Inge Höger, Sprecherin der AKL, ist seit 2005 Mitglied des Bundestags für DIE LINKE und hat dort antikapitalistische Positionen vertreten. Dieses Jahr verlässt sie den Bundestag. Solidarität fragte nach, welche Möglichkeiten und Grenzen es im Parlament für SozialistInnen gibt und was sie der zukünftigen LINKE-Fraktion mit auf den Weg geben möchte.
Nach 12 Jahren wirst du bei den diesjährigen Bundestagswahlen nicht mehr antreten, was sind deiner Meinung nach in dieser Zeit die wichtigsten Erfolge der LINKEN im Bundestag gewesen?
Die wichtigsten Erfolge der LINKEN sind meiner Meinung nach das Aufzeigen von Alternativen in allen Politikfeldern. Es hieß ja immer, es gäbe keine Alternative zur Agenda 2010, zu Rentenkürzungen, Abbau von Gesundheitsleistungen und Hartz-Gesetzen und weltweiten Kriegseinsätzen. Auslandseinsätze der Bundeswehr wurden als humanitäre Einsätze bezeichnet. DIE LINKE hat den Schleier von diesen Nebelkerzen heruntergerissen. Wir haben neoliberale Politik entlarvt und die Forderungen aus den sozialen Bewegungen und Kämpfen in Ausschüssen und Plenardebatten eingebracht und immer Alternativen aufgezeigt. Und noch wichtiger, DIE LINKE hat konsequent zu allen Auslandseinsätzen der Bundeswehr und zu allen Rüstungsbeschaffungen und Waffenexporten NEIN gesagt.
Was ist die Aufgabe von AntikapitalistInnen und SozialistInnen im Parlament? Wie hast du als Bundestagsabgeordnete Parlamentsarbeit mit dem Kampf auf der Straße verbunden?
Ich sehe es als wichtigste Aufgabe von AntikapitalistInnen und SozialistInnen, außerparlamentarischen Kämpfen und Bewegungen eine Stimme im Parlament zu geben. Es ist unsere Aufgabe, die Kämpfe und die Forderungen der Arbeiterklasse und aller von neoliberaler Politik betroffener Menschen in den Bundestag zu tragen. Wir müssen das Parlament als Bühne benutzen für die Forderungen aus den sozialen Bewegungen.
Als Friedens- und Menschenrechtspolitikerin habe ich vor allem auch immer den Kontakt zur Friedensbewegung gehalten, habe an Treffen und Konferenzen und den Demonstrationen und Aktionen für Frieden und Abrüstung teilgenommen. Im Parlament habe ich die Forderungen der Friedens-, Gewerkschafts- und der sozialen Bewegungen eingebracht und mich für diese eingesetzt.
Du bist seit 2009 abrüstungspolitische Sprecherin der Fraktion und Mitglied im Unteraus- schuss für Abrüstung. Welche Möglichkeiten haben Linke in solchen Ausschüssen?
Die Möglichkeiten linker Abgeordneter in solchen Ausschüssen sind durchaus begrenzt. Den anderen Parteien geht es in diesem Ausschuss immer nur um Fragen der Abrüstung von anderen, vor allem nicht befreundeten Ländern, zum Beispiel Russland, Iran oder Nordkorea. Über Aufrüstung und Rüstungsexporte an befreundete Staaten wird lieber nicht geredet und schön gar nicht über Abrüstung in Deutschland. Als LINKE habe ich immer wieder versucht, andere Themen auf die Tagesordnung zu setzen, zum Beispiel die Ächtung von Landminen und Streumunition und auch das Verbot von Investitionen in diese inzwischen verbotenen Waffen. Aber auch Anhörungen zum Einsatz dieser Waffen in immer mehr Kriegen, zum Einsatz von Uranmunition oder zur völkerrechtlichen Bewertung des Einsatzes von bewaffneten Drohnen konnte ich durchsetzen. Auch die Rüstungsexporte habe ich immer wieder zur Sprache gebracht und von der Bundesregierung ein Verbot verlangt.
Was sollte sich deiner Meinung nach in der LINKE-Fraktion ändern, inwiefern sollte sie kämpferischer auftreten?
Die Fraktion DIE LINKE lässt sich viel zu sehr auf die parlamentarischen Abläufe ein. Sie sollte öfter mal wieder im Plenum den Parlamentsbetrieb stören und auf Kriegsverbrechen wie seinerzeit mit der Aktion zum Gedenken an die Opfer der Bombardierung in Kundus oder auch die Wirkungen von Rentenkürzungen und Sozialabbau aufmerksam machen. Die Möglichkeiten gesellschaftliche Missstände anzuprangern sind eher gering, aber die Fraktion sollte dazu übergehen, das Parlament wirklich als Bühne für soziale Kämpfe zu nutzen.
Was denkst du wird in den nächsten Jahren auf die LINKE-Fraktion zukommen? Was würdest du der neuen Fraktion mit auf den Weg geben?
In den nächsten Jahren werden die Anforderungen aus den anderen Parteien an DIE LINKE zunehmen, sich anzupassen und Auslandseinsätze mitzutragen und sich zum Kriegsbündnis NATO und zur neoliberalen EU zu bekennen. Aber auch in der Sozialpolitik werden die neoliberalen Parteien versuchen, DIE LINKE zur Zustimmung von kleinen Reförmchen zu bewegen, um angeblich Schlimmeres abzuwenden. Die anderen Parteien werden versuchen, die einzige Opposition im Bundestag in ihre neoliberale Politik einzubinden und damit unglaubwürdig zu machen.
Ich wünsche mir von der neuen linken Fraktion, dass sie standhaft und glaubwürdig bleibt und sich nicht dem neoliberalen Mainstream anpasst und nur noch parlamentarisch mitspielt. Dazu gehört vor allem, bei den sozialen und gewerkschaftlichen Kämpfen und Aktionen präsent zu sein und die Forderungen aus diesen Kämpfen ins Parlament zu tragen.
Das Interview führte Sarah Moayeri