Wie nimmt DIE LINKE die Herausforderung an?
Nach einigem Hin und Her ist die kleinste „Große“ Koalition der deutschen Nachkriegsgeschichte im Amt. Der neue Finanzminister Scholz (SPD) hält die „schwarze Null“ hoch, die Arbeitszeit soll flexibilisiert, die Überwachung sowie Aufrüstung und Repression gegen Geflüchtete verstärkt werden. Die GroKo ist in der Sozial- und Wirtschaftspolitik eine Regierung des „Weiter so“, bei Migration, staatlicher Aufrüstung und Militarisierung geht es nach rechts.
von David Redelberger, Kassel
Durch die Hardliner in der Bundesregierung zeigt sich, wo vermutlich am entschiedensten Widerstand geleistet werden muss: Hardliner Nummer 1, Horst Seehofer, nennt sein Innenministerium nun auch Heimatministerium und behauptet, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Das geht einher mit der „Obergrenze“ für Geflüchtete, der Einschränkung des Familiennachzugs und der Beschleunigung von Abschiebungen, die im Koalitionsvertrag vereinbart wurden. Hardliner Nummer 2 ist Jens Spahn, der in Interviews Frauen und Erwerbslose angreift. Er verteidigt den §219a StGB, der ein Informations- und Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche vorsieht und wegen dem die Frauenärztinnen Kristina Hänel, Natascha Nicklaus und Nora Szász jüngst angeklagt wurden.
Beide Minister prägen derzeit die Außenwahrnehmung der neuen Regierung und verschieben die öffentliche Debatte nach rechts. Der Vorstoß Seehofers für schärfere Grenzkontrollen und eine weitere Aussetzung der Schengen-Regelungen bekam prompt die Unterstützung der Kanzlerin. Laut einem Bericht von Monitor liebäugelt Seehofer nun damit, den Entwurf für das neue bayerische Polizeigesetz, welches polizeiliche Befugnisse erheblich ausweitet, für ganz Deutschland einzuführen.
Was macht DIE LINKE?
Trotz guter Ansätze mangelt es der LINKEN noch an einer klaren Linie bei ihrer Gegeninitiative. Dabei sollte klar sein, dass die Zeit der r2g-Angebote (endgültig) vorbei ist. Die SPD-Führung, aber eben auch die SPD-Basis haben die Fortführung der Großen Koalition möglich gemacht. Der Landesverband DIE LINKE Hessen schreibt im Landtagswahlprogramm: „SPD und Grüne haben in der Vergangenheit gezeigt, dass sie im Kern dieselbe unsoziale Politik wie FDP und CDU machen. DIE LINKE dagegen wird sich an keiner Regierung beteiligen, die Sozialabbau, Privatisierungen, Abschiebungen oder Arbeitsplatzabbau betreibt. Wir werden jeder Verbesserung im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung zustimmen und jede Verschlechterung entschieden bekämpfen.“ Appelle aus unserer Partei an die Gruppe der GroKo-GegnerInnen in der SPD verwischen die klaren politischen Unterschiede zur SPD und suggerieren qualitative Unterschiede zwischen GroKo-GegnerInnen und -BefürworterInnen, die aber weitgehend taktischer Natur sind. Mehr noch, diese Appelle lenken den Blick weg von den sozialen Initiativen und politischen Bewegungen, auf die die Partei nun stärker als zuvor zugehen muss: DIE LINKE muss das Bindeglied zur außerparlamentarischen Bewegung sein, sie mit Informationen versorgen, ihre Anliegen im Parlament bekannt machen und Kämpfe zusammen führen und verallgemeinern. Das läuft mit der Gesetzesinitiative zur Abschaffung des §219a schon sehr gut (bei dem die SPD wenig überraschend auch noch eingeknickt ist), muss aber an anderen Stellen noch ausgebaut werden. Es wird allerhöchste Zeit, für soziale Politik in Schwung zu kommen und echte „Partei in Bewegung“ zu werden: Mit einer modernen Klassenpolitik, die Geflüchtete und schon länger hier Lebende, Frauen und Männer, ArbeiterInnen und Erwerbslose, Menschen aller möglichen sexuellen Identitäten und Herkünfte, Menschen mit Behinderungen und andere zusammenbringt – im Kampf für Verbesserungen und soziale Rechte für alle. Dazu muss das Verhältnis der außerparlamentarischen zur parlamentarischen Arbeit neu justiert werden – ein Abgeordnetenmandat muss in unserer Partei Mittel zum Zweck, nicht Selbstzweck sein. Eine gute Möglichkeit für eine außerparlamentarische Offensive wäre die konsequente Umsetzung der gerade beschlossenen Kampagne zu Pflege und Wohnen, wofür die Grundlage durch die Kämpfe für mehr Personal, die Krankenhausvolksentscheide in Berlin und Hamburg oder durch die Arbeit von Mieteninitiativen gelegt wurde.
Ein weiteres Schlagwort, was gerade in der Partei diskutiert wird, ist „sozialistische Klassenpolitik“. Ein erfreulicher Ansatz, der aber auch bedeuten muss, dies nicht als Fernziel auszugeben, sondern eine sozialistische Perspektive und Politik in den Alltagskämpfen zu verankern.
Mehr bewegen statt Sammlungsbewegung!
Vor diesem Hintergrund kann der Ruf nach einer Sammlungsbewegung durch Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine nur irritieren. Die Bildung einer solchen und der Versuch Teile der SPD und der Grünen herauszubrechen, würde DIE LINKE programmatisch und organisatorisch schwächen, sie hätte keine oder weniger demokratische Strukturen und im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern keine verallgemeinerte Bewegung als Basis. Das hält Sahra Wagenknecht jedoch nicht davon ab, „einen ersten öffentlichen Aufschlag“ noch vor der Sommerpause medial anzukündigen, ohne sich den Debatten der Parteibasis bei den derzeit laufenden Regionalkonferenzen zu stellen. Dieser Vorschlag ist gefährlich und hat Spaltungspotential. Aber auch die Idee, dass DIE LINKE schon dieser Sammlungsbewegung entspricht, greift zu kurz: Mit einem kämpferischen und klassenorientierten Auftreten könnte die Partei noch viel mehr Menschen auf der Straße und in Initiativen „einsammeln“. Das gilt umso mehr vor dem Hintergrund der drei Regierungsbeteiligungen der LINKEN, wo die Partei mehr und mehr Gegner von Bewegungen wird, so zum Beispiel bei den Theater“strukturreformen“ in Thüringen, der Braunkohle in Brandenburg und der Schulneubau-GmbH in Berlin. Dies sollten genauso warnende Beispiele sein, wie der Ruf nach einer Sammlungsbewegung.