Bericht von den Protesten gegen den AfD-Bundesparteitag in Hannover
Letztes Wochenende fand in Hannover der Bundesparteitag der selbsternannten „Alternative für Deutschland“ statt. Zum zweiten Mal tagten die Rechten im Hannover Congress Centrum – abgeschirmt durch ein massives Polizeiaufgebot und NATO-Draht. Doch die antirassistischen Proteste ließen sich davon nicht einschüchtern.
Von Tom Hoffmann, Berlin
Bereits in den frühen Morgenstunden machten sich mehrere hundert AktivistInnen auf, die Zufahrtswege zum Parteitagsgelände zu blockieren und den Tagungsbeginn zumindest zu verzögern. Aufgerufen hatte das Bündnis „Unsere Alternative heißt Solidarität“, welches von antirassistischen, linken und gewerkschaftlichen Gruppen unterstützt wird. Von verschiedenen Punkten zogen Blockadefinger los, welche friedlich gegen anreisende Delegierte protestierten und klar machten: diese rassistische Partei ist nicht wie jede andere. Wer die Gesellschaft offensiv mit Rassismus und Sexismus vergiftet, wer das Klima für rechte Gewalt schafft und Verbindungen zu Nazis unterhält – diejenigen müssen sich auf Widerstand einstellen. Dabei stießen die AntirassistInnen auf ein massives Aufgebot der Polizei, welche das Gelände weiträumig, geradezu hermetisch abzuriegeln versuchte. Wasserwerfer und Räumpanzer waren immer wieder in der Stadt unterwegs, begleiteten die Blockaden und Demonstrationen und bauten eine enorme Drohkulisse auf. Dass die Polizei bei Temperaturen am Gefrierpunkt Wasserwerfer gegen friedliche Blockierende einsetzte, ist ein Skandal und soll AktivistInnen einschüchtern, weiterhin an solchen Aktionen teilzunehmen. Diese blieben aber unerschrocken und schafften es, den Parteitagsbeginn um gut eine Stunde zu verzögern.
Ab 11:30 Uhr begann auf dem Theodor-Heuss-Platz vor dem HCC die Startkundgebung der Großdemonstration. Dort warnte unter anderem die Holocaust-Überlebende Marianne Winkler vor der AfD und ermutigte, gegen Rassismus aktiv zu werden. An der darauf folgenden Demonstration beteiligten sich ca. 8000 Menschen. GenossInnen der SAV beteiligten sich am Block der LINKEN, welcher über 1000 Menschen anzog. Insbesondere sorgte der BAK Revolutionäre Linke der linksjugend [’solid] für kämpferische Stimmung. Auf einem vom BAK mitgebrachten Transparent war zu lesen: „Erst spalten, dann streichen – Rassismus nützt den Reichen“. Und auch in den Redebeiträgen vom Lautsprecherwagen der LINKEN wurde auf die wichtigen sozialen Ursachen von Rassismus hingewiesen, die es ebenfalls zu bekämpfen gilt. Die kämpferische Stimmung und der Teilerfolg der Blockaden sind positive Eindrücke, mit denen die AktivistInnen nach Hause gefahren sind.
Dennoch können sie nicht über die schwache Mobilisierung hinwegtäuschen, welche hinter den Erwartungen zurückblieb. Mit Sicherheit spielen objektive Gründe dabei eine Rolle: Die AfD ist aus dem Bundestag vorerst nicht mehr herauszuhalten, es gibt einen gewissen Gewöhnungseffekt und demzufolge auch Resignation in der antirassistischen Bewegung. Allerdings trägt es negativ dazu bei, dass antirassistische Bündnisse wie „Aufstehen gegen Rassismus“ keine weitergehenden, sozialen Forderungen in ihren Aufrufen erheben, um bürgerliche Parteien und Akteure nicht zu verprellen. Dass aus „politischer Breite“ nicht breite Proteste folgen, hat sich in Hannover erneut bestätigt. Eine wirklich linke Mobilisierung, die auch an sozialen Fragen und Kritik an den herrschenden Parteien nicht Halt macht, hätte mit Sicherheit mehr Anziehungspotenzial. Genauso wären die Gewerkschaften in der Pflicht, ihre Mitglieder über Kampagnen und Betriebsversammlungen viel mehr zu solchen Aktionen zu mobilisieren. Dass überdurchschnittlich viele Gewerkschaftsmitglieder AfD gewählt haben, sollte alle Alarmglocken läuten lassen.
Denn wie der Widerstand gegen die AfD weitergehen soll, wird nach Hannover von wichtiger Bedeutung sein. Es braucht eine breite Diskussion unter AntirassistInnen, welche Mittel und Wege geeignet sind, um der AfD das Handwerk zu legen. In unserer Zeitung „Solidarität“ haben wir dazu Beiträge verfasst und Vorschläge gemacht. Grundlage für den Aufbau von Widerstand ist, dass mehr Menschen selbst aktiv werden und sich organisieren. In Hannover wollen wir in der nächsten Zeit eine SAV-Gruppe aufbauen. Eine erste Veranstaltung mit dem Titel „Was tun gegen den Aufstieg der AfD?“ findet am 12. Dezember statt. Kommt vorbei!
„Was tun gegen den Aufstieg der AfD?“ (SAV Hannover)
Dienstag, 12.12.2017
im Freizeitheim Linden (Windheimstr. 4, 30451 Hannover)
Beginn: 19 Uhr