Am 25. Mai fand in Irland ein landesweites Referendum über die Abschaffung des achten Verfassungszusatzes statt, der das Recht auf Abtreibung verfassungswidrig machte. Das Ergebnis war mit 68 Prozent für die Abschaffung überwältigend und bedeutet einen historischen Wandel. Hierzu eine Stellungnahme der irischen Parlamentsabgeordneten von „Solidarity“ und Mitgliedern der Socialist Party Irland (irische Sektion des CWI), Ruth Coppinger, Paul Murphy und Mick Barry.
Historischer Sieg für sozialen Fortschritt: Eindeutiges Votum für die Abschaffung des Abtreibungsverbotes
Das eindeutige „Ja“ im Referendum kommt einem politischen Erdbeben gleich und bedeutet einen Wendepunkt für Irland. Es ist ein großer Sieg, besonders für die Frauen in Irland, die damit die Unterdrückung durch den achten Verfassungszusatz nach nunmehr fündundreißig Jahren abgeworfen haben. Keine Verzögerung kann jetzt gerechtfertigt werden. Es gibt nichts, was den „Daíl“ [das Irische Parlament] jetzt zurückhalten sollte, schnellstens eine neue Gesetzgebung entlang der Vorschläge des Oireachtas Komitees [Arbeitsgruppe im Parlament] zu erlassen. Niemand sollte mehr leiden.
Der Erfolg ist Teil einer globalen feministischen und LGBTIQ Revolte gegen die lang anhaltende Diskriminierung und dieser Sieg ist eine starke Ermutigung für all jene, die gegen Unterdrückung und für wirkliche Gleichberechtigung in der ganzen Welt kämpfen. International werden Frauen und Schwangere wie in Lateinamerika, für die das Recht auf Abtreibung nicht existiert, dadurch gestärkt.
Ende der Heuchelei
Dies ist ein Sieg, der in erster Linie von jungen Menschen erkämpft wurde. Sie sind diejenigen, die gesagt haben „es reicht“ und es zum Thema gemacht haben, insbesondere nach dem tragischen und unnötigen Tod von Savita Halappanavar [Savita Halappanavar starb 2012 an einer Blutvergiftung, nachdem ihr während einer in die Länge gezogenen Fehlgeburt eine Abtreibung verweigert wurde]. Es waren junge Frauen, die sich der Heuchelei einer „irischen Lösung für ein irisches Problem“ widersetzt haben. Sie forderten und organisierten sich und erzwangen somit schließlich eine Änderung von einem verängstigten und zögerlichen politischen Establishment.
Es muss auch gesagt werden, dass – wie im Fall der Protestbewegung gegen die Einführung der Wassergebühren und auch beim Referendum für die gleichgeschlechtliche Ehe – die Arbeiterklasse die „sichere Basis“ für diese soziale Veränderung darstellte, auf die sich einst James Conolly [früherer irischer Gewerkschafter und Sozialist] bezog. Wegen der gelebten Erfahrungen existiert in der Arbeiterklasse ein Gefühl für Solidarität. Dies ist die Kraft, die Fortschritt in diesem Land bringt, wie es während der Kampagne sichtbar wurde und wie es auch die große Anzahl der Ja-Stimmen in vielen Wohngegenden der Arbeiterklasse deutlich machen.
Bewegung von unten
Es gab eine offizielle Ja-Kampagne, und innerhalb dieser gab es eine unabhängige Bewegung von unten, die sich über die letzten Jahre, Monate und Wochen entwickelt hat. Diese hat den entscheidenden Unterschied gemacht, undr Antworten auf die Angstmacherei und die Lügen des Nein-Lagers gegeben.
Dieser Sieg ist auch bedeutend durch diejenigen beeinflusst, die über die letzten Jahre für das Recht der Selbstbestimmung eingetreten sind – SozialistInnen und Linke. Bis vor kurzem waren „Solidarity – Menschen vor Profite“ die einzige politische Kraft im irischen Parlament, die für das Recht auf Abtreibung und eine klare Position der Selbstbestimmung eingetreten sind.
Es gibt einen großen Unterschied zwischen denen, die mit „Nein“ gestimmt haben und den OrganisatorInnen der „Nein“-Kampagne. Letztere selbst ernannten religiösen Rechten haben gezeigt, welche Art von Irland sie gern hätten. Durchtränkt von Frauenverachtung stellte das Nein-Lager Frauen unter Generalverdacht und verbreitete das Bild von selbstsüchtigen mordenden Frauen. Ihr „shaming and blaming“ von Frauen war von Beginn an völlig unakzeptabel und jenseits von jeglicher Moral.
Rückständige Ideen zurück gewiesen
Viele fühlten sich zunehmend verletzlich und weniger sicher, je stärker diese Rhetorik verbreitet wurde. Diese Rechten und ihre rückwärts gewandten Ideen wurden in diesem Referendum zurück gewiesen. Die Tatsache, dass die Mehrheit der öffentlichen VertreterInnen von Dianna Fail (die rechte Haupt-Oppositions-Partei) Teil dieser Kampagne war, wird nicht vergessen werden.
Das Ergebnis des Referendums hat Folgen für Nordirland, wo Frauen und Jugendliche nicht akzeptieren werden, zurück gelassen zu werden. Schon jetzt organisieren AktivistInnen von ROSA [„For Reproductive Rights, against Oppression, Sexism and Austerity“ – Für reproduktive Rechte, gegen Unterdrückung, Sexismus und Austerität, Kampagnenorganisation, die von der Socialist Party Irland initiiert wurde] dort eine große Kampage für das Recht auf Abtreibung. Nächste Woche wird als erstes der „Bus4Choice“ gestartet, der mit Abtreibungspillen, die als sicher erwiesen sind, durch Nordirland fahren.
Dieses eindeutige Votum muss zum umgehenden Erlass eines neuen Gesetzes führen und die Bereitstellung der notwendigen Versorgung und Pflege durch das Gesundheitswesen, um Abtreibungen innerhalb der ersten zwölf Wochen auf Wunsch der Frau und wegen gesundheitlicher Gründe zu erlauben. Die „Solidarity Bill“ für eine Sexualerziehung sollte ebenso erlassen werden. Freie und kostenlose Verhütungsmittel müssen durch das Gesundheitswesen zur Verfügung gestellt werden und gesellschaftlich akzeptabel und bekannt gemacht werden.
Damit das passiert, muss der Druck auf die etablierten Parteien aufrecht erhalten werden. Erinnert euch, wir mussten mehr als fünf Jahr nach Savitas Tod warten, bis es schließlich das Referendum gab. Dasselbe darf jetzt nicht nochmal passieren.
Junge Menschen waren die treibende Kraft, die diesen Sieg gegen Unterdrückung und die Kontrolle über ihre eigenen Körper erkämpft haben. Ausgehend davon ist es nicht eine Frage des „ob“ sondern wann sie entschieden gegen ein zunehmend unterdrückerisches und restriktives Bildungssystem vorgehen, gegen die Tatsache, dass sie keine sicheren und gut bezahlten Jobs bekommen und dagegen, das man keine bezahlbaren Wohnungen findet.
Baut eine sozialistische Linke auf
Leo Varadkar [irischer Premierminister] könnte zunächst einen Auftrieb durch das Ergebnis bekommen, nachdem er sich in letzter Minute noch auf die richtige Seite geschlagen hatte. Aber er und Fine Gael [die rechtsgerichtete Regierungspartei] und jede andere Partei, die für kapitalistische Politik steht, wird die volle Kraft des Aufstands der Jugend zu spüren bekommen, der auf sie zukommt. Deshalb, weil sie keine Lösungen für die brennenden Probleme haben. Der tiefe Wunsch nach Gerechtigkeit und Gleichberechtigung, der die jüngeren Generationen in Amerika, Großbritannien und Spanien zu linken und sozialistischen Ideen führt, wird auch in Irland immer stärker.
Als Abgeordnete von Solidarity und Mitglieder der Socialist Party haben wir eine lange Kampftradition an diesen Fragen und für das Selbstbestimmungsrecht der Frau. Wir sind stolz, Teil der „Time4Choice“-Kampagne von ROSA zu sein, die ein wirklich wichtiger Teil der Bewegung von unten gewesen ist. Diese Bewegung und ROSA werden nicht verschwinden, und haben das Ziel, eine große sozialistischen feministische Kraft zu werden und sich für eine radikale Veränderung dieses Landes einzusetzen.