Kommentar zur Insolvenz der Berliner Airline und dem Volksentscheid Tegel
Mitten im Wahlkampf meldet die Berliner Fluggesellschaft Air Berlin Insolvenz an und kann nur durch einen Kredit der Bundesregierung weitermachen. UrlauberInnen haben Angst um ihre Flüge und Beschäftigte Angst um ihren Job. Flugverkehr und Flughäfen sind auch durch den Volksentscheid zur Offenhaltung des Flughafen Tegels Thema im Berliner Bundestagswahlkampf. Welche Position sollten Linke dazu einnehmen?
von Michael Koschitzki, Berlin
Noch im Juni wurde von Air Berlin das Blaue vom Himmel versprochen. Die Finanzierung durch Ethihad sei bis zum Herbst 2018 gesichert und man würde bald wieder in die Gewinnzone kommen.
Doch derjenige, der diese Versprechen gab, schien selbst nicht so dran zu glauben. Deshalb sicherte sich der neue CEO Winkelmann nochmal extra ab: Seine Bezüge von bis zu 4,5 Millionen Euro, die er bis 2021 erhalten könnte, wurden per extra Beschluss der Anteilseigner durch eine Bankeinlage gesichert. So käme er auch im Falle einer Insolvenz an sein Geld. Für die Beschäftigten dagegen gab es solche Absicherungen nicht.
Insolvenz und Staatshilfen
Doch Air Berlin kam in der Konkurrenz der großen Airlines und Billigflieger auf keinen grünen Zweig. Was den Geldgeber Ethihad – ein Staatsunternehmen der Vereinigten Arabischen Emirate – veranlasste im Wahlkampf den Geldhahn zuzudrehen, bleibt Spekulation. Air Berlin trat in Kontakt mit der Bundesregierung und erhielt einen Kredit von 150 Millionen Euro über drei Monate.
Während es vorgeblich um die Interessen der UrlauberInnen ging, hat die Staatshilfe auch den Effekt das Unternehmen fit für den Weiterverkauf zu halten, damit private Unternehmen daran verdienen können. Es gibt mittlerweile wohl zehn Kaufinteressenten. Vor allem die Lufthansa steht bereits in den Startlöchern, Air Berlin ganz oder teilweise zu übernehmen. Der Bundesregierung wird sogar Vorteilnahme für sie vorgeworfen. Trotzdem weiß keiner, ob die Bundesregierung das Geld je wiedersieht. Wäre das Geld direkt an die 8.000 Beschäftigten gegangen, wären es 18.000 Euro pro MitarbeiterIn gewesen. Oder wäre das Geld direkt an die Fluggäste gegangen, wären es 1.800 Euro gewesen, um sich davon einen anderen Rückflug zu kaufen.
Erhalt aller Arbeitsplätze
Statt mit Staatskrediten private Firmen zu unterstützen, sollte Air Berlin enteignet, unter demokratische Kontrolle und Verwaltung gestellt und Arbeitsplätze zu jetzigen Bedingungen erhalten werden.
Die Gewerkschaft ver.di geht davon aus, dass es für PilotInnen und Bordcrews eine Weiterbeschäftigung geben wird, da das Flugaufkommen durch die Insolvenz nicht sinken wird. Doch es stellt sich die Frage nach welchen Bedingungen!? Im Falle einer Übernahme durch Lufthansa werden sie voraussichtlich nicht nach dem Tarif der Lufthansa sondern nach der Billigtochter Eurowings bezahlt werden, eine Folge des nicht verhinderten Lohndumpings durch Tochtergesellschaften. Ein Pilot verdient dort beispielsweise circa 12.000 Euro weniger im Jahr. Die Schlichtung bei Eurowings ist gerade gescheitert und Ufo droht mit Streik. In einer Mitteilung heißt es: „Der Lufthansa-Konzern kann durch die Insolvenz der Air Berlin an billige Flugzeuge kommen und muss weder Personal, noch dessen Tarifverträge übernehmen.“
Größte Sorge bereitet der Gewerkschaft ver.di laut Aussage von Christine Behle aus dem Bundesvorstand die Lage der 1.200 Beschäftigten in der Berliner Verwaltung und den 700 Beschäftigten der Technik. Insgesamt arbeiten 2.500 Beschäftigte am Standort Berlin. Behle sagte zu den Verhandlungen „Wir wollen mitgestalten“ und fordert einen Sozialtarifvertrag. Doch nicht um die Mitgestaltung des Abbaus sondern um den Erhalt aller Arbeitsplätze muss es gehen!
Ein Erhalt aller Arbeitsplätze zu gleichen Bedingungen ist mit der richtigen Planung möglich, vor allem vor dem Hintergrund der derzeitigen Zunahme von Flugverkehr und Passagierzahlen. Doch auch mit Reduzierung von Flugverkehr könnten Arbeitsplätze in staatlicher Hand erhalten werden. Ersatzarbeitsplätze gerade in der Berliner Verwaltung und anderen Bereichen der Öffentlichen Verkehrstechnik wären umsetzbar und teilweise dringend nötig.
Stoppt die Zunahme von Flugverkehr
Die Privatisierung und Privatisierungsbestrebungen bei Airlines und Bahn sowie der Abbau des Schienenverkehrs und Steuervorteile für Flughäfen und Kerosin haben zu einem enormen Ausbau des Flugverkehrs geführt. Flugverkehr ist für fünf Prozent der globalen Erwärmung verantwortlich. Ein Luftverkehrskilometer produziert pro Person zwanzig mal so viel CO2 wie ein Bahnkilometer. Aus ökologischer und gesundheitlicher Sicht muss das Wachstum des Flugverkehrs gebremst und Flugverkehr insgesamt so schnell wie möglich reduziert werden.
Laut einem gemeinsamen Papier zahlreicher Umwelt NGO’s und dem Verkehrsclub Deutschlands könnten 150.000 innerdeutsche und grenzüberschreitende Flüge sofort und 200.000 mittelfristig auf die Schiene verlagert werden. Sie fordern auch die Subventionen wie Steuerfreiheit für Kerosin und Mehrwertsteuerfreiheit von internationalen Tickets abzuschaffen. Die Luftverkehrsabgabe ist auf eine Milliarde Euro begrenzt, während die Subventionen rund zehn Mrd. Euro ausmachen. Auf ein Bahnticket zahlt man immer noch Ökosteuer während sie beim Fliegen nicht anfällt. Vor allem braucht es aber attraktive Alternativen zu Flugzeug und Auto durch Schaffung und Ausbau eines kostenlosen Nahverkehrs und günstigen Schienenverkehrs.
In der Debatte um die Zunahme von Flugverkehr wird oft so getan, als ging es nur um den Luxus von uns, in den Urlaub fliegen zu wollen. Als Linke wollen wir niemandem in der Mobilität einschränken, Urlaube verbieten oder Leuten vorschlagen mit dem Ruderboot nach Mallorca zu fahren.
Ein wesentlicher Teil des Flugverkehrs besteht aber nicht aus Urlaubsflügen. Rund ein Drittel aller Personenflüge sind Geschäftsreisen. Neben dem Personenverkehr ist die Luftfracht dramatisch gewachsen. Pro Jahr werden 4,5 Millionen Tonnen Luftfracht umgesetzt. 1997 waren es noch zwei Millionen Tonnen. Aber auch bei Privatflügen gehören Pendler oder berufsbedingte Arbeits- und Heimatflüge dazu. Die Zunahme des Flugverkehr ist auch ein Produkt neoliberalen Welthandels und internationaler Arbeitsteilung, die sich vor allem aus Lohndrückerei und weltweiter Ausbeutung entwickelt. Eine sozialistische Wirtschaft würde wohnortsnahe Arbeitsplätze möglich machen und Wirtschaftskreisläufe soweit wie möglich regionalisieren, um Umweltbelastung und Ressourcenverbrauch gering zu halten. Durch eine sozialistische Planwirtschaft wäre eine Reduzierung von Flugverkehr möglich, ohne Menschen die Möglichkeit zu nehmen, andere Länder zu besuchen oder zu reisen.
Volksentscheid Tegel
Die Angst vor Kapazitätsengpässen des Berliner Flughafens BER ist eins der Hauptargumente der BefürworterInnen des Volksentscheids für die Offenhaltung des Flughafen Tegel. Der Volksentscheid wurde vor allem von der Berliner FDP mit Unterstützung der Firmen SIXT und Ryanair initiiert und wird gleichzeitig mit der Bundestagswahl am 24. September in Berlin stattfinden. Es handelt sich um eine nicht rechtsverbindliche Willensbekundung darüber, ob Tegel über die Eröffnung des Flughafens BER (sollte sie jemals kommen) weiter bestehen soll. Bisher ist geplant, ihn zu schließen und dort die Beuth Hochschule anzusiedeln, Wohnungen zu bauen und einen Park entstehen zu lassen.
Desasterflughafen BER
In diesem Volksentscheid wird sich auch der Unmut über das Flughafendesaster des BER ausdrücken, weshalb droht, dass die Initiatoren ihn gewinnen werden. Der Flughafen sollte im Oktober 2011 starten. Doch Probleme am Bau verzögern den Start bis heute. Ob er 2019 oder 2020 kommt ist ungewiss. Kostenschätzungen gehen derzeit von 6,5 Milliarden Euro aus, es könnte aber am Ende noch viel mehr werden. Die Bauprobleme sind auch Resultat einer neoliberalen Vergabelogik. Statt eines Bauherren gab es über 50 Hauptauftragnehmer mit 1500 Sub- und Nachunternehmen, mit 100.000 Ausführungsplänen und 20.000 Werk- und Montageplänen. Und jede Menge Firmen haben kräftig kassiert, auch durch die Verzögerungen. Bekannt wurde die Firma Imtech, die auch mal mit 150.000 Euro Bestechung auf einer Autobahnraststätte arbeitete und einen Ruf hat, durch Verzögerungen wie an der BND Zentrale jede Menge Geld zu verdienen. Zur Rechenschaft gezogen wurde bislang nicht wirklich jemand und zahlen tun wir über öffentliche Mittel, die bei Krankenhäusern und anderen Einrichtungen fehlen.
Protest und Alternativen
Der Fluglärm macht Probleme in der Stadt. Lärmschutzmaßnahmen wurden in vielen Regionen nicht ausreichend umgesetzt. Deshalb protestierten auch immer wieder tausende AnwohnerInnen gegen geplante Flugrouten, leider auch mit dem Hintergrund, dass BewohnerInnen aus dem ehemaligen Osten und dem ehemaligen Westen der Stadt getrennt auf die Straße gingen und vor allem forderten, dass die Flugzeuge nicht über ihren Häusern fliegen. Sie befürworteten mehrheitlich Flugverkehr und einen neuen Flughafen, weshalb die Bewegung keine Perspektive aufzeigen konnte. Zumindest gemeinsam hatten sie die Forderung nach einem Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr. Im Koalitionsvertrag von Rot-Rot-Grün wird jetzt lediglich festgehalten, Gespräche mit dem Ziel zu führen, regelmäßig Lärmpausen von sieben Stunden zu haben.
Da auch die Berliner LINKE an der Regierung von 2001 bis 2011 den BER mit umgesetzt hat, gibt es von ihr kaum Kritik daran zu hören. Die Vorläuferpartei WASG Berlin forderte dagegen zum Beispiel bei der Wahl 2006 den Stopp vom Ausbau des BER und die Errichtung des Flughafens in Sperenberg. Dort hätte ein alter Sowjetflughafen ausgebaut werden können, der in dünnbesiedeltem Gebiet eine ausgezeichnete Eignung gehabt hätte, weil die Lärmbelästigung wenige Menschen getroffen hätte. Es gab in der Diskussion auch andere Konzepte, die eine Rückführung des Flugverkehrs, Zubringung zu interkontinentalen Flügen zu großen Drehkreuzen und stufenweise Schließung von Flughäfen vorsahen. Doch da es leider nicht um gesamtgesellschaftliche Verkehrsplanung sondern um Konkurrenz und Standorte ging, wurde sich für den BER in Schönefeld entschieden. Der Standort Sperenberg wäre in der Logik zu weit weg gewesen und in Konkurrenz mit Leipzig getreten. Von einem Großflughafen wurde sich Wachstum und Einnahmen versprochen. Ökologische Aspekte wurden nicht mitgedacht.
Die Berliner Regierung erhoffte sich, den Flughafen als neues Drehkreuz ausbauen zu können und über den Flughafen Gelder einzunehmen. Eine Hoffnung, die nach Einschätzung des VCD sich an vielen Standorten enttäuschte. Stattdessen wird für die massiven Kosten draufgezahlt. Mit der Pleite von Air Berlin trüben sich auch die Pläne ein, aus dem BER ein Drehkreuz zu machen.
Tegel offen halten?
Die Befürworter der Offenhaltung von Tegel argumentieren mit den Kapazitäten und Zufahrtswegen und wollen beispielsweise den Regierungsverkehr dort behalten. Sie erwarten einen Anstieg der Passagierzahlen von jetzt 32 Millionen im Jahr auf 60 Millionen im Jahr 2030. Doch das Ziel darf nicht ein weiterer Anstieg von Flugverkehr sein, sondern eine Reduzierung.
Der Fluglärm in Tegel betrifft 300.000 BerlinerInnen (davon 134.000 mit über 60 Dezibel). Fluglärm macht nachgewiesen krank. Ein Flughafen in einer Innenstadt ist außerdem gefährlich. Die Berliner Regierung argumentiert mit den Wohnungen, die dort entstehen sollen, davon 1.500 Sozialwohnungen. Wie teuer sie sind, muss sich jedoch noch zeigen. Für viele besteht das Gefühl, nicht entscheiden zu können, was dort auf dem Flughafen passiert – vor allem ein paar Bauunternehmen lecken sich schon die Finger. Der Kampf muss bis zur Schließung von Tegel noch geführt werden, wer wie darüber entscheidet, was dort passiert und was zu welchem Preis gebaut wird.
Am 24. September rufen wir dazu beim Volksentscheid Tegel trotz BER Desaster mit Nein zu stimmen. Nur das wäre eine Stimme für eine Abkehr von Flugverkehr und gegen die Verkehrspolitik der Bundesregierung. Gleichzeitig setzen wir uns für den Erhalt aller Arbeitsplätze bei Air Berlin ein und rufen auf, mit uns den Kampf gegen Umweltzerstörung und für einen günstigen, umweltverträglichen Verkehr aufzunehmen.