Wie sollte die geplante Mindestausbildungsvergütung bemessen sein?
Auszubildende werden oft als billige Arbeitskräfte eingesetzt. Eine Mindestausbildungsvergütung soll ab 2020 die schlimmste Ausbeutung verhindern. Aber wird sie reichen?
von Michael Koschitzki, Berlin
Die Spanne von Ausbildungsvergütungen ist groß. Ein angehender Fleischer bekommt im ersten Lehrjahr 305 Euro Ausbildungsvergütung, eine Polizistin dagegen 1139 Euro. In Ost und West gibt es immer noch unterschiedliche Löhne. Insbesondere im Niedriglohnbereich dienen Auszubildende als billige Arbeitskräfte, die selbst den zu niedrigen Mindestlohn noch unterschreiten und beispielsweise unzureichend gegen Überstunden geschützt sind. Aber auch in anderen Bereichen werden Auszubildende als volle Arbeitskräfte herangezogen, da sie viel weniger verdienen als Tariflöhne. Außerdem ist es legal die tarifliche Ausbildungsvergütung um bis zu zwanzig Prozent zu unterschreiten.
Mindestausbildungsvergütung
Aufgrund des Protestes dagegen und auch weil die Zahl von BewerberInnen abnimmt und jedeR vierte seine/ihre Ausbildung abbricht, sah sich auch die Bundesregierung gezwungen, Maßnahmen dagegen anzukündigen. Im Koalitionsvertrag heißt es „Im Rahmen der Novelle des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) werden wir eine Mindestausbildungsvergütung im Berufsbildungsgesetz verankern. Das Gesetz soll bis zum 1. August 2019 beschlossen werden und zum 1. Januar 2020 in Kraft treten.“ Doch die Höhe davon ist derzeit noch vollkommen unklar. Um so wichtiger ist es, jetzt für eine vernünftige Vergütung Druck zu machen.
Forderung der DGB-Jugend
In den Gewerkschaftsjugenden wird lebhaft darüber diskutiert, wie hoch eine Mindestausbildungsvergütung sein soll, wie sich das berechnet und wie das durchgesetzt werden kann. Eine Sorge insbesondere der IG-Metall Jugend ist, dass eine zu niedrige Mindestausbildungsvergütung auch zu einem Absenkungseffekt führen kann, in dem sich Arbeitgeber nur noch an den gesetzlichen Mindestbestimmungen, statt an Tarifverträgen orientieren.
Und die beim DGB Bundesjugendkongress (Kongress mit VertreterInnen aller Gewerkschaftsjugenden) beschlossene Forderung kann auch nicht wirklich zufriedenstellen. Sie will, dass die Mindestausbildungsvergütung achtzig Prozent der durchschnittlichen tariflichen Ausbildungsvergütungen beträgt. Das wären im Jahr 2017 635 Euro im ersten Ausbildungsjahr gewesen. Immerhin würden heute davon 162.000 Jugendliche profitieren, was ein Fortschritt wäre.
Ausbildungsvergütung muss zum Leben reichen
Aber es ist völlig unrealistisch, dass man von diesem Geld eigenständig leben kann. Viele Auszubildende wollen von zu Hause ausziehen oder müssen es, weil sie nur in einer anderen Stadt einen Ausbildungsplatz gefunden haben. Die DGB-Jugend sollte deshalb den Standpunkt einnehmen, dass man von der Ausbildungsvergütung ordentlich leben können muss, statt ein Dasein in Armut zu fristen.
Wie kann man ein existenzsicherndes Einkommen berechnen? DIE LINKE hat für ihre Forderung nach einer Mindestsicherung von 1050 Euro verschiedene Berechnungen aufgezeigt: Die Armutsgefährdungsgrenze beträgt 1064 Euro, die Pfändungsgrenze 1140 Euro, verschiedene Warenkorbberechnungen für ein existenzsicherndes Leben kommen auf ein Einkommen zwischen 1000 und 1.200 Euro. Das sollte der Orientierungspunkt für eine Forderung nach einer Mindestausbildungsvergütung sein, nicht ein statistischer Durchschnittswert. Umgerechnet in einen Bruttolohn ergibt das eine Forderung nach 1.400 Euro brutto! Die Unternehmer profitieren von gut ausgebildeten Arbeitskräften. Deshalb sollen sie auch dafür zahlen.
Forderung durchsetzen
Dieser Forderung hat sich auch die linksjugend [’solid] auf Antrag vom BAK Revolutionäre Linke beim Bundeskongress angeschlossen. Der Jugendverband der LINKEN sollte sich jetzt bundesweit in Gewerkschaftsjugenden für eine Mindestausbildungsvergütung nach Bedarf einsetzen. DIE LINKE sollte in und außerhalb des Parlaments dafür Druck machen. Von der Bundesregierung ist nichts Positives zu erwarten. Spahn, Seehofer, Scholz & Co haben deutlich gemacht, dass ihnen die Interessen der normalen Beschäftigten egal sind. Aber die Regierung hat wenig Unterstützung und die SPD steht unter Druck bei ihren Versprechen im Koalitionsvertrag zu liefern.
Durch Mobilisierung und Protest müssen sie zu einer hohen Mindestausbildungsvergütung gezwungen werden. Das sollte mit Aktionen bei den Berufsschultouren der DGB-Jugend im Herbst begonnen werden und könnten beispielsweise in einer bundesweiten Demonstration von Auszubildenden münden, die für eine Mindestausbildungsvergütung von der man leben kann, eintritt. Das könnte der Auftakt zu noch entschlosseneren Aktionen aller Gewerkschaften sein.