7000 Beschäftigte gegen Konzernfusion und Stellenabbau auf der Straße
Am Freitag, dem 22. September, demonstrierten in Bochum insgesamt 7000 Beschäftigte des Stahlkonzerns ThyssenKrupp gegen die kurz zuvor öffentlich gewordene geplante Fusion des Unternehmens mit dem britisch-indischen Stahlhersteller Tata Steel, in deren Folge tausende Arbeitsplätze vernichtet werden sollen. Aufgerufen zum Demonstrationszug mit anschließender Kundgebung vor dem Bochumer Colosseum hatte die Gewerkschaft IG Metall. Unter den KollegInnen waren auch 700 Azubis, die durch die geplanten Stellenstreichungen um ihre Zukunft fürchten müssen.
von Daniel Kehl, SAV Dortmund
Der Ärger über die erst zwei Tage zuvor aus einer Pressemitteilung bekannt gewordene Einigung über die Zusammenlegung der europäischen Stahlsparten von ThyssenKrupp und Tata Steel und der dabei vorgesehenen Vernichtung von insgesamt 4000 Arbeitsplätzen stand den KollegInnen auf der Demonstration am Freitag Morgen sichtlich ins Gesicht geschrieben. Nachdem der Demozug um 9:00 Uhr vom Warmbandwerk in der Essener Straße gestartet war, betonten auf der nachfolgenden Kundgebung Redner wie ThyssenKrupp-Konzernbetriebsratschef Wilhelm Segerath die miserable Informationspolitik der Konzernführung, die bis zuletzt den genauen Stand der Verhandlungen mit Tata geheim hielt und die eigenen Beschäftigten erst über die Presse von der Fusion und ihren negativen Folgen unterrichtete. Die Stimmung unter den vor allem aus Duisburg, Dortmund und Bochum, aber auch aus vielen kleineren Betrieben im Ruhrgebiet und teilweise sogar aus Norddeutschland mit Bussen angereisten KollegInnen war dementsprechend von Enttäuschung und Frust über die ThyssenKrupp-Chefetage geprägt. Gewerkschaftsvertreter drohten unter anderem, eine mögliche nächste Demonstration direkt vor der Konzernzentrale in Essen abzuhalten.
Die Lage der Azubis
Ein Beispiel für die desaströse Gesamtpolitik von ThyssenKrupp in den letzten Jahren ist die Lage der Auszubildenden in den Betrieben, die Moritz Engels aus der Konzern Jugend- und Auszubildendenvertretung (KJAV) in seinem Redebeitrag beschrieb. Die Ausbildungskosten in der Stahlsparte bei ThyssenKrupp wurden insgesamt um 40% gesenkt, Neueinstellungen von Azubis werden momentan um 50% gekürzt und Ausbildungsstätten dicht gemacht. Damit werde, so Engels, der zentrale Anker der beruflichen Ausbildung im Ruhrgebiet geschwächt. Viele Azubis wissen nicht, ob sie nach ihrer Ausbildung übernommen werden und ob sie langfristig ihre Stelle im Unternehmen behalten können.
Geheuchelte Reden aus der Politik und Schwächen der Gewerkschaftsführung
Vor dem Hintergrund dieser Konzernpolitik und dem geplanten Stellenabbau ist eine scharfe Konfrontation mit der Unternehmensführung von ThyssenKrupp dringend nötig. Stattdessen wurden als Hauptredner für die Kundgebung in Bochum PolitikerInnen wie Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) oder der Arbeitsminister der schwarz-gelben NRW-Landesregierung Karl-Josef Laumann (CDU) eingeladen, die in Worten kämpferische Durchhalteparolen und Lippenbekenntnisse zur Stahlindustrie abgaben, in ihren Taten aber nichts zur Rettung der Arbeitsplätze getan haben, oder sogar direkt an Angriffen auf die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften beteiligt waren, so etwa Nahles mit ihrem Tarifeinheitsgesetz. Statt Nahles als „Kollegin unserer IG Metall“ anzukündigen und reden zu lassen, sollte die Gewerkschaft ihre unternehmerfreundliche Politik angreifen und statt solcher Wahlkampfreden internationale Solidarität üben, zum Beispiel durch das Einladen von KollegInnen aus Britannien oder Indien, die dort für Tata Steel arbeiten und ebenfalls von Jobvernichtung durch die Fusion bedroht sind. Neben diesem Ausbleiben von internationaler Klassensolidarität bei der Fusion zweier global agierender Großkonzerne war allerdings sicher das Fehlen einer klaren Kampfstrategie für die nächsten Monate die größte Schwäche der Reden auf der Kundgebung: Statt die versammelten KollegInnen auf konkrete nächste Schritte in der Auseinandersetzung mit der Konzernführung vorzubereiten und eine Strategie zum Sieg der Beschäftigten, das heißt mindestens zum Erhalt aller Arbeitsplätze bei gleichen oder besseren Bedingungen, zu präsentieren, verblieben die Reden der IG Metall-VertreterInnen bei kämpferischen Phrasen ohne konkrete Kampfperspektive.
Nötig ist eine Konferenz von demokratisch gewählten BelegschaftsvertreterInnen aus allen Betriebe, um den Kampf für den Erhalt aller Arbeitsplätze zu diskutieren und zu koordinieren. Eine solche Strategie wird entschlossene Streikmaßnahmen und eine branchenübergreifende Solidaritätskampagne der DGB-Gewerkschaften beinhalten müssen.
Harter Kampf und Verstaatlichung unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung notwendig
GenossInnen der SAV nutzten Demonstration und Kundgebung, um sich am Block der LINKEN zu beteiligen und die Zeitung „Solidarität“ zu verkaufen. Statt die Absichten der Konzernbosse von ThyssenKrupp und Tata Steel nur zu kritisieren und sich anschließend von den Managern in Verhandlungen über den Tisch ziehen zu lassen, fordern wir eine entschiedene und kraftvolle Kampfansage an die Unternehmensführung: Keine einzige Stellenstreichung darf akzeptiert werden! Wo die Bosse Jobs vernichten wollen, sollen KollegInnen und Gewerkschaften Einblick in die Geschäftsbücher bekommen. Sind die Bilanzen negativ, sollten Einsparungen nicht bei den KollegInnen, sondern bei den Managern und Aktionären vorgenommen werden: Die Bosse gehören entlassen, ihre Privatvermögen müssen konfisziert und ihre Pensionen gestrichen werden. Die von Jobvernichtung oder Schließung bedrohten Betriebe sollten enteignet und unter demokratische Kontrolle und Verwaltung durch Belegschaften, Gewerkschaften und Regierung gestellt werden. Die ArbeiterInnen selbst wissen am besten, wie die Produktion funktioniert, sie sollten auch darüber entscheiden können. Statt an den Profitinteressen einer reichen Clique von Unternehmern sollte sich die Stahlherstellung am konkreten Bedarf der weiterverarbeitenden Industrien orientieren. Möglich wird das im Rahmen eines von den Belegschaften zusammen mit Gewerkschaften und Regierung ausgearbeiteten gesamtgesellschaftlichen Produktionsplans. Perspektivisch kann nur die Überführung der gesamten Ruhr-Stahlindustrie in öffentliches Eigentum unter Kontrolle und im Interesse der arbeitenden Bevölkerung eine dauerhafte Lösung für die Probleme im Stahlsektor bieten.