… kein Sozialismus ohne Feminismus
„Die Emanzipation der Frau wie des ganzen Menschengeschlechts wird ausschließlich das Werk der Emanzipation der Arbeit vom Kapital sein.“ – Clara Zetkin
Laut Statistischem Bundesamt beträgt der Gehaltsunterschied zwischen Frauen und Männern 21 Prozent. Warum junge Frauen, die meist bessere Schulabschlüsse erreichen, im Durchschnitt jedoch schlechtere Löhne aushandeln oder weniger in der Lage sind, ein Studium aufzunehmen und zu beenden, wird nicht erklärt. Genauso wenig warum sogenannte frauendominierte Berufe schlechter bezahlt werden und warum es gewöhnlich Frauen sind, die nach der Geburt von Kindern länger zu Hause bleiben oder in Teilzeit gehen. Aktuell arbeiten 37,5 Prozent der Frauen in Deutschland in Teilzeit. Frauen leisten mehr als dreimal so viel Teilzeitarbeit als Männer.
von Alexandra Arnsburg, Berlin
Die aktuelle Debatte um „#metoo“, die wiederkehrenden Proteste gegen frauenfeindliche Gesetze in Ländern wie im Iran, Irland, Türkei oder in Polen zeigen, dass Frauen jeden Tag darum kämpfen müssen, nicht diskriminiert, belästigt oder angegriffen zu werden. Weltweit ist sexualisierte und häusliche Gewalt für Frauen bis 44 Jahren die häufigste Ursache für Tod und Behinderung.
Frauenkampf
SozialistInnen zeigten schon früh auf, dass Frauenunterdrückung, so wie jede andere Art von Ausbeutung, eine ökonomische Basis hat und eng mit der Entstehung von Privateigentum und Klassen verknüpft ist.
Nach der Methode des ‚Teile und Herrsche‘ wurde und wird versucht, die arbeitende Klasse zu spalten, angefangen bei den Löhnen. Die Tatsache, dass Frauen unentgeltlich Hausarbeit verrichten, ist systemerhaltend für den Kapitalismus.
Kein Wunder, dass es immer wieder Frauen waren und sind, die Streiks und Aufstände initiieren, wie 1903 die Textilarbeiterinnen in Sachsen oder 1912 die Näherinnen in Massachusetts (USA). Durch die Russische Revolution 1917, die von Petrograder Textilarbeiterinnen begonnen und in deren Verlauf der Kapitalismus abgeschafft wurde, gab es viele Errungenschaften in Russland, die die Basis für eine Gleichberechtigung legen konnten: Wahlrecht, gleicher Lohn, 16 Wochen Mutterschutz und Schutz stillender Mütter, Abtreibungsrecht, Gleichstellung unehelicher Kinder, ein liberales Scheidungsrecht. Insbesondere die angestrebte Vergesellschaftung der Hausarbeit, durch gute öffentliche Kantinen, Wäschereien, Kindergärten, konnte aufgrund der ungeheuren materiellen Armut des Landes jedoch nicht wie gewünscht umgesetzt werden. Durch die Stalinisierung wurden wichtige Errungenschaften, wie das Abtreibungsrecht, wieder abgeschafft und die politische Herrschaft einer männerdominierten bürokratischen Kaste gefestigt.
Frauenwahlrecht
Im 19. Jahrhundert gelang es auch in Deutschland, erste Frauenzeitschriften und Frauenorganisationen zu gründen und den Kampf für das Frauenwahlrecht auf die Agenda zu setzen. Auch radikalisierte Arbeiterinnen organisierten sich im Kampf für das Wahlrecht und für Gleichstellung und setzen ihre Forderungen in den Organisationen der Arbeiterbewegung durch, wo führende Vertreter anfangs noch mit Spott reagierten.
Wie schwierig es Frauen im politischen Leben hatten, zeigte sich auch, als Marie Juchacz (SPD) am 19. Februar 1919 als erste Frau in der Weimarer Nationalversammlung vor einem deutschen Parlament sprach und ihre Anrede „Meine Herren und Damen!“ Heiterkeit auslöste.
Frauenerwerbsarbeit
Durch ihre geringere Bezahlung wurden Frauen unfreiwillig zu LohndrückerInnen. Die organisierte proletarische Frauenbewegung setzte sich für die Organisierung von Frauen und für einen gemeinsamen Kampf der gesamten Klasse für eine Verbesserung ihrer Arbeitssituation ein. Unter dem Druck der Revolution in Deutschland von 1918 mussten eine Reihe von Gesetzen erlassen werden. Frauen erhielten das Wahlrecht, wurden zu mehr Ämtern und Berufen zugelassen und das Mutterschutzgesetz wurde eingeführt.
Geschlechterfrage oder Klassenfrage
Die Vorkämpferin der proletarischen Frauenbewegung Clara Zetkin warnte vor Illusionen in die bürgerliche Frauenbewegung und deren „täuschenden, lähmenden Einfluss auf große werktätige Frauenmassen, deren Wollen und Handeln auf den Kampf von Geschlecht zu Geschlecht für die Reform der bürgerlichen Ordnung konzentriert wird, statt auf den Kampf von Klasse zu Klasse für die Revolution.“
Auch in den 60er und 70er Jahren, in der sogenannten zweiten Welle der Frauenbewegung, diskutierten verschiedene Strömungen, beginnend in den USA und in Deutschland, hauptsächlich im Westen, das Verhältnis von Geschlecht und Herrschaft. Neben dem neuen bürgerlichen Feminismus, der die Geschlechterherrschaft losgelöst von Klassenherrschaft betrachtet, gab es auch Gruppen, die den Schulterschluss zum weiblichen Teil der Arbeiterklasse suchten und Unterstützung für Streiks, wie den großen Kitastreik von 1969, organisierten. Die sogenannte dritte Welle kam in den 90ern auf mit unzähligen Strömungen: RadikalfeministInnen machten weiterhin Männer statt der gesellschaftlichen Verhältnisse verantwortlich, andere Frauenorganisationen und Parteien wollen bis heute Geschlechterdemokratie über Quoten und per Training erreichen.
Klassengesellschaft
Frauen der Arbeiterklasse, also der lohnabhängigen Bevölkerung, haben mit ihren männlichen Kollegen tausendmal mehr gemein als mit Merkel und Milliardärinnen. Vertreterinnen der bürgerlichen Frauenbewegung, wie Alice Schwarzer, freuen sich über eine Frau als Kanzlerin oder über zwei Frauen mehr im Vorstand einer Aktiengesellschaft, schweigen aber über den täglichen Kampf von Arbeiterinnen, wie dem der KollegInnen im Sozial- und Erziehungsdienst. MarxistInnen wird vorgeworfen geschlechtsblind zu sein; aber ein Kapitalismus ändert sich nicht nur dadurch, dass er weiblicher wird.
Die materielle und ideologische Diskriminierung von Frauen macht allerdings nicht automatisch vor Gewerkschaften, linken Parteien und Bewegungen halt. Damit muss bewusst umgegangen werden, und auch in Kämpfen kann nicht von vorneherein ausgeschlossen werden, dass Frauen auch innerhalb der Bewegung benachteiligt oder sogar sexistisch angegriffen werden. Deshalb spielt der Kampf gegen sexistische Vorurteile immer ein große Rolle.
Aufgaben
Der Kampf um Gleichberechtigung steht nie still. Die Auswirkungen des Neoliberalismus und der kapitalistischen Krise werden besonders in Ländern, die unter dem Troika-Diktat stehen bzw. standen oder wo rechte Regierungen an die Macht kommen konnten, ersichtlich. Einige Angriffe, wie die auf Abtreibungsrechte in Spanien und Polen, konnten durch Frauenstreiks und Proteste zurückgeschlagen werden. Aber teilweise dreht sich das Rad der Geschichte rückwärts, schon aufgrund krasser Armut, wie der Anstieg von Prostitution in Griechenland um 1500 Prozent seit Beginn der Krise zeigt, wo Frauen sich inzwischen schon für den Preis eines Sandwichs verkaufen müssen.
Die Hauptaufgabe für SozialistInnen heute besteht darin, aktive Organisationen der Arbeiterbewegung wieder aufzubauen und kompromisslos gegen Sexismus vorzugehen. Die SAV tritt innerhalb der Gewerkschaften, Bewegungen und der Partei DIE LINKE dafür ein, dass der Kampf gegen neoliberale und prokapitalistische Politik mit dem Kampf gegen Frauenunterdrückung verbunden wird und dass dafür ein gemeinsamer Kampf von Arbeitern und Arbeiterinnen nötig ist. Gleichzeitig vertreten wir die Haltung, dass dieses Ziel nur mit dem Sturz des Kapitalismus vollständig erreicht werden kann. Materielle Not und Befreiung der Frau schließen sich aus. Löhne, von denen man leben kann, bezahlbare Wohnungen, gute, kostenlose Kinderbetreuung, Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich, sind unverzichtbar.
Die Verbindung des Kampfes gegen Sexismus und Frauenunterdrückung mit dem Kampf für eine sozialistische Gesellschaft ist doppelt wichtig. Weil es die einzige Chance ist eine wirklich gleichberechtigte Gesellschaft zu erreichen. Und es gilt, was Lenin 1918 sagte: „Die Erfahrung von allen Befreiungsbewegungen hat gezeigt, dass der Erfolg einer Revolution davon abhängt, wie weit Frauen daran teilnehmen.“
Alexandra Arnsburg arbeitet bei der Telekom und ist Mitglied im ver.di-Landesbezirksvorstand Berlin-Brandenburg*. Bei den Sozialismustagen spricht sie zu Leben und Werk von Rosa Luxemburg.