Spannende Debatte über Wirtschaftsperspektiven auf der CWI Sommerschulung in Barcelona
Für MarxistInnen ist eine solide Analyse der wirtschaftlichen Situation von zentraler Bedeutung, hat das doch Auswirkungen auf die politische Lage. Die Krise, die bis heute nicht überwunden ist war daher auch fixer Bestandteil aller Debatten auf der Sommerschulung des CWI in Barcelona bei der hunderte SozialistInnen aus ganz Europa sowie aus Amerika (Nord und Süd), Afrika, Asien und Australien teilnahmen. In einem extra Arbeitskreis der von Eric Byl aus Belgien eingeleitet wurde, ging es um die Krise, die nächste Krise und die Frage von Lösungsansätzen. Die Diskussion beschäftigte sich mit der Phase, in der sich der Kapitalismus sowie seine aktuelle Krise befinden und untersuchte die diversen Rezepte bürgerlicher ÖkonomInnen und PolitikerInnen.
Die Erholung schwächelt und geht Hand in Hand mit wachsenden Unsicherheiten
Vor dem G20 Gipfel in Hamburg hat der IWF ein Dokument veröffentlicht über die Erholung der Weltwirtschaft veröffentlicht: Investitionen, Produktion und der Handel nehmen zu. Allerdings warnt der IWF auch davor, dass es keine strukturelle Erholung ist – was bedeutet, dass sie rasch vorbei sein kann. Während das Wachstum des globalen „BIP“ 2016 noch bei 3,1% lag, geht der IWF für 2017-18 von + 3,5% aus. Doch dieses Wachstum ist nicht nur weit unter dem Vor-Krisenniveau von 5% im Jahr 2006, sondern auch unter dem 4%-Durchschnitt der Jahre 2003-12 (obwohl diese Periode die Krise von 2007-12 beinhaltet).
Nach sieben mageren Jahren soll die globale Produktivität nun von 1,3% (2015-16) auf 1,9% steigen. Auch das liegt stark unter früheren Werten: 1999-2006 lag das Produktivitätswachstum bei durchschnittlich 2,8%, zwischen 2007-14 bei 2,3% und noch im Jahr 2014 bei 2,2%. Hinzu kommt noch, dass auch dieses Wachstum stark zyklisch ist, also im Wesentlichen auf Umstrukturierungen, Übernahmen und Fusionen in Unternehmen besonders in den entwickelten kapitalistischen Ländern, zurückzuführen ist.
Auch andere Kernzahlen zeigen das verlangsamte Wachstum: Die Arbeitsproduktivität in den entwickelten kapitalistischen Ländern wird 2017 voraussichtlich um rund 1% steigen. In der Periode 1999-2016 stieg diese in der Eurozone um durchschnittlich 1,5% und in den USA um 2,9% (und in Japan und Britannien ähnlich stark). Nur in den Schwellenländern ist das Wachstum stärker, liegt aber ebenfalls unter dem langfristigen Trend. Die Prognose für die Schwellenländer ohne China liegt für 2017 bei einem Plus von 3,3%, während dieses 1999-2006 bei 4,9% bzw. 2007-14 bei 5,1% lag. Für China liegen die IWF-Schätzungen (die niedriger sind als die offiziellen chinesischen Zahlen) bei einer Steigerung der Arbeitsproduktivität von nur 4% im Jahr 2017 während dieser Wert 1999-2006 bei durchschnittlich 8,1% bzw. 2007-14 bei 7,8% lag.
Verschuldung steigt stark an – wie schon vor der Krise 2007
Der IWF muss also eingestehen, dass das Wachstum Hand in Hand mit wachsenden Unsicherheiten geht. Dazu gehört das wachsende Verschuldungslevel (privat und öffentlich) von China aber auch international. In den USA z.B. haben sich die Studienkredite seit Mitte 2008 mehr als verdoppelt und die Autodarlehen haben sich seit 2010 fast verdoppelt. Die weltweite Erholung ist auf Pump. Die Verschuldung von Firmen, Privaten und die Öffentlicher Hand liegt bei 217.000 Milliarden Dollar, das ist das rund 3 fache des Weltweiten Outputs. Zum Vergleich: Vor Beginn der Rezession 2007 war es „nur“ das 2 fache!
Die Ursachen der stark wachsenden Verschuldung sind mannigfaltig, liegen aber alle in der strukturellen Krise des Kapitalismus und den verzweifelten Versuchen, darauf zu reagieren. Dazu gehören massive öffentliche Investitionen die getätigt wurden, um den Finanzsektor liquid zu halten. Steigende Sozialausgaben in Folge der wachsenden Arbeitslosigkeit. Eine sehr expansive Geldpolitik mit historisch niedrigen Zinsen und mit quantitativer Lockerung („Quantitative Easing“ bei dem die Zentralbanken Staatsanleihen, Schulden etc. aufkaufen) die von der US-Zentralbank FED initiiert wurde aber dann von der japanischen bzw. englischen Zentralbank übernommen und letztlich auch nach Widerständen von der EZB. Diese Politik hat zwar kurzfristig die Wirtschaft „am Laufen“ gehalten, aber gleichzeitig die Gefahr einer weiteren Finanzkrise vergrößert.
Ein Schuldenabbau wird Konsum, private Investitionen und öffentliche Ausgaben in Dienstleistungen und Infrastruktur für eine ganze Periode massiv bremsen. Die niedrigen Zinsen verdecken diese fundamentale Schwäche nicht nur, sondern heizen riskante Finanztransaktionen weiter an. Die OECD geht davon aus, dass eine wachsende Anzahl von Unternehmen verschwinden wird, sobald eine Normalisierung der Zinsen und ein Ende der öffentlichen „Rettungen“ eintritt. Das ist auch einer der Gründe, warum die Zentralbanken immer weiter Geld ausschütten und nur sehr, sehr vorsichtig beginnen, ihre Geldpolitik zu ändern. Doch die – ohnehin sehr vorsichtige – Anhebung der Leitzinsen durch die FED, die nach wie vor auf einem historischen Tiefstand sind, hat noch andere Folgen. Die FED versucht so auch ihre Bilanzsumme, die von 800 Milliarden Dollar vor der Krise auf heute fast 4.500 Milliarden Dollar angewachsen, ist reduzieren. Aber wenn die FED Wertpapiere und Anleihen, die sie während der Rezession aufgekauft hat, verkauft, wird sie deren Wert reduzieren und damit massive Schäden am Wohnungsmarkt und bei Banken, bei Pensionsfonds und Versicherungen, anrichten. Aber die FED hat keine andere Wahl, wenn sie einen gewissen Spielraum schaffen will, der nötig sein wird, wenn die nächste Krise zuschlägt.
Die nächste Krise kommt bestimmt – es ist keine Frage, ob, sondern nur wann
Und dieser nächste Einbruch kann früher kommen als gedacht. Eine wachsende Anzahl von WirtschaftswissenschaftlerInnen warnt davor, dass die Phase der Expansion in den USA ihren Höhepunkt bereits überschritten hat. Obwohl die Beschäftigung weiter ansteigt, steigt gleichzeitig auch erstmals seit Jahren die Arbeitslosigkeit. Das Durchschnittseinkommen kriecht dahin. Die Profite im Produktionsbereich fallen. Die Aktienpreise stehen in keinem Verhältnis zu den wirtschaftlichen Kennzahlen. Die Hoffnungen, dass die von Trump versprochenen Steuersenkungen und seine Fiskalpläne die Wirtschaft ankurbeln könnten, sind dahin. Und einer Verlangsamung der US-Wirtschaft werden andere folgen. Die Brexitverhandlungen gleichen einem Minenfeld: Die Europäische Kommission muss Großbritannien „bestrafen“ um andere Länder, die über einen Ausstieg nachdenken, abzuschrecken um einen weiteren Zerfall der EU zu verhindern. Großbritannien wird also entweder keinen, oder einen schlechten Deal bekommen der, so meint Martin Wolf von der Financial Times, katastrophale Auswirkungen auf das britische Pfund haben wird, die Inflation anheizt und die Bank of England vor ein Dilemma stellen wird. Ein weiteres Referendum wäre andererseits politisches Dynamit. ÖkonomInnen warnen daher auch davor, dass die Zentralbanken in den nächsten zwei Jahren in einer Sackgasse landen könnten, weil die Rezession just in dem Moment zuschlagen könnte, wenn sie sich von der Politik des billigen Geldes zurückziehen – und sie dann wieder gezwungen sind, die Zinsen zu senken um die Rezession nicht noch zu vertiefen.
Kursänderung bei Geld- und Fiskalpolitik löst auch nichts
Der IWF warnt auch vor den Folgen von Trumps Plänen, die ohnehin schwache Regulierung der Finanzmärkte, die nach dem ersten Krisenhöhepunkt eingeführt wurden, zurückzunehmen. Eigenkapitalquote und Liquidität könnten wieder gesenkt werden, was negative Folgen für die Stabilität der Finanzmärkte hätte. Zusätzlich nämlich zu Auswirkungen der Normalisierung bei der Geldpolitik könnte das zu einer Umkehr der Kapitalflüsse weg von den Schwellenländern und einer Aufwertung des US-Dollars führen. Das wiederrum würde enormen Druck auf jene Schwellenländer erzeugen, deren Währungen an den Dollar gebunden sind und die viele Kredite laufen haben und so ihr schon geschwächtes Wachstum weiter schwächen. Das wiederrum würde nicht nur die wirtschaftliche, sondern auch die politische Instabilität erhöhen.
Protektionismus und Freihandel
Das Gespenst des Protektionismus hängt über der Weltwirtschaft da die Trump-Regierung droht, die Spielregeln im Welthandel zu ändern und den Handel erschweren will. Das ist eine der Hauptsorgen des IWF. Jobs, Einkommensgerechtigkeit oder Wohlstand werden Protektionismus und wirtschaftlicher Nationalismus nicht bringen, doch das viele Menschen Hoffnungen in solche Maßnahmen haben ist die Folge davon, dass Freihandel und Globalisierung trotz aller Versprechungen den Lebensstandard der großen Mehrheit der Menschen nicht erhöht haben. Von einem kapitalistischen Standpunkt aus würde Protektionismus – gerade angesichts der wirtschaftlichen Verflechtungen und der internationalen Arbeitsteilung – die existierenden Probleme nur vergrößern. Vom Standpunkt der Arbeiterklasse aus ist es zwar richtig, gegen die Diktate der internationalen Institutionen des Kapitals zu sein, aber Protektionismus und Standortlogik sind konterproduktiv, rückwärtsgewandt und führen zu Spaltung – und all das schwächt die Arbeiterklasse.
Die Krise des Kapitalismus führt auch zur Krise der bürgerlichen Demokratie
Mit der Krise des Kapitalismus einher geht auch eine Krise der bürgerlichen Demokratie und ihrer Parteien. Stabile Regierungen gibt es kaum noch, das Vertrauen in Parteien und PolitikerInnen schwindet, die Wahlbeteiligung ist oft niedrig. All das ist auch Ausdruck der Unfähigkeit des Kapitals, die anstehenden Probleme zu lösen. Weil die Krise keine konjunkturelle, sondern eine strukturelle ist nützen auch die diversen Maßnahmen kaum, bzw. bestenfalls vorübergehend etwas. Den führenden KapitalistInnen und ihren politischen PartnerInnen ist klar, dass die zunehmende soziale Unsicherheit und Ungleichheit sozialen Sprengstoff bergen. Ausdruck der Krise ist auch, dass in der herrschenden Klasse sehr unterschiedliche Ideen darüber existieren, wie mit der Situation umzugehen ist. Obwohl eine neue Krise bereits am Horizont zu erkennen ist, ist das Kapital heute noch uneiniger als am Beginn der Krise von 2007/8 darüber, wie gegenzusteuern ist und noch viel weniger bereit, an einem Strang zu ziehen, also gemeinsam Maßnahmen zu setzen. Das liegt auch daran, dass schon alle verschiedenen „Lösungen“ ausprobiert wurden – und sich alle als weitgehend wirkungslos gezeigt haben eben weil es sich um eine strukturelle Krise des Kapitalismus handelt. Bei internationalen Gipfeln wie dem G20 gibt es immer weniger Ergebnisse. Ein Teil der ÖkonomInnen vertritt die Idee des „Helikoptergeldes“. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass es das tatsächlich geben wird, aber selbst wenn, hätte es nur kurzfristige Auswirkungen und könnte die Tatsache, dass in den letzten zwei Jahrzehnten der Anteil der Löhne und Gehälter am Volkseinkommen gesunken ist, nicht wett machen. Selbst EZB-Chef Draghi muss zugeben, dass der Zuwachs an Jobs in Europa v.a. schlecht bezahlte, kurzzeitige und Teilzeitjobs sind. „Du studierst heute drei bis vier Jahre länger als dein Vater und verdienst weniger Geld als er“ bemerkte ein italienischer Wirtschaftsethnologe. Laut ÖkonomInnen der EZB sind in der Eurozone 18% unterbeschäftigt, das sind fast doppelt so viele wie die offizielle Arbeitslosenrate. All das untergräbt die soziale Basis des Kapitalismus, auch in den Mittelschichten.
Der IWF erkennt, dass der Klimawandel ein zentraler Faktor für Epidemien, Naturkatastrophen, Hunger, bewaffnete Konflikte und Flucht ist, Entwicklungen die sich auch negativ auf die Wirtschaft auswirken. Doch die Klimagipfel bleiben weitgehend zahnlos und auch in der Flüchtlingsfrage wird viel gehetzt und gefordert, aber nichts gelöst. Früher waren billiges Öl und fallende Rohstoffpreise ein Bonus für den Kapitalismus, aber heute wird eine solche Entwicklung als zentraler Faktor für die Destabilisierung gesehen, und zwar nicht nur für jene Staaten, die Rohstoffe exportieren. Das Phänomen, dass jede Maßnahme, die ergriffen wird nur dazu führt, die Krise weiter zu verschärfen ist charakteristisch für ein System, dass seine Fähigkeit, die Gesellschaft weiter zu bringen, ausgeschöpft hat und zum Hindernis für die Entwicklung wird.
Der Nachkriegsaufschwung war das Ergebnis einer einzigartigen und nicht wiederholbaren historischen Situation
Wenn manche auf der Linken sagen, es müsse nicht so sein, es ist eine politische Entscheidung, dann ist das nur beschränkt richtig. Es ist nicht möglich, in den Zustand des Nachkriegsaufschwungs zurück zu kommen, weil das eine einzigartige Situation war, die durch den 2. Weltkrieg und seinen Ausgang geschaffen wurde: die Koexistenz zweier widersprüchlicher Systeme und die Angst vor der Arbeiterbewegung in Westeuropa zwang den Imperialismus zu weitreichenden sozialen Zugeständnissen wie Verstaatlichungen, Kollektivverträge und Sozialstaaten.
Der US-Imperialismus war gestärkt aus dem Krieg hervor gegangen, auch weil es nicht solche Zerstörungen von Infrastruktur und Produktionsstätten gegeben hatte wie bei den Konkurrenzstaaten in Europa. So wurde der Dollar zur internationalen Leitwährung und ab 1947 wurden im Abtausch für den Marshall-Plan unter dem Handelsabkommen GATT, dem Vorläufer der WTO, die Zollbarrieren abgebaut. Der Kalte Krieg pumpte öffentliche Gelder in die Wirtschaft und befeuerte so die Auswirkungen und Umsetzung jener Technologien, die zwar vor dem Krieg bereits existiert hatten, die aber erst im Zuge des Wiederaufbaus wirklich zum Einsatz und zur Entfaltung kamen.
In der Periode von 1950 bis 1975 lag das Wachstum in den entwickelten kapitalistischen Ländern im Durchschnitt bei 4,9%. In diesen 25 Jahren wurde mehr produziert, als in den 75 Jahren zuvor. Die Reallöhne stiegen in den entwickelten kapitalistischen Staaten zwischen 1965 und 1973 um jährlich 3,5% und damit stärker als das Wachstum der Produktivität von 3,2%. Die Löhne in Belgien z.B. verfünffachten sich in nur 10 Jahren. Das durchschnittliche Arbeitslosengeld in den OECD Staaten stieg von 28% des Durchschnittslohns im Jahr 1960 auf 35% 1974 und 43% im Jahr 1979. Die Lohnerhöhungen und die öffentlichen Ausgaben in den Ausbau des Sozialstaates sowie in Infrastruktur waren die treibende Kraft bei der Einführung neuer Technologie die auf Massenproduktion abzielte. Die Einkommensschere war historisch niedrig. Doch dieser Prozess war nicht das Ergebnis von schlauen Überlegungen, sondern wurzelten in einer sehr speziellen objektiven Situation, die sich aus und nach dem 2. Weltkrieg ergeben hatte.
Auch Kredite können die Grundwidersprüche des Kapitalismus nicht überwinden
Die Ausdehnung des Kreditwesens und der Freihandel, die das Wachstum angeheizt hatten und so die Illusion erzeugten, der Kapitalismus hätte seine Wiedersprüche überwunden, mussten dennoch unausweichlich an die Grenzen eben dieses Kapitalismus stoßen. Die Entwicklungen auf dem Feld der Wissenschaft und der Technik haben längst die Beschränkungen des Privatbesitzes an Produktionsmitteln und der Existenz von Nationalstaaten überwunden. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse brauchen den freien Austausch von Wissen und brauchen Investitionen. Doch das stößt an die Grenzen, die durch Konkurrenz und privaten Besitz aufgestellt werden. Um es mit den Worten von Marx zu sagen: die Bevorzugung von konstantem Kapital gegenüber variablem Kapital, also der Arbeitskraft die allein in der Lage ist, Mehrwert zu produzieren, untergräbt die Profitrate die die Tendenz hat zu fallen. Diesen Prozess versuchten die KapitalistInnen durch neoliberale Angriffe auf Löhne und Sozialleistungen aufzuhalten bzw. umzukehren.
Die KapitalistInnen beziehen ihre Profite aus der unbezahlten Arbeit, also dem Mehrwert der von den ArbeiterInnen produziert wird. Die ArbeiterInnen können die von ihnen erzeugten Werte daher nicht in vollem Umfang kaufen und die KapitalistInnen sind einfach zu wenige, um all das Produzierte zu kaufen (mal abgesehen davon, ob sie den Ramsch, den wir für sie produzieren müssen, überhaupt wollen). Diese Lücke wurde teilweise durch Kredite geschlossen, die uns ermöglichen, Geld auszugeben, dass wir morgen erst verdienen müssen. Wie weit das gehen kann zeigt der riesige Berg von Schulden, die die privaten Haushalte angehäuft haben. Doch hier wird wieder einmal deutlich: wenn deine Schulden klein sind, hast du Probleme, wenn deine Schulden aber sehr hoch sind, dann hat die Bank bzw. der Staat Probleme.
Die Restauration des Kapitalismus in Ostereuropa haben Krise verzögert, nicht verhindert
Die Widersprüche im Kapitalismus spitzen sich über die 1970er und 80er Jahre immer weiter zu. Der Zusammenbruch der stalinistischen Staaten und die Öffnung dieser Wirtschaften für den Kapitalismus wurden zu einem vorübergehenden Rettungsanker für das Kapital. Neue Märkte um die Überproduktion los zu werden, neue Investitionsfelder, um das angehäufte Kapital zu investieren, neue, billige Arbeitskräfte um die Produktionskosten zu senken. Doch an den kapitalistischen Widersprüchen änderte das nichts – die Krise wurde nicht verhindert, sondern nur verschoben.
Überall regt sich Widerstand
Eine wachsende Schicht von ArbeiterInnen und Jugendlichen sehnen sich nach Veränderung und haben jede Hoffnung verloren, dass das durch die traditionellen Parteien und/oder PolitikerInnen geschehen kann. Verzerrt aber doch drückt sich das in den Wahlerfolgen von rechten PopulistInnen aus. Aber wir sehen auch ein wachsendes Interesse an linken Ideen dass sich anfangs aber v.a. auf der Wahlebene ausdrückt und noch nicht in Aktivität. Doch in der Kampagne von Sanders, bei Podemos, bei der Präsidentschaftskampagne von Mélenchon und auch bei den britischen Wahlen haben wir auch die Zunahme von aktiver Beteiligung gesehen. Und dieser Trend wird sich nicht nur in Europa und den USA intensivieren, sondern wird den unterbrochenen Prozess in Lateinamerika neu beleben und auch die Massen in Asien und Afrika infizieren. Dass Level von Klassenkämpfen ist in verschiedenen Teilen der Welt in unterschiedlichen Phasen. Doch auch in der schwierigsten Region, im Nahen und Mittleren Osten und in Nordafrika sehen wir nach dem Scheitern des arabischen Frühlings neue Bewegungen, es gibt soziale Proteste in Tunesien, in Marokko und anderen Ländern.
Diese Entwicklung ist noch verwirrt und sicher gibt es noch kein klares sozialistisches Bewusstsein, aber die ArbeiterInnenklasse betritt die Bühne des Geschehens wieder. Gerade weil das Bewusstsein zurückgeworfen ist, ist es notwendig, sozialistische Ideen geduldig zu erklären und auch Teil von Bewegungen zu sein, die „nur“ fortschrittlich sind. Socialist Alternative (CWI in den USA) waren Teil der Kampagne rund um Sanders und sind so in einen Dialog mit den AktivistInnen getreten die oft das erste Mal politisch aktiv geworden sind und haben für ein sozialistisches Programm und eine unabhängige Kandidatur von Sanders argumentiert.
Reformistische Vorschläge zur Krisenbewältigung
Es ist nichts falsches daran, konkrete Maßnahmen zu fordern wie eine allgemeine Gesundheitsvorsorge wie sie Sanders fordert, oder die Abschaffung der Studiengebühren die Corbyn ankündigt oder Beschränkung der Einkommensunterschiede von 1:20 wie Mélenchon es vorschlägt oder eine Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden wie sie die belgische PTB fordert oder die Kampagne für einen Mindestlohn von 15 Dollar in den USA oder gegen die Wassersteuer in Irland. Solche Kampagnen sind wichtige Plattformen um breitere Schichten zu erreichen – doch sie dürfen kein Ersatz für ein sozialistisches Programm sein sondern müssen ein Schritt sein, um Menschen zur Aktivität zu gewinnen und um das Bewusstsein zu entwickeln.
Mélenchons Pläne zur Ankurbelung der Wirtschaft und zur Schaffung von Jobs wurden breiter diskutiert. Er fordert ökologisch und sozial sinnvolle Investitionen und schlägt die Schaffung von öffentlichen Unternehmen für Energie und Transport vor und dass 200.000 neue, ökologische Wohnungen in den nächsten fünf Jahren gebaut werden sollen. Corbyn geht in seinem Wahlmanifest noch weiter und schlägt die Verstaatlichung des Energie- und Wasserwesens sowie der Eisenbahnen vor.
Doch wie wollen Corbyn, Mélenchon oder die PTB ihre Pläne bezahlen? Im Wesentlichen planen sie dazu eine Reihe von Fiskalmaßnahmen. Mélenchon will ein progressives Steuersystem mit 14 Steuerstufen einführen und spricht von einer Fiskalrevolution. Außerdem hofft er auf zusätzliche Einnahmen in Folge der Belebung durch höhere öffentliche Ausgaben. Corbyn will 50 Milliarden Pfund zusätzlich einnehmen durch höhere Unternehmenssteuern, steigende Steuern bei höheren Einkommen, eine Reichensteuer und durch Kampf gegen Steuerbetrug. Die PTB schlägt eine Reichensteuer von 1% für Vermögen von mehr als einer Million Euro vor (wobei ein Haus bis zu einem Wert von 500.000.- ausgenommen ist), 2% für über zwei Millionen, und 3% für über drei Millionen. PTB-Vorsitzender Peter Mertens behauptet sogar, dass eine internationale Millionärssteuer die Armut weltweit ausrotten könnte. Die PTB leugnet, dass eine solche Steuer zu Kapitalflucht führen könnte.
Die Grenzen von Maßnahmen im Rahmen des Kapitalismus
Natürlich sind SozialistInnen und die Mehrheit der ArbeiterInnen und Jugendlichen für eine „Fiskalrevolution“. Doch wir müssen auch die Lehren aus der Geschichte ziehen. 1980 führte der damalige linke französische Präsident Mitterand die Verstaatlichung eines Teils der Wirtschaft durch. Industriebetriebe, Banken und andere Finanzinstitutionen, die insgesamt für rund 3% des BIP verantwortlich waren, wurden in staatliches Eigentum überführt dass danach bei 8% lag. Die Mindestpension, Kindergeld und der Mindestlohn wurden angehoben, der Urlaubsanspruch von vier auf fünf Wochen erhöht und die Arbeitszeit von 40 auf 39 Stunden pro Woche gesenkt. Gute Maßnahmen im Interesse der ArbeiterInnenklasse die zehntausende Jobs im öffentlichen Dienst schufen. Aber Mitterand lies die Schaltstellen der Wirtschaft in privaten Händen und sah sich rasch mit Kapitalflucht und einem Investitionsstreik des Kapitals konfrontiert – und das vor dem Hintergrund eines neuen Ölschocks und einer internationalen Rezession. Die Inflation stieg auf über 10%, die Arbeitslosigkeit legte zu und ab 1983 wurde neoliberale Politik umgesetzt.
Zu Beginn setzte die Regierung von Tsipras einige positive Maßnahmen wie die Erhöhung des Mindestlohnes, die Wiedereinführung des 13. Gehaltes für RentnerInnen, einen Stopp beim Stellenabbau im Öffentlichen Dienst und bei der Privatisierung der Energieunternehmen. Aber die Troika war zu keinen Zugeständnissen bereit und so war klar, dass die griechische Regierung sich zwischen zwei Wegen entscheiden muss: entweder muss sie weitergehende Maßnahmen setzen, den gesamten Finanzsektor verstaatlichen sowie die Schlüsselsektoren der Wirtschaft, ein Monopol auf den Außenhandel einführen und an die europäische Arbeiterbewegung appellieren gemeinsam gegen die Kürzungspolitik des europäischen Establishments zu mobilisieren. Oder die Regierung gibt klein bei und führt die Maßnahmen der vorherigen Regierungen weiter. Tsipras spielte auf Zeit und verordnete per Dekret, das alle 1.500 öffentliche Institutionen und Firmen all ihre Reserven an die Zentralbank überweisen müssen um kurzfristig zahlungsfähig zu sein. Das löste eine Panikreaktion aus, die Banken wurden gestürmt und Griechenland stand vor dem Bankrott. Syriza setzte nicht auf die Mobilisierung der Massen, obwohl hunderttausende während der Referendumskampagen aktiv waren und dieser zu einem überragendem Nein (Oxi) gegen die Troika verhalfen. Aber Tsipras nutzte die Chance nicht, um in die Offensive zu gehen sondern ging vor der Troika in die Knie. Der Verrat, wie ihn Tsipras betrieben hat, ist ein organischer Bestandteil reformistischer Politik. Auch in Lateinamerika sind linke Regierungen gescheitert, weil sie den Kapitalismus nicht fundamental angreifen wollten sondern hofften nationale Nischen zu finden. Wann und in welcher Form er kommt hängt von verschiedenen Faktoren ab, insbesondere vom Kräfteverhältnis der Klassen, der Aktivität der Arbeiterklasse, dem breiterem gesellschaftlichem und wirtschaftlichem Rahmen und der Existenz einer linken Alternative, einer revolutionären Kraft.
Wie wären die Perspektiven für eine Regierung unter Corbyn? Wie würde das Kapital auf Reformen reagieren, wie schnell würde insbesondere das Finanzkapital reagieren und so eine Atmosphäre von Krise erzeugen? Und wie weit würde das Kapital gehen, um eine solche Regierung zu stürzen – in Chile 1973 schreckte man auch nicht vor einem blutigen Putsch zurück. Wie fest eine solche Regierung im Sattel sitzen würde und wie sie sich gegen solche Angriffe des Kapitals wehren würde (oder zurück rudern würde) hängt auch davon ab, ob die Regierung nur durch Wahlen oder auch auf einer Welle von Klassenkämpfen an die Macht kommt die der Arbeiterklasse Selbstbewusstsein über die eigene Stärke gibt.
Trotzki schreibt bezüglich Frankreich 1934-36 dass in einer Periode von tiefer Krise Reformen nur rein Nebenprodukt des revolutionären Kampfes sein können. Die heutige Situation hat weit mehr Gemeinsamkeiten mit dieser Periode als mit jener des Nachkriegsaufschwunges. Viele der Vorschläge, die von Formationen und Personen wie Corbyn, Podemos & Co. kommen sind es wert, dafür zu kämpfen. Doch dieser Kampf muss mit der Erklärung und dem Verständnis über die Grenzen im Kapitalismus und die Notwendigkeit, den Kapitalismus zu überwinden verbunden sein, wenn wir weitere katastrophale Niederlagen wie jene unter Tsipras in Griechenland vermeiden wollen. Die neuen Arbeiterparteien, die so dringend nötig sind, brauchen ein sozialistisches Programm und müssen über die engen Grenzen kapitalistischer Logik hinaus denken. Sie können nur dann zu wirklichen Instrumenten für die ArbeiterInnenklasse werden, wenn die Überwindung des Kapitalismus als Ziel und Perspektive zentraler Bestandteil dieser Formationen ist.