Türkisches Militär raus aus Afrin! Bundeswehr raus aus der Türkei!
Am 21. Januar marschierte türkisches Militär in den in Nordsyrien gelegenen und zur kurdischen Autonomieregion Rojava gehörenden Kanton Afrin ein. Was vom türkischen Präsidenten Erdoğan als Offensive gegen Terroristen bezeichnet wird, ist in Wirklichkeit ein Angriffskrieg gegen die kurdische Bevölkerung. Ziel der Herrschenden in Istanbul ist die Schwächung der kurdischen Autonomiebewegung, der Ausbau des eigenen Einflusses bei der Neuaufteilung Syriens nach der Niederlage des so genannten Islamischen Staates (IS) und nicht zuletzt die Stärkung der AKP in der Türkei durch eine nationalistische Kampagne und eine Fortsetzung des Ausnahmezustands und der Repression gegen alle Oppositionellen.
Von Sascha Staničić
Syrien ist ein Kampfplatz der unterschiedlichsten imperialistischen Groß- und Regionalmächte. Für die USA stand in der letzten Phase der Kampf gegen den IS im Mittelpunkt. Dazu stützten sie sich auf ein militärisches Bündnis mit den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG/YPJ), welche die Streitkräfte des von der kurdischen PYD (Partei der Demokratischen Union) kontrollierten selbstverwalteten Gebiets Rojava im Norden Syriens sind. Die Türkei hingegen hatte in der Vergangenheit den IS und andere islamistische Kräfte im syrischen Bürgerkrieg unterstützt, während Russland und der Iran den syrischen Diktator Assad unterstützten.
Allen unterschiedlichen Interessen und Bündnissen zum Trotz, verbindet alle diese Mächte ein Ziel: die kurdische Bewegung darf ihre Ziele nicht erreichen, das mit einem demokratischen und multiethnischen Anspruch angetretene Rojava darf nicht überleben. Es wird als Bedrohung für die Macht der Imperialisten und Diktatoren in der Region betrachtet. Nur so erklärt sich das Verhalten der Groß- und Regionalmächte, die alle das Blut der bei dem türkischen Angriff getöteten KurdInnen an ihren Händen haben. Denn es gibt keinen Versuch, der türkischen Offensive Einhalt zu gebieten. Vieles spricht dafür, dass der Angriff mit der russischen Regierung abgesprochen war, die ihre in Afrin stationierten Truppen vorher abzog und ihre Möglichkeit, eine Flugverbotszone auszusprechen, nicht nutzt. Die USA stecken in einem Dilemma, handelt es sich doch um einen Krieg zweier ihrer Bündnispartner. Sie rufen zur Zurückhaltung und Vermeidung ziviler Opfer auf, was zum Ausdruck bringt, dass sie im Zweifelsfall keinen Bruch mit dem NATO-Partner Türkei riskieren wollen, weil dies ihren mittel- und langfristigen Einfluss in der Region untergraben würde.
Auch die Haltung der Bundesregierung ist ein Skandal. Erst kürzlich hatten sich die Außenminister beider Staaten, Gabriel und Çavusoglu, in Deutschland getroffen und das deutsch-türkische Bündnis beschworen. Das türkische Militär ist mit deutschen Leopard II-Panzern in Afrin eingerückt, welche zeitnah für den Minenschutz nachgerüstet werden sollen – was Sigmar Gabriel ausdrücklich unterstützt. Die Bundesregierung hat auch Verständnis dafür geäußert, dass die Türkei ihre Sicherheit in der Region bedroht sehe.
Tatsache ist aber, dass es in Afrin keine Stellungen des Islamischen Staates gibt und von der YPG keine Angriffe auf türkisches Staatsgebiet verübt worden waren. Die YPG wäre auch gut beraten, ihren Kampf als Verteidigungskampf zu führen und der Aussage eines PYD-Führers nicht zu folgen, der davon sprach, den Kampf auch auf türkischem Staatsgebiet zu führen. Denn das wäre ein Geschenk für Erdoğans Propagandamaschine und würde es ihm erleichtern, die Opposition im eigenen Land mundtot zu machen.
Denn es kann kein Zweifel daran bestehe, dass die Militäroffensive auch stark innenpolitisch motiviert ist. Im nächsten Jahr finden Wahlen statt und die AKP läuft Gefahr, ihre Mehrheit zu verlieren. Sie kann seit dem Putschversuch im Jahr 2016 nur durch massive Repression und einen Dauer-Ausnahmezustand regieren. Mit der IYI-Partei, einer Abspaltung der faschistischen und mit der AKP verbündeten MHP, ist eine rechte Opposition entstanden, die in Umfragen auf bis zu zwanzig Prozent kommt, während die MHP möglicherweise an der zehn-Prozent-Hürde scheitern würde. In der bürgerlich-sozialdemokratischen Oppositionspartei CHP wurde kürzlich die linksliberale Canan Kaftancıoğlu zur Vorsitzenden der Istanbuler Parteiorganisation gewählt. Kaftancıoğlu begann in der Kurdenfrage von den traditionell nationalistisch-antikurdischen Positionen der CHP abzurücken. Der Krieg gegen Afrin führt nun dazu, dass sich alle Oppositionsparteien (natürlich mit Ausnahme der linken und prokurdischen HDP) zu einer nationalen Front hinter Erdoğan zusammen schließen und es diesem einfacher machen, seine Unterdrückung jeglicher Opposition im Land zu intensivieren, einschließlich der sich im Arbeitskampf befindenden MetallarbeiterInnen. Nur drei Tage nach dem Beginn des Angriffs sollen schon fünfzig JournalistInnen verhaftet worden sein, insgesamt sitzen Zehntausende aus politischen Gründen in den Gefängnissen, einschließlich der beiden Vorsitzenden der HDP.
Die kurdische Bevölkerung verdient die Solidarität der weltweiten Arbeiterbewegung, Linken und AntikriegsaktivistInnen. Die SAV unterstützt alle Demonstrationen und Proteste gegen den Angriffskrieg der Türkei und die Komplizenschaft der imperialistischen Mächte, einschließlich der Bundesrepublik.
Wir fordern:
* Abzug der türkischen Truppen aus Nordsyrien/Afrin
* Bundeswehr raus aus der Türkei
* Schluss mit Rüstungsexporten an die Türkei, keine Modernisierung der Leopard-Panzer
* Solidarität mit den Kriegsflüchtlingen – Öffnung der Grenzen zur Türkei, dem Nordirak und Aufnahme in Deutschland
* Aufhebung des PKK-Verbots und des Verbots kurdischer Symbole
Wir unterstützen die Forderungen unserer türkischen Schwestergruppe Sosyalist Alternartif:
* Für eine gewerkschaftliche Mobilisierung gegen den Krieg durch Generalstreik
* Für die Verbindung des Kampfes der MetallarbeiterInnen mit dem Kampf gegen den Krieg
* Arbeitereinheit gegen Nationalismus und konfessionelle Spaltung
* Gegen den Krieg, Ausbeutung, Unterdrückung und Armut – für eine freiwillige sozialistische Konföderation des Nahen und Mittleren Ostens
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