterial bestellt. Das bedeutet jedoch noch lange nicht, dass sich alle Kreisverbände daran beteiligen, weite Teile der Partei sind viel zu stark auf parlamentarische Arbeit fokussiert.
Trotz alledem war und ist die Partei ein wichtiger Bestandteil der Solidaritätsarbeit für mehr Personal im Krankenhaus zum Beispiel bei den Streiks der Uniklinika in NRW oder bei den neuen Volksbegehren für mehr Personal in Bayern und Bremen. Die Kampagne zu Mieten ist gerade erst angelaufen. Ich würde mir hier mehr Zuspitzung wünschen. Auf meine Initiative hin hat der Parteivorstand im November die Unterstützung der Forderungen der Berliner Kampagne „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ beschlossen und allen Landesverbänden empfohlen, ähnliche Initiativen zu unterstützen oder zu ergreifen. In Berlin fordert die Kampagne in einem Volksbegehren ab April die Erarbeitung eines Gesetzes zur  Enteignung von Immobilienkonzernen mit über 3000 Wohneinheiten. Das betrifft unter anderem Deutsche Wohnen, Vonovia und Akelius. Bezüglich der Mietenkampagne der Partei habe ich angeregt, dass die Forderung nach Enteignung von Immobilienkonzernen gleichberechtigt neben der Forderung nach 250.000 Sozialwohnungen in öffentlicher Hand stehen soll.

Welche Rolle spielt die Initiative „aufstehen“ in den Sitzungen des Vorstands?

„aufstehen“ oder Äußerungen von Sahra Wagenknecht sind immer wieder Thema. Die Mehrheit im Vorstand lehnt „aufstehen“ ab – aus verschiedenen Gründen. Die Kritiker*innen, zu denen ich zähle, eint, dass „aufstehen“ als undemokratisches Top-down-Projekt verstanden wird, was von den Initiator*innen nie in den Gremien der Partei zur Diskussion gestellt wurde. Programmatisch steht „aufstehen“ rechts von der LINKEN und zielt auf eine rot-rot-grüne Regierung ab. Explizite Unterstützer*innen von „aufstehen“ gibt es nur zwei bis drei im Vorstand. Es gibt eine dritte Gruppe im Vorstand, die vor allem aus einem Teil der Parteilinken besteht, die der Meinung sind, man solle abwarten, was sich aus „aufstehen“ entwickelt. Ich kann zwar verstehen, dass es Menschen gibt, die die Hoffnung haben, dass durch „aufstehen“ mehr Bewegung in die Linke kommt, aber ich halte das Projekt aufgrund der politischen Ausrichtung Sahra Wagenknechts in der Migrationsfrage und weil in seiner Logik entweder eine Rechtsverschiebung oder eine Spaltung der Partei angelegt ist für falsch.

Das Interview führte Sascha Stanicic.