Zum Stand der Tarifbewegung Entlastung
Seit ungefähr einem Jahr gibt es die Tarifbewegung von ver.di für mehr Krankenhauspersonal. 70.000 Pflegestellen fehlen in Deutschlands Krankenhäusern. Auf 64 Prozent der Stationen sind Pflegekräfte nachts allein auf Station und betreuen im Durchschnitt 26 Patienten. Ein Drittel der KollegInnen sind Burnout-gefährdet.
von Dorit Hollasky, Sprecherin der ver.di-Betriebsgruppe am Klinikum Dresden*
Die bisherigen politischen Bemühungen von ver.di hatten fast keinen Erfolg. Dann erstreikte die kämpferische Betriebsgruppe von ver.di Charite 2015 den ersten Tarifvertrag zur Personalbemessung. Das war der Präzedenzfall, dem die Gewerkschaft nun vorsichtig folgen will.
Was ist schon in Bewegung?
Viele Betriebsgruppen begrüßen die Entscheidung, dass nun endlich Ernst gemacht wird. Als erstes folgte das Saarland, das im November 2016 über zwanzig Kliniken zu Tarifverhandlungen aufrief. Mittlerweile gibt es hier erste Verhandlungsgespräche.
Ende Juli 2017 forderte ver.di in sieben weiteren Bundesländern Klinikleitungen zu Tarifverhandlungen zum Thema Entlastung auf. Hier ist bisher noch keine Verhandlungsbereitschaft erklärt worden. Eventuell sollen deshalb am 19. September Streiks stattfinden.
In vielen Städten gründeten sich regionale Bündnisse, ähnlich dem Berliner Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus: so beispielsweise in Hamburg, im Saarland, in Dresden, in Leipzig, in Freiburg und Südbaden, Tübingen und Bremen.
In Berlin gibt es am 6. September ein Treffen für ver.di-Mitglieder aller Berliner Krankenhäuser. In Mainz findet am 9. September eine gemeinsame Demo und ein Vernetzungsfest von PflegerInnen aus der Altenpflege und den Krankenhäusern des Saarlandes statt.
Was ist aktuell geplant?
In 20 Prozent der Krankenhäuser sind sogenannte „Druckaktionen“ geplant. Die Ideen dazu sind kreativ und vielfältig. So soll am 12. September ein bundesweiter Aktionstag stattfinden unter dem Motto: Händedesinfektion – ohne geht gar nicht, aber was wenn die Zeit fehlt? MitarbeiterInnen desinfizieren sich an diesem Tag die Hände so, wie es die Vorschriften vorsehen – das sind pro Pflegekraft und Schicht in etwa zwei Stunden. Damit kann aufgezeigt werden, dass zu wenig Personal da ist, ohne dass direkt zum Streik aufgerufen wird.
Eine weitere Aktion heißt: „Das Soll ist Voll“. Ein Computerprogramm errechnet ganz leicht, wie viele Vollzeitkräfte auf einer Station nötig wären und bis zu welchem Tag im Monat das vorhandene Personal eigentlich nur reicht. Mit Aushängen, Klammerkarten und ähnlichem wird dieses Datum öffentlich gemacht.
Was müsste passieren, damit die Bewegung zum Erfolg wird?
Trotz der tollen Ideen bleiben Zweifel, ob die Bemühungen erfolgreich sein werden. Viele der Ideen erreichen die Basismitglieder kaum. Um den Kampf erfolgreich zu führen, müsste ver.di deutlich kämpferischer und demokratischer agieren und die Kommunikation vor Ort verbessern:
Die Forderungen müssen so aufgestellt werden, dass möglichst alle am Entscheidungsprozess beteiligt sind, beispielsweise im Rahmen einer bundesweiten Aktivenkonferenz – nur so werden sie auch bereit sein, dafür zu kämpfen.
Es müssten genügend Verantwortliche von ver.di dafür eingesetzt werden, die Organizingarbeit machen, vor Ort informieren und verfügbare AnsprechpartnerInnen sind.
Der mit Worten gut formulierten Entschlossenheit müssen auch Taten folgen, damit die Forderungen ernst genommen werden. Das hat die Charité deutlich bewiesen.
* Angabe der Funktion dient lediglich der Kenntlichmachung der Person