CDU, CSU und SPD beschließen Aufnahme von Koalitionsgesprächen
Die ganze Woche saßen die drei Verlierer der letzten Bundestagswahl am Tisch, um die letzte mögliche Regierungsoption zu sondieren. Die SPD bekennt sich zur Verantwortung gegenüber ihren Großspendern und kehrt von sozialeren Wahlkampftönen zur Staatsräson zurück. Dass es nur zu extrem begrenzten „Sozialreformen“ kommen soll, ist eine große Enttäuschung für alle, die gehofft hatten, dass die SPD doch ein paar ihrer Forderungen durchsetzen würde.
von Michael Koschitzki, Berlin
Nach dem Scheitern der Sondierungen für die Jamaika-Koalition war der Druck auf CDU, CSU und SPD hoch, sich zu verständigen. Die bürgerlichen Medien beschwerten sich, dass der französische Regierungschef Macron bereits in der Welt herumreise, um Frankreichs Position auszubauen, während es in Deutschland noch keine Regierung gäbe. Die SPD stand zu ihrer „staatsmännischen Verantwortung“ und die drei verständigten sie sich innerhalb von fünf Tagen auf die Bildung einer Großen Koalition. Eine Koalition, die angesichts der historisch schlechten Ergebnisse der Beteiligten, alles andere als groß ist.
Ist das sozial?
Von der SPD wurden aufgrund der sozialen Rhetorik von Martin Schulz im Wahlkampf und der guten Haushaltslage Verbesserungen erwartet. Im Vergleich zur Einführung des Mindestlohns in der letzten Legislaturperiode der Großen Koalition, gibt es nichts Vergleichbares. Die Forderung nach einer Bürgerversicherung wurde fallen gelassen. Es gibt kein Recht auf Rückkehr in Vollzeitarbeit nach Teilzeit. Selbst die geringe Erhöhung des Spitzensteuersatzes gibt es nicht.
Und die vereinbarten Reformen (die bis zur Umsetzung sich noch abschwächen können) fallen klein aus. Das Kindergeld soll Mitte 2019 und Anfang 2021 erhöht werden. Eine Bafög-Erhöhung wird ohne konkrete Höhe angekündigt. Das Antasten von Vermögen bei Hartz IV soll eingeschränkt werden. Die Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der Krankenkassen wird unmittelbar für Beschäftigte nicht spürbar sein. Den wenigen angekündigten Verbesserungen für arbeitende Menschen steht eine Flexibilisierung der Arbeitszeit und die Lockerung bei der Höchstarbeitszeit gegenüber.
Gleichzeitig greifen die Vorschläge im Bereich Pflege viel zu kurz. Zwar sollen Tarifverträge in der Altenpflege ausgedehnt werden, jedoch wird für die Krankenpflege ein Maßnahmenpaket vorgeschlagen, dass nur 8.000 neue Fachkraftstellen bringen soll. In der Pflege fehlen insgesamt über 100.000 Stellen! Das wird absolut nicht reichen. Dagegen werden im Sondierungspapier 15.000 Stellen mehr in den Sicherheitsbehörden verlangt. So weiß man, wo die Prioritäten liegen.
Stattdessen werden angesichts wachsenden Reichtums der Vermögenden und Steuerüberschüssen Milliarden Euro für mehr Rüstung oder Abbau des Solidaritätszuschlages ausgegeben, statt Reichtum zu besteuern und beispielsweise ein Milliardenpaket für Öffentlichen Wohnungsbau und mehr Stellen in der Pflege auszugeben.
Angriffe auf MigrantInnen
Hingegen schien sich die CSU, die Angst vor den anstehenden Landtagswahlen hat und ihren schlechten Umfragewerten mit einer „konservativen Revolution“ begegnen will, in vielen Punkten durchgesetzt zu haben. Obergrenze für Zuwanderung von 180.000, „Zentrale Aufnahme-, Entscheidungs- und Rückführungseinrichtungen“, dort Residenzpflicht und kein Bargeld, Ausweitung sicherer Herkunftsländer auf Algerien, Marokko und Tunesien und ähnliche Maßnahmen klingen wie der Wunschzettel der CSU. Besonders gestritten wurde um den Familiennachzug, der weiterhin ausgesetzt wird und nur für bis zu 1.000 Personen im Monat ermöglicht wird, was sogar mit auslaufenden Aufnahmen aus den EU Ländern Italien und Griechenland gegengerechnet wird. Die Hürden sind sehr hoch und enttäuschen die Hoffnung vieler Geflüchteter, Angehörige nachholen zu können. Dieser Maßnahmenkatalog bedeutet eine enorme Verschlechterung für Geflüchtete.
Weitere Maßnahmen
Auch die restlichen Maßnahmen, wie die Zustimmung zu Freihandelsabkommen, Fortsetzung von Kriegseinsätzen in Afghanistan und Mali, Entwicklung der Euro-Drohne stehen für eine Politik gegen die Mehrheit der Bevölkerung. Die Abkehr vom Klimaziel 2020 wird akzeptiert, ein Ausstiegsdatum für Kohlekraftwerke nicht genannt, während der Klimawandel für alle spürbar wird.
Insgesamt ist derzeit nichts zu erkennen, was an der sinkenden Beliebtheit von Kanzlerin Merkel und dem Abwärtstrend von SPD, CDU und CSU etwas ändern könnte. Es sind die gleichen Gesichter mit der gleichen Politik für Konzerne und Vermögende. Es gibt keinen Tropfen neuen Wein in den alten Schläuchen. Diese Regierung wird kaum Begeisterung auslösen. Und das ist auch gut so. DIE LINKE muss sich aufstellen, um sofort Opposition von links gegen diese Regierung aufzubauen und für wirkliche Verbesserung in der Pflege, bei Mieten, gegen Krieg und Politik für Reiche zu mobilisieren. Wenn sie nicht anders auftritt als bisher, ist die Gefahr groß, dass die rechten Kräfte der AfD die Situation für sich nutzen können. Diese Regierung wird wenig Fundament und Unterstützung in der Bevölkerung haben, wenn sie sich größeren Umbrüchen und Herausforderungen wie einer Wirtschaftskrise gegenüber sehen sollte.