Kein tragbares Ergebnis in Sicht
Die italienische Regierung möchte Schulden aufnehmen um Sozialmaßnahmen zu finanzieren. Laut EU-Kommission geht das gar nicht. Regierungsrassismus ist ok, steigende Staatsausgaben hingegen ein No Go. Also droht man mit Strafverfahren.
Von Christian Bunke
Derart neoliberale Politik war ein Hauptgrund für das britische Brexit-Votum vor zwei Jahren. Eine wachsende Mehrheit in Großbritannien hat Jahrzehnte der Privatisierung, der Lohnkürzungen und der Massenarmut satt und schreit nach einer Alternative.
Unlösbare Probleme
Für die großen Finanzkonzerne in London sowie den bürgerlichen Politikbetrieb auf der Insel und dem europäischen Kontinent bedeutet der Brexit ein unlösbares Problem. An jeder Ecke lauern Schwierigkeiten. Beispiel Irland: Die EU fordert von Großbritannien eine offene Grenze zwischen der Republik Irland und Nordirland. Der Norden soll quasi Teil des EU-Binnenmarktes bleiben und auch in Zukunft dessen Regularien übernehmen. Diese Perspektive ist für die protestantischen Bewohner*innen Nordirlands nicht akzeptabel, da sie dies für einen ersten Schritt in Richtung Vereinigung Nordirlands mit Irland halten.
Aus dem selben Grund lehnt die britische Regierung eine „harte“ EU-Außengrenze in der irischen See zwischen Nordirland und Großbritannien ab. Diese Position würde aber eine Außengrenze zwischen Nordirland und der Republik Irland bedeuten, was wiederum beim irisch-katholischen Lager für Unmut sorgt. Irgendwo muss die Außengrenze aber hin. So verschärft der Brexit die konfessionellen Konflikte in Irland und die nationalen Konflikte auf den Inseln. Auf kapitalistischer Basis ist eine akzeptable Lösung für alle Bevölkerungsgruppen nicht denkbar.
Streitpunkt Irland
Der Brexit ist jedoch Symptom, nicht Ursache. Jahrzehnte des so genannten „Friedensprozesses“ in Nordirland haben die Gräben zwischen den protestantischen und katholischen Bevölkerungsteilen nicht zuschütten können. Sowohl unionistische Parteien als auch die katholische Sinn Fein nutzten die Spaltungen für Klientelpolitik entlang ethnischer Linien, ohne aber die sozialen Konflikte des Landes zu lösen.
Die Irlandfrage unterstreicht die Schwäche der britischen Regierung. Die regierenden Tories sind auf die Unterstützung unionistischer Politiker*innen im Parlament angewiesen. Deshalb kann Premierministerin May nicht so einfach einen „Deal“ mit der EU unterschreiben. Gleichzeitig gibt es innerhalb der konservativen Parteimitgliedschaft eine Mehrheit, der die Zukunft der britischen „Union“ egal ist, Hauptsache der Brexit kommt. In ihrer Mehrheit sind die Tories keine bürgerliche Partei Großbritanniens mehr, sondern nur noch eine Partei des englischen bürgerlichen Nationalismus.
Was macht Corbyn?
Fällt die Regierung May, könnte dies zu Neuwahlen führen, als deren Nutznießer sich die vom Linkspolitiker Jeremy Corbyn geführte Labour-Partei erweisen könnte. Corbyn fordert unter anderem die Verstaatlichung der Eisenbahnen und der Wasserversorgung. Erstere wurden unter New Labour von Tony Blair, letztere unter Thatcher privatisiert. Außerdem will Corbyn Reichensteuern einführen. Kein Wunder, dass manche britischen Oligarch*innen laut Financial Times bereits auf gepackten Geldkoffern sitzen und Corbyn mehr fürchten als den Brexit!
Doch ob Corbyn sein Programm umsetzen wird wie geplant ist offen. Die meisten Parlamen-tarier*innen seiner Partei sind überzeugte Neoliberale, die Corbyn lieber loswerden möchten. Die linken Kräfte in der Labour-Partei sind noch weit davon entfernt die Kontrolle im eigenen Haus erlangt zu haben. Viele von ihnen versuchen sich mit dem rechten Flügel unter dem Banner einer angeblichen „Einheit“ zu arrangieren. Diese Einheit wird platzen, sollte Corbyn in die Nähe eines Regierungsantritts gelangen. Spätestens wenn eine von Corbyn geführte Regierung versuchen wird einen Brexit auf linker, anti-neoliberaler Grundlage zu verhandeln, wird aus der rechten Parteiecke sabotiert werden. Dagegen gilt es schon heute eine sozialistische Massenbewegung in Gewerkschaften, Nachbarschaften und Labour-Strukturen aufzubauen.