LINKE muss sich gegen Immobilienlobby stellen
Der Berliner Bürgermeister Müller und die Berliner Grünen wollen die Entlassung vom Staatssekretär für Wohnen Andrej Holm und geben damit dem Druck der Immobilienlobby nach. Wenn DIE LINKE hier einknickt, wird sie auch bei anderen Entscheidungen den Kürzeren ziehen. Eine Diskussion in der Mitgliedschaft und nicht nur in der Regierung und Fraktion ist darüber nötig.
von Michael Koschitzki, Berlin
Seit dem Start des Rot-Rot-Grünen Senats in Berlin schossen sich Opposition und bürgerliche Medien auf den Spekulantenschreck Andrej Holm ein. Kaum ein Tag verging, in dem nicht in den Kommentarspalten der Berliner Tageszeitungen über ihn diskutiert wurde. Er gilt als Kritiker von Verdrängung und Mietsteigerung und genießt großen Rückhalt unter MietaktivistInnen der Stadt.
Die Diskussion über eine Vergangenheit als Anwärter für die Stasi-Offizierslaufbahn, die sich rasch verschob auf den Vorwurf, beim Personalfragebogen bei der Einstellung an der HU 2005 eine Falschaussage getätigt zu haben, ist dabei vor allem vorgeschoben. Im Kern geht es um die mietenpolitischen Positionen Holms und der LINKEN.
Zuspitzung der Debatte
In den vergangenen drei Tagen gab es eine enorme Zuspitzung der Debatte. Am Donerstag reichten die AktivistInnen des Berliner Mietenvolksentscheids 15.000 Unterschriften ein, die sie mit der Petition #holmbleibt gesammelt hatten. Darin schreiben sie „Dr. Andrej Holm als neuer Staatssekretär steht nicht einer Auseinandersetzung über DDR-Repression im Weg, sondern dem Ausverkauf der Stadt. Und genau deshalb brauchen wir ihn.“ Am Donnerstag Abend reichte Andrej Holm seine Erklärung bei der Humboldt Universität ein, die er auch am Freitag auf der Webseite der Senatsverwaltung veröffentlichte. Nicht seine Aussagen zu seiner Vergangenheit dürften die Spendenempfänger der Baulobby in der SPD verängstigt haben, sondern die Sätze: „Der Koalitionsvertrag und auch das Regierungsprogramm haben hohe Erwartungen für die Bewältigung der stadtpolitischen Herausforderungen geweckt. Insbesondere die sozialen und öffentlichen Belange sollen künftig den Vorrang vor privaten Gewinninteressen erhalten. Für die dabei zu erwartenden Konflikte brauche ich als Staatssekretär Wohnen eine klare politische Rückendeckung.“ Am Freitag legte der Landesvorstand der LINKEN nach und veröffentlichte eine Erklärung mit dem Titel: „Andrej Holm ist der richtige Staatssekretär für Berlins Mieterinnen und Mieter“
Die Antwort darauf kam prompt einen Tag später. Michael Müller fordert die LINKE Senatorin für Bauen und Wohnen Katrin Lompscher durch eine öffentliche Erklärung auf, ihren Staatssekretär zu entlassen. Die Führung der Berliner LINKEN reagiert irritiert. Das Vorgehen sei nicht abgesprochen gewesen. Eine Erklärung der LINKE Vorsitzenden und Fraktionsvorsitzenden kündigt an „Wir werden unser weiteres Vorgehen in dieser Frage intern und innerhalb der Koalition weiter beraten.“ Klaus Lederer erklärte in der Nachrichtensendung Berliner Abendschau, man stehe vor der schwierigen Frage: „Entweder entscheiden wir uns für Andrej Holm oder für R2G.“ Man könnte auch fragen, entscheidet man sich für die Interessen von Berlins Mieterinnen und Mietern oder für R2G?
Besser an Holm festhalten als an der Koalition
Wir verteidigen Andrej Holm gegen die Angriffe und rufen zu Solidarität auf. MieteraktivistInnen und soziale Bewegungen sollten ihm jetzt den Rücken stärken, nicht zurückzutreten. Die Ereignisse der letzten Tage sind ein Beleg dafür, dass eine Politik im Interesse von Mieterinnen und Mietern und breiten Teilen der Bevölkerung nicht zusammen mit prokapitalistischen Parteien wie SPD und Grüne möglich ist. Immobilieninvestoren und -spekulanten spenden kräftig an SPD und Grüne, um sich ihre Interessen zu sichern. Bereits der Koalitionsvertrag greift für den versprochenen wohnungspolitischen Wechsel zu kurz.
Wie wird die Führung der Berliner LINKEN jetzt damit umgehen? Sie hoffen darauf Holm zu einem „freiwilligen Rücktritt“ zu bewegen. Aber wie ginge es danach weiter? Werden sie sich mit allen Positionen konsequent gegen Zwangsräumungen und Immobilienspekulation stellen? Oder knicken sie hier aus Angst, dass SPD und Grüne die Koalition aufkündigen, ein?
SPD und Grüne machen bereits Klassenkampf von oben. Selbst SPD Fraktionsvorsitzender Raed Saleh machte bei der letzten Debatte im Abgeordnetenhaus Opposition von Rechts, forderte den starken Staat und redete von Asylbewerbern, die ihr Gastrecht verwirkt hätten. DIE LINKE darf es jetzt nicht mit Appellen an einen besseren Politikstil in der Koalition belassen. Sie muss aufzeigen, was hinter den Angriffen steckt, ihr Programm für Wohnraum verteidigen und an Holm festhalten, selbst wenn das die Koalition belastet und infrage stellen sollte. Sie muss Müllers Aufforderung Holm zu entlassen, zurückweisen. DIE LINKE entscheidet über ihre Staatssekretäre. Wenn sie hier einknickt, wird sich das gleiche an ähnlichen Fragen und Themen wiederholen.
Sonderparteitag einberufen
Im Vorfeld der Regierungsbildung wurde viel von einem Politikwechsel und einer neuen Kultur des Zuhörens geredet. Der Fall Holm setzt Maßstäbe, ob das umgesetzt wird. Die Ankündigung der Vorsitzenden den Fall in Fraktion und Regierung zu beraten, greift dabei zu kurz. Die Koalition steht an einem möglichen Wendepunkt, an dem die Mitglieder einbezogen werden müssen. DIE LINKE sollte schnellstmöglich einen Sonderparteitag einberufen, um über den Fall Holm zu diskutieren und dabei auch MieteraktivistInnen zu Wort kommen zu lassen. Der Parteitag sollte auch über den Zustand und Zukunft der Koalition, den Umgang mit Innerer Sicherheit und andere wesentliche Felder diskutieren.