Politische Instabilität und Polarisierung nehmen in Europa weiter zu.
Der Wahlsieg des bürgerlichen Emmanuel Macrons bei den Präsidentschaftswahlen in Frankreich hat die Kapitalisten zwar aufatmen lassen, aber die 66 Prozent für Macron können die tiefe Unzufriedenheit und Ablehnung des kapitalistischen Establishments immer größerer Schichten der Arbeiterklasse nicht verdecken.
von Sascha Stanicic
In Großbritannien hat Premierministerin Theresa May ihr Wort nicht gehalten und für den 8. Juni doch Neuwahlen ausgerufen. Der linke Vorsitzende der Labour Party, Jeremy Corbyn, begeistert Hunderttausende, die sich für die Wahlen haben registrieren lassen und in Labour eingetreten sind. Mit einem sozialen Reformprogramm verkleinerte er im Mai in Umfragen, trotz einer massiven Medienkampagne gegen ihn, täglich den Abstand zu den führenden Tories. Das konnte auch der grässliche Anschlag von Manchester nicht stoppen, der von vielen als eine Bestätigung der Warnungen Corbyns betrachtet wird, dass die britische Kriegspolitik im Irak, den Terror fördert statt ihn zu bekämpfen.
Als richtig hat sich auch unsere Einschätzung erwiesen, dass das Votum für einen Brexit keine Stärkung von Rassismus und Nationalismus zur Folge haben muss. Die rechtspopulistische UKIP wurde bei den Kommunalwahlen nahezu ausgelöscht und gerät immer tiefer in die Krise.
Die Unterstützung von Jeremy Corbyn ist Ausdruck der Ablehnung der prokapitalistischen Kürzungspolitik, die die Masse der Bevölkerung in Großbritannien seit Jahren hart trifft. Corbyn wurde durch eine Urwahl zum Vorsitzenden einer Partei gewählt, die von rechten, pro-kapitalistischen Abgeordneten und Apparatschiks kontrolliert wird. Labour ist dadurch zu „zwei Parteien in einer“ geworden. Die Socialist Party, Schwesterorganisation der SAV in Großbritannien, und das Bündnis Trade Unionist and Socialist Coalition, in dem die SP mit der Eisenbahnergewerkschaft RMT und anderen zusammen arbeitet, hat sich entschieden bei den Parlamentswahlen nicht selbständig anzutreten, sondern zur Wahl von Corbyn-Labour aufzurufen.
Angst vor Destabilisierung
In der spanischen sozialdemokratischen PSOE hat sich bei der Urwahl zum Generalsekretär der linke Kandidat Pedro Sánchez gegen den offen pro-kapitalistischen Flügel durchgesetzt. Die PSOE wird so in eine tiefe Krise gestürzt, die das gesamte spanische Establishment erschüttert. Auch in der neuen Partei PODEMOS hatte sich der linke Flügel durchgesetzt und sie hat kürzlich eine Massenkundgebung organisiert. Unsere GenossInnen der Revolutionären Linken treten für eine Einheitsfront des linken PSOE-Flügels mit dem Projekt „Unidos Podemos“ ein.
In Österreich hat der Chef der konservativen ÖVP, Sebastian Kurz, Neuwahlen durchgesetzt, die den Weg zu schärferen Angriffen auf die Arbeiterklasse frei machen sollen – und wahrscheinlich zu einer Regierungsbeteiligung der rechtspopulistischen FPÖ führen werden.
Die Angst der Herrschenden vor weiterer Destabilisierung und einem zukünftigen Erstarken rechtspopulistischer Kräfte ist so stark, dass der Druck auf Deutschland, auch durch den neuen französischen Präsidenten und den IWF, zunimmt, seine Wirtschafts- und Finanzpolitik zu ändern, eine Schuldenerleichterung für Griechenland zuzulassen und die europäischen Verträge in Richtung einer Transferunion zu ändern. Merkel und Schäuble bleiben vordergründig hart in ihrer Ablehnung solcher Maßnahmen, wollen die Debatte darüber aber vor allem bis auf die Zeit nach den Bundestagswahlen im September verschieben und haben in einigen Stellungnahmen bei Macrons Besuch in Berlin schon eine neue Kompromissbereitschaft angedeutet.
All diese Entwicklungen machen eine klare Haltung der LINKEN und der Gewerkschaften gegen die EU der Banken und Konzerne und für ein sozialistisches Europa der ArbeiterInnen und Angestellten umso dringender, um zu verhindern, dass vor allem die Rechtspopulisten von der wachsenden Stimmung gegen die EU profitieren.