Deutschland vor den Wahlen
Drei Monate vor den Bundestagswahlen sieht alles danach aus, dass Angela Merkel Bundeskanzlerin bleiben wird. Der so genannte Schulz-Zug, der nach der Inthronisierung des früheren Präsidenten des Europaparlaments zum SPD-Vorsitzenden und -Spitzenkandidaten enorm Fahrt aufgenommen hatte, ist mit voller Fahrt entgleist. Die CDU hat alle drei Landtagswahlen in diesem Jahr für sich entscheiden können. Die FDP ist zurück und liegt in Umfragen bei bis zu x Prozent, während die Grünen massiv an Unterstützung verlieren. Vieles spricht dafür, dass Merkel nach den Wahlen mehrere Koalitionsoptionen haben wird.
Von Sascha Staničić
Die massive politische Destabilisierung und Polarisierung, die sich mit dem Aufstieg der AfD und der so genannten Flüchtlingskrise entwickelt hatte, scheint deutlich zurück gegangen zu sein. Wie ist das zu erklären und welche Nachhaltigkeit hat diese Entwicklung?
It’s the economy, stupid!
Alle Umfragen weisen darauf hin, dass ein großer Teil der Bevölkerung sowohl die eigene, als auch die gesamtwirtschaftliche Lage als positiv einschätzt. Gleichzeitig sind Zukunftsängste verbreitet. Hintergrund ist, dass die Bundesrepublik sich im achten Jahr von Wirtschaftswachstum befindet, nachdem die Weltwirtschaftskrise 2008/09 zu einem drastischen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts geführt hatte. Die deutsche Wirtschaft ist Krisengewinnerin. Sie hat mittels eines aggressiven Konkurrenzkampfes die Exporte weiter gesteigert und die Krisenfolgen auf andere Länder abgeschoben, nicht zuletzt durch das Aufzwingen von Austeritätspolitik auf andere Staaten in der Europäischen Union. Das Wachstum ist zwar schwach, aber angesichts der weltweiten Krisenprozesse sticht die Bundesrepublik im internationalen Vergleich hervor. Die Zahl der abhängig Beschäftigten liegt auf einem Rekordhoch und die Erwerbslosenzahlen sind, selbst wenn man die realen Zahlen statt der geschönten Statistik betrachtet, gesunken. Diese Situation führte in den letzten Jahren zu hohen Haushaltsüberschüssen und ermöglichte der Großen Koalition zu Beginn ihrer Legislaturperiode einige, wenn auch sehr begrenzte, Sozialreformen, wie den Mindestlohn, einzuführen. Nach Jahren des Reallohnverlustes sind in manchen Bereichen die Tariflöhne in den letzten Jahren wieder etwas angestiegen.
Geht es uns also gut? Mitnichten! Der wirtschaftlichem Erfolg wird auf dem Rücken der Arbeiterklasse erreicht: konkret durch Niedriglöhne und ungesicherte Arbeitsverhältnisse im großen Stil. Deutschland ist, trotz Mindestlohn von 8,84 Euro, Hochburg der Prekarisierung und der Niedriglöhne – Millionen LeiharbeiterInnen, WerkvertragslerInnen und Scheinselbständige können davon ein Lied singen. Vierzig Prozent der Beschäftigten haben weniger Einkommen als Ende der 1990er Jahre. Für diejenigen abhängig Beschäftigten, die noch nach Tarif bezahlt werden und in unbefristeten Arbeitsverhältnissen sind, ist nicht zuletzt der Arbeitsdruck enorm gestiegen. Kein Wunder, dass immer mehr dieser Lohnabhängigen äußern, dass für sie mehr Personal und weniger Arbeitsstress wichtiger wäre, als mehr Lohn und Gehalt.
Weshalb dann die positive Einschätzung der eigenen Lage in den Meinungsumfragen? Zum einen wird die Erinnerung daran, dass es einmal bessere Verhältnisse gab, schwächer. Agenda 2010 und Hartz IV wurden vor dreizehn Jahren eingeführt. Und wer kann sich schon noch daran erinnern, dass es früher Weihnachts- und Urlaubsgeld gab, dass es keine Medikamentenzuzahlungen in diesem Ausmaß wie heute gab? Es gibt einen Gewöhnungseffekt an die Verschlechterungen der Vergangenheit und Erleichterung darüber, dass es in den letzten Jahren nicht zu weiteren massiven sozialen Verschlechterungen gekommen ist. Diejenigen, die nicht in prekarisierten Verhältnissen leben und arbeiten, bekommen den Eindruck, dass es ihnen noch relativ gut geht. Gleichzeitig reicht der Blick über die Grenzen nach Frankreich oder Belgien, nach Großbritannien oder Griechenland, um den Eindruck zu bekommen, dass der Kelch der Armut bringenden Austerität an Deutschland vorbei gegangen ist.
Diese Gemengelage führt zu Genügsamkeit und dem Wunsch, dass diese vermeintliche ökonomische und soziale Stabilität nicht gefährdet werden soll. Ein klassisches Rezept dafür, den status quo bewahren zu wollen – also „bürgerlich“ zu wählen. Das ist der Hintergrund für die Wahlerfolge der CDU im Saarland, in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen und auch für das Comeback der FDP.
Aber das ist auch nur ein Teil einer sehr viel komplexeren gesellschaftlichen Situation und eines vielschichtigeren Massenbewusstsein. Einige linke KommentatorInnen werten die CDU-Wahlsiege als einen gesellschaftlichen Rechtsruck. Eine parlamentarische Rechtsverschiebung ist nicht zu leugnen, sollte aber nicht mit einer gesellschaftlichen Rechtsverschiebung im Sinne des Bewusstseins breiter Teile der Bevölkerung verwechselt werden. Das Jahr 2015 war geprägt vom Aufstieg der AfD, die nicht zuletzt vormalige NichtwählerInnen mobilisieren konnte, einerseits und einer massenhaften Solidarität mit den ankommenden Geflüchteten, vielen Streiks und Massenprotesten gegen TTIP und gegen Rassismus andererseits. Es fand eine gesellschaftliche Polarisierung statt. In diesem Jahr wurde die Dynamik der AfD gebremst, wenn auch auf relativ hohem Niveau. Die gestiegene Wahlbeteiligung kommt nicht mehr (nur) der AfD zugute, sondern auch der CDU. Das ist auch eine Reaktion auf die AfD und die internationale Bedrohung durch die Erfolge von Rechtspopulisten – Stichwort: Le Pen, Trump, Brexit. Zugute kommt Merkel auch, dass ihre Flüchtlingspolitik vordergründig “funktioniert” hat. Das “Abendland” ist nicht “unter gegangen”, die Zahl der ankommenden Geflüchteten ist zurück gegangen, selbst Horst Seehofer hat Kreide gefressen. Eine Schicht der WählerInnen hat vermeintliche Stabilität gegen die Rechtspopulisten gewählt. Das darf aber nicht darüber hinweg täuschen, dass die „Partei der NichtwählerInnen“ bei allen Landtagswahlen weiterhin stärkste Kraft war und vor allem unter den Ärmsten und Abgehängten die Wahlbeteiligung extrem niedrig ist. Es ist aber keine Frage, dass linke Positionen im Bereich der Wirtschafts- und Sozialpolitik weiterhin breite Unterstützung genießen: Umverteilung von oben nach unten, Maßnahmen gegen die in den Städten exorbitant steigenden Mieten, bessere Ausstattung im Bildungs- und Gesundheitswesen, Ablehnung von Privatisierungen etc.
Ende des Schulz-Hypes
Dies hat sich auch in dem kurzzeitigen Hype und der Unterstützung Martin Schulz ausgedrückt. Allein die Hoffnung darauf, dass die SPD wieder sozialdemokratische Politik machen könnte, allein das offensive Bekenntnis zu sozialer Gerechtigkeit führte zu einem Sprung der Umfragewerte (wenn auch ausgehend von einem historisch niedrigen Niveau) und zu einer Welle von Neueintritten in die Sozialdemokratie. Das war zweifellos ein Ausdruck eines verbreiteten Bewusstseins, dass es in diesem Land nicht gerecht zugeht. Doch die Menschen sind nicht so dumm, wie es die SPD-Führung zu glauben scheint. Als klar wurde, dass das Versprechen nach mehr sozialer Gerechtigkeit keine konkreten Positionen zu deren Umsetzung nach sich zog, dann auch noch deutlich wurde, dass Schulz sich eine Koalition mit der neoliberalen Kapitalistenpartei FDP eher vorstellen kann, als mit der Linkspartei, setzte sich die Erkenntnis durch, dass die SPD keinen neuen Kurs eingeschlagen hat – und die Umfragewerte bröckelten wieder. Mit ihren bisherigen Verlautbarungen zum Wahlprogramm hat die SPD bestätigt, dass sie fest im Lager der Kapitalistenklasse verankert ist und keinen großen Wurf in Sachen Sozialreformen plant. Es ist kaum zu erwarten, dass sich das bis zu den Bundestagswahlen noch mal grundlegend ändert und der „Schulz-Zug“ wieder Fahrt aufnehmen wird. Der Sozialdemokratie wird wohl die Wahl bleiben zwischen der Fortsetzung ihres Niedergangs als Juniorpartner von CDU/CSU in einer Großen Koalition oder der Weg in die Opposition. Da ersteres einem politischen Selbstmord auf Raten gleich kommt und auch im Bürgertum mit anderen Koalitionsoptionen, wie Jamaika (CDU/CSU, Grüne und FDP) oder einer (arithmetisch unwahrscheinlichen, aber nicht ausgeschlossenen) Neuauflage einer schwarz-gelben Koalition, geliebäugelt wird, ist nicht ausgeschlossen, dass die Bundestagswahlen zwar keinen Kanzlerinnen-, aber doch einen Koalitionswechsel bringen werden. Das kann auch im Interesse der Teile des Bürgertums sein, die die in den Schubladen liegenden Pläne für weitere Angriffe auf die Arbeiterklasse gerne umsetzen würden. Nach den Bundestagswahlen beginnt erst einmal eine Phase ohne wichtige Landtagswahlen, die für Angriffe genutzt werden könnten. Dazu könnten nicht zuletzt weitere Einschränkungen des Streikrechts gehören. Der Beschluss von Bundestag und Bundesrat im Juni, den Weg für die Privatisierung der Autobahnen frei zu machen, zeigt, dass der Hunger des deutschen Kapitals, in diesem Fall der Banken und Versicherungsgesellscahften, die Profitaussichten zu verbessern nicht gestillt ist.
Wahlkampf
Inwiefern der Wahlkampf zu einem Wettstreit unterschiedlicher Positionen wird oder sich letztlich doch der Mantel des prokapitalistisch-neoliberalen Einheitsbreis von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen über alles legen wird, ist offen. Soziale Gerechtigkeit und innere Sicherheit werden wahrscheinlich dominierende Themen sein. De Maizières Versuch mit einer Neuauflage der Leitkultur-Debatte am rechten Rand zu fischen, ist zwar auf viel Gegenwind gestoßen und hat keine große Wirkung erzielt, zeigt aber, wie CDU und CSU mit einer Kombination aus Merkelscher Sachlichkeit und Pseudo-Humanismus einerseits und Maßnahmen zur Verschärfung des Asylrechts und rassistischer Propaganda andererseits, agieren.
AfD
Die AfD hat ihren Zenit vorerst überschritten, was zum einen daran liegt, dass das Flüchtlingsthema keine gesellschaftliche Dominanz mehr hat und die Horrorszenarien von AfD und dem rechten Flügel von CDU/CSU nicht eingetreten sind. Andererseits haben die offenen Flügelkämpfe in der Partei und die Weigerung, sich von Björn Höcke und dem rechtsradikalen Flügel zu lösen, der AfD auch Wählerstimmen gekostet. In Meinungsumfragen sagt selbst ein großer Teil der AfD-WählerInnen, dass die Partei nach rechts zu offen ist.
Unsere Einschätzung hat sich bestätigt, dass die beiden Flügel einander brauchen, um parlamentarisch erfolgreich zu sein und eine Spaltung der AfD deshalb in absehbarer Zukunft unwahrscheinlich ist. Ein Einzug in den Bundestag ist wahrscheinlich, auch wenn sich die Werte in manchen Meinungsumfragen in Richtung der Fünf-Prozent-Hürde entwickeln. Gleichzeitig ist nicht auszuschließen, dass Ereignisse, wie ein Terroranschlag, die öffentliche Debatte nach rechts verschieben werden und die AfD davon profitieren könnte. Dass das jedoch alles andere als zwangsläufig ist, zeigen die Entwicklungen in Großbritannien, wo sich nach den Terroranschlägen von Manchester und London im Juni keine hysterische Stimmung gegen Muslime und Muslimas entwickelte, sondern das prinzipienfeste Auftreten des linken Labour-Vorsitzenden Jeremy Corbyn dazu führte, dass die Debatte sich stark um die Kriegspolitik Großbritanniens als eine Ursache des Terrors und um die Kürzungen im öffentlichen Dienst drehten, die den Umgang mit Terrorfolgen erschweren.
DIE LINKE
Davon könnten Teile der LINKEN sich eine Scheibe abschneiden. Die Unterstützung schnellerer Abschiebungen durch die saarländische LINKE hat die großen Verluste bei den Landtagswahlen nicht verhindern können, während die guten Wahlergebnisse bei den Landtagswahlen in Köln zeigten, dass ein offensiver antirassistischer Wahlkampf gegen die AfD und in Solidarität mit Geflüchteten nicht zu Stimmenverlusten führt.
DIE LINKE liegt in Meinungsumfragen zwischen sechs und zehn Prozent. Die Zuwächse bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen haben, auch wenn der Einzug in die Landesparlamente nicht gelang, gezeigt, dass die Partei das Potenzial hat, ihr Ergebnis deutlich zu verbessern. Die Stimmenverluste des letzten Jahres in Ostdeutschland und im März im Saarland, sowie die teilweise niedrigen Umfragewerte, zeigen, dass der Einzug in den Bundestag nicht als gegeben betrachtet werden sollte.
Es gelingt der Partei viel zu wenig, diejenigen Teile der Arbeiterklasse zu erreichen, die sich von den etablierten Parteien abgewendet haben und in großer Zahl gar nicht mehr zur Wahl gehen. Hier ist zweifellos das größte Potenzial für Stimmenzugewinne für DIE LINKE zu finden. Dies wird jedoch nur mobilisiert werden können, wenn die Parteiführung aufhört sich in der einen oder anderen Art und Weise an SPD und Grünen anzubiedern bzw. den Eindruck zu erwecken, eine Regierungskoalition mit diesen beiden Agenda-Parteien sei das Ziel und auch die einzige Möglichkeit im Land etwas zu verändern. Solche Aussagen in Kombination mit der Regierungsbeteiligung in Berlin, Brandenburg und Thüringen lassen die Partei in den Augen viel zu vieler ArbeiterInnen und Jugendlicher als den linken Teil des Establishments erscheinen, aber eben nicht als konsequente Interessenvertretung und Anti-Establishment-Partei. Um das zu ändern, reicht ein anderes Auftreten und eine andere Propaganda nicht aus, wäre aber ein nötiger erster Schritt. Entscheidend wird sein, ob es der Partei gelingt sich in den Nachbarschaften, Betrieben und Hochschulen zu verankern und dort ihren Gebrauchswert als politische Interessenvertretung von Lohnabhängigen, Erwerbslosen und Lernenden unter Beweis zu stellen. Da, wo es solche Ansätze gibt, sind die Wahlergebnisse auch besser.
In der Parteiführung wurde sich auf die Formel geeinigt: „Wir führen weder einen Regierungs- noch einen Oppositionswahlkampf.“ Klingt schön, bringt aber keine Klarheit. Das Wahlprogramm der LINKEN könnte mit SPD und Grünen nicht einmal zu zehn Prozent umgesetzt werden. Wenn man das Programm erst meint, gibt es gar keine Alternative dazu, sich darauf einzustellen, die linke Opposition im Bundestag zu sein. Alle Aussagen, die das relativieren oder die Sozialdemokratie auffordern, ihre „Ausschließeritis“ zu überdenken, können potenzielle LINKE-WählerInnen eigentlich nur irritieren. Dass Schulz und die SPD-Führung eine Koalition mit der Linkspartei ausschließen, hat gute Gründe und ist der Einsicht geschuldet, dass das derzeitige Programme der LINKEN den Interessen des deutschen Kapitalismus und Imperialismus zuwider läuft. Das ist gut so und deshalb muss verhindert werden, dass das Programm durch Teile der Parteiführung zur Verhandlungsmasse gemacht wird. Beim Bundesparteitag der LINKEN Mitte Juni in Hannover wurden unterschiedliche Signale ausgesendet. Während Katja Kipping, Dietmar Bartsch und Gregor Gysi ihre Offenheit für eine Koalition mit SPD und Grünen und für dazu nötige Kompromisse stark betonten und Bernd Riexinger die Notwendigkeit einer Ablösung von Angela Merkel als Kanzlerin forderte, legte Sahra Wagenknecht in einer kämpferischen Rede, die den Parteitag begeisterte, die Latte für eine Regierungsbeteiligung denkbar hoch und sagte, die Politikwechsel sei nicht “Raute oder Zottelbart im Kanzleramt, sondern “Wiederherstellung des Sozialstaats, Abrüstung und keine neuen Kriegsabenteuer”. Auch wenn sich der linke Parteiflügel mit weitergehenden Anträgen beim Parteitag kaum durchsetzen konnte, so war das Wahlprogramm schon im Parteivorstand nach links verändert worden und wurden alle Änderungsanträge des rechten Flügels beim Parteitag abgelehnt. Dementsprechend werteten die bürgerlichen medien die Beschlüsse des Parteitags auch in ihrer Mehrheit als eine Absage an Regierungskoalitionen mit SPD und Grünen.
Gewerkschaftliche und soziale Kämpfe
Natürlich sind die gesellschaftlichen Verhältnisse zur Zeit nicht ideal für eine linke Partei. Die relative wirtschaftliche Stabilität und das niedrige Niveau von Klassenkämpfen und sozialen Bewegungen bedeuten, dass es weniger Rückenwind für DIE LINKE gibt. Das bedeutet jedoch nicht, dass es keine Ansätze für eine weitere Verankerung der Partei in sozialen Auseinandersetzungen und Gewerkschaften und keine Basis für eine an der außerparlamentarischen Arbeit orientierte Aufbaustrategie gäbe. Die Proteste gegen den G20-Gipfel, die anstehenden „Ende Gelände“-Proteste gegen umweltschädlichen Kohlebergbau und der Kampf um mehr Personal in den Krankenhäusern sind nur einige Beispiele. Lokal gibt es in vielen Orten Kämpfe und Bewegungen gegen Mietsteigerungen, Prestigeprojekte, für bessere Arbeitsbedingungen und Tarifverträge in tariflosen Betrieben. Zur Zeit läuft auch die Tarifrunde im Einzelhandel. Besonders die Auseinandersetzung an den Krankenhäusern ist von großer gesellschaftlicher Bedeutung und verdient die Unterstützung der gesamten Gewerkschaftsbewegung und Linken. Hier hatte die ver.di-Betriebsgruppe an der Charité seit 2012 den Kampf um einen Tarifvertrag für mehr Personal aufgenommen und im letzten Jahr mit dem Abschluss eines Tarifvertrags einen ersten Erfolg erzielt. Das hat bundesweit KollegInnen und Gewerkschaftsaktive motiviert, sich auch auf den Weg zu machen und innerhalb von ver.di einen solchen Druck ausgeübt, dass die Gewerkschaftsspitze nun eine koordinierte Kampagne begonnen hat. Leider lässt diese bisher eine wirkliche Strategie für die Durchsetzung von besseren Personalstandards vermissen. Eine Vernetzung von kämpferischen KollegInnen aus den Krankenhäusern ist deshalb umso wichtiger, um – ähnlich wie an der Charité – demokratisch und von unten Kampfstrategien zu diskutieren und zu entscheiden. Und auch an der Charité geht die Auseinandersetzung weiter, denn der Tarifvertrag hat nach einem Jahr nicht die gewünschten Ergebnisse für die MitarbeiterInnen erzielt. Deshalb hat ver.di den Arbeitgeber zu Nachverhandlungen aufgefordert und zeigt sich streikbereit, um den Kampf für mehr Personal und bessere Arbeitsbedingungen fortzusetzen.
Fazit
Die Bundesrepublik befindet sich im internationalen Vergleich in einer Sondersituation, die vor allem auf der wirtschaftlichen Lage beruht. Diese ist aber alles andere als stabil. Die Exportabhängigkeit der deutschen Volkswirtschaft ist weiter gestiegen – und damit auch die Anfälligkeit für weltwirtschaftliche Krisenprozesse. Die Weltökonomie wiederum steht auf tönernen Füßen. Eine Weltwirtschaftskrise würde Deutschland früher oder später hart treffen und könnte die relative Ruhe und Stabilität beenden. Aufgabe der LINKEN und von Gewerkschaften ist es nicht zuletzt, sich auf diese Entwicklung vorzubereiten.