Es geht um mehr als Stahl und Aluminium
Im März hatte US-Präsident Trump Zölle von 25 Prozent auf Stahlimporte und von zehn Prozent auf Aluminium angeordnet, anschließend aber Kanada, Mexiko, Australien, Argentinien, Brasilien, Südkorea und die EU vorläufig ausgenommen. Trump macht es mit seiner ‚America First‘-Rhetorik den Vertretern der EU und der deutschen Wirtschaft leicht, seine Wirtschaftspolitik als egoistisch darzustellen, während die EU und Deutschland für fairen Wettbewerb eintreten würden. So einseitig liegen die Dinge aber nicht.
von Georg Kümmel, Köln
Bezogen auf alle Waren erhebt die EU für Importe aus den USA Zölle in Höhe von durchschnittlich 5,2 Prozent. Umgekehrt belegen die USA Importe aus der EU nur mit Zöllen von 3,5 Prozent. Der Exportüberschuss der EU gegenüber den USA belief sich zuletzt auf rund hundert Milliarden Euro im Jahr. Deutschland war mit fünfzig Milliarden Euro im Jahr 2017 für die Hälfte dieses Handelsüberschusses verantwortlich.
Jahr für Jahr häufen die USA im Austausch von Waren und Dienstleistungen mit dem Rest der Welt zusätzliche Defizite an, 574 Milliarden US-Dollar allein im vergangenen Jahr.
Überkapazitäten
Der Zollstreit resultiert nicht nur aus der Schwäche der US-Ökonomie. Trotz eines noch anhaltenden Aufschwungs gibt es massive Probleme in der Weltwirtschaft. International gibt es im Stahl- und Aluminiumsektor Überkapazitäten. Laut OECD könnten jährlich 2,4 Milliarden Tonnen Stahl produziert werden, der aktuelle Verbrauch liegt bei 1,6 Milliarden Tonnen. Mehr als die Hälfte der Überkapazitäten entfallen auf China. Das heißt aber auch: die anderen Hersteller sitzen ebenfalls auf gewaltigen Überkapazitäten. Gerne wird in Deutschland behauptet, die Zölle sollten vor allem China treffen. Für die in diesem Zusammenhang relevanten Exporte von Stahl und Aluminium in die USA war China aber im letzten Jahr nur für sechs Prozent der Lieferungen verantwortlich, die EU hingegen für 16 Prozent. Es geht nicht nur um China und nicht nur um Stahl und Aluminium. Auch bei der Aufkündigung des Atomabkommens mit dem Iran spielen wirtschaftliche, neben hauptsächlich politischen, Gründe eine Rolle. Die USA können mit dem Iran sowieso keine großen Geschäfte machen. Die EU und China aber sehr wohl.
So steht der Streit um die US-Zölle auf Stahl und Aluminium für ein grundsätzliches Problem und auch den grundsätzlichen Widersinn des Kapitalismus. Die Finanz- und Wirtschaftskrise der Jahre 2008/2009 wurde nie grundlegend überwunden. Wenn Produktionskapazitäten nicht genutzt oder Waren nicht abgesetzt werden können, bedeutet das Einschnitte bei den Profiten. Der Konkurrenzkampf verschärft sich, denn natürlich trifft die Krise nicht alle gleichermaßen. Wie immer gilt: Den Letzten beißen die Hunde.
Aggressiver Konkurrenzkampf
Nach vielen Jahren von Schritten in Richtung Abbau von Zollschranken und Globalisierung, erleben wir, wie gerade vermehrt die Gegenrichtung eingeschlagen wird. Nach den Regularien der Welthandelsorganisation WTO wäre die einseitige Erhöhung von Zöllen eigentlich nicht erlaubt. Die USA helfen sich mit einem Trick und behaupten, es ginge um den Schutz der nationalen Sicherheit. Das Land dürfe sich in der Rüstungsproduktion nicht völlig von Stahl- und Aluminium-Importen abhängig werden.
Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe war nicht klar, wie es im Zoll-Streit zwischen USA und der EU weitergehen wird. Egal wie dieser Streit vorübergehend ausgeht, er wird nicht zu Ende sein. Wenn schon jetzt, während die Weltwirtschaft noch wächst, Spannungen und Konkurrenz derart zunehmen, lässt das ahnen, was in einem Abschwung der Weltkonjunktur, der früher oder später kommen wird, droht. Die Aggressivität von US-Präsident Trump widerspiegelt in letzter Instanz den härter werdenden Konkurrenzkampf im krisenhaften Kapitalismus.
Unabhängige Position
Linke Parteien und Gewerkschaften sollten in diesem Streit in jedem Land eine unabhängige Position einnehmen und weder die eine noch die andere Seite unterstützen. Wenn es in der Weltwirtschaft Überkapazitäten gibt, heißt das: es gibt jede Menge Kapazitäten um die realen Probleme der Menschheit zu lösen: etwa Stahl zu verwenden für die Errichtung von Windrädern in den USA und vielen anderen Ländern mit jeder Menge Platz und Wind. Überkapazitäten in der Weltwirtschaft heißt ganz allgemein: jedes beliebige Problem, ob Umstellung auf erneuerbare Energien oder Bau von angemessenen Wohnungen, ließe sich heute lösen. Und es bliebe viel Raum für Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich, in der Stahlindustrie in den USA, Deutschland, China und allen anderen Ländern und Branchen.