„Da bleibt weniger als Hartz IV“
Firmen beklagen unbesetzte Lehrstellen und einen angeblichen „Nachwuchsmangel“. Doch Azubis höhere Löhne zu bezahlen, das kommt ihnen nicht in den Sinn. Und etliche Jugendliche, beispielsweise mit einem formal niedrigeren Schulabschluss, einer Behinderung oder ohne deutsche Staatsbürgerschaft, finden überhaupt keine Ausbildungsstelle. Solidarität sprach mit Fabian Hannes, Azubi in Hamburg.
Fabi, Du bist Azubi zum Industriemechaniker in Hamburg. Was lernst Du dort?
Industriemechaniker arbeiten in der Metallverarbeitung und der Wartung und Montage von mechanischen, pneumatischen und hydraulischen Anlagen. Dazu lernen wir aber auch die Instandsetzung und Installation von Elektrotechnik.
In den letzten Jahren haben wir in Hamburg immer wieder Azubis auf Streikdemos getroffen. Auch die Mitgliedszahlen der Gewerkschaftsjugenden steigen. Sind die Azubis unzufrieden mit den Bedingungen in der Ausbildung?
Meist sind die Azubis am Anfang mit der Ausbildung recht zufrieden. Wenn die Kollegen aber eine eigene Wohnung suchen, ist das sehr schwer, weil der Lohn nicht reicht, oder wenn die Ausbildung dem Ende zugeht und das Thema Übernahme wichtiger wird, nimmt die Unzufriedenheit und Kritik zu.
Was gibt es bei der Übernahme denn für Probleme?
Es heißt am Anfang der Ausbildung oder wenn man nachfragt immer: „Wir bilden nach Bedarf aus und übernehmen unsere Azubis.“ In der Realität kommt das nicht hin. Viele Kolleginnne und Kollegen werden nach der Ausbildung nicht übernommen und eine Übernahmegarantie gibt es erst recht nicht. Das bedeutet, dass die Kolleginnen und Kollegen dann häufig auch bei Betrieben landen, die deutlich schlechter bezahlen und schlechtere Arbeitsbedingungen haben.
Die Ausbildungsvergütung ist je nach Bereich sehr unterschiedlich. Wie ist die Situation bei euch?
Wir erhalten eine im Metallbereich „normale“ Ausbildungsvergütung. Je nach Lehrjahr sind das am Ende zwischen 600 und 800 Euro netto im Monat – viel zu wenig zum Leben. Nachdem man die Miete bezahlt hat, ist man unter dem Hartz-IV-Satz. Wir Azubis brauchen deutlich bessere Löhne. Sicherstellen lässt sich das meiner Meinung nach nur mit einem Mindestlohn. Ein Mindestlohn für Azubis hätte außerdem Vorteile für alle Kolleginnen und Kollegen: wir können nicht mehr als billige Arbeitskräfte missbraucht und so zur Lohndrückerei benutzt werden.
Das wäre dringend nötig, denn die Mieten und die Lebenshaltungskosten in unserer Stadt steigen immer weiter…
Ja, das ist ein großes Problem. Wie gesagt: ohne Unterstützung der Eltern können wir uns die Miete nicht leisten. Viele von uns wohnen deshalb immer noch zu Hause, obwohl wir natürlich lieber eine eigene Wohnung hätten.
Du selbst bist ja Mitglied bei ver.di. Denkst Du, dass deine Gewerkschaft genug tut, um Azubis in deinem Betrieb für Kämpfe zu gewinnen? Was könnte besser laufen?
ver.di tut viel zu wenig. Es gibt kaum Flyer im Betrieb und auch an meiner Berufsschule hab ich weder aktive Kolleginnen und Kollegen von ver.di noch von der IG Metall gesehen. Ebenso ist die JAV sehr schwach. Auch da wäre es der Auftrag der Gewerkschaft, aktiv zu werden und unsere Vertretung zu stärken. Denn es gibt einiges, was verändert werden müsste. Die niedrigen Löhne und die fehlende Übernahmegarantie habe ich ja schon genannt.
Wir haben jetzt viel über Deine Ausbildung und deine Stadt geredet – aber in ganz vielen Städten Deutschlands geht es Azubis ähnlich. Was denkst Du, ist insgesamt nötig, um daran etwas zu ändern?
Zunächst braucht es einige konkrete Verbesserungen: Mindestlohn auch für Azubis, Übernahmepflicht für die Betriebe, eine Verbesserung der Ausbildungsqualität. Am Ende müssen wir aber den Kapitalismus überwinden. Es kann keine Gerechtigkeit und Sicherheit, genauso wenig wie Umweltschutz und Frieden geben, wenn die Wirtschaft nur auf Profite ausgerichtet ist und immer neue Wege gesucht werden, um Profit zu machen, während wir Arbeiter und der Großteil der Bevölkerung ausgebeutet werden. Außerdem brauchen wir im selben Zuge eine Demokratisierung: die politischen Entscheidungen müssen von allen Menschen getroffen werden können – und nicht nur von einer Handvoll Kapitalisten, Lobbyisten und Politiker.
Das Interview führte Katharina Doll