Stellungnahme der SLP-Bundesleitung (Schwesterorganisation der SAV in Österreich)
Seit Juli hat Österreich offiziell keinE BundepräsidentIn. Er oder Sie wurden auch nicht weiter vermisst. Das Amt ist weit mehr als eine Repräsentationsaufgabe, es hat auch ein gefährliches und anti-demokratisches Potential: BundespräsidentInnen sind mit der Macht ausgestattet, die Regierung und den Nationalrat aufzulösen, mit Notverordnungen zu regieren und das Bundesheer zu befehligen. Eine solche Machtfülle, die bisher nicht genutzt wurde, aber künftig durchaus zum Einsatz kommen kann, erinnert an die Rolle des Kaisers vor 1918. Von allen Institutionen der Republik ist der/die BundespräsidentIn die undemokratischste. Die SLP tritt seit vielen Jahren für die ersatzlose Abschaffung des Amts ein. Diese Möglichkeit sehen die Stimmzettel für den 4.12. aber nicht vor. Wir werden gezwungen, uns zwischen zwei widerlichen Kandidaten zu entscheiden, ungültig oder nicht zu wählen. Was also ist für ArbeiterInnen und Jugendliche die beste aus dieser Auswahl an schlechten Möglichkeiten?
Ein gespaltenes Land?
Allerorts hört man davon, dass Österreich „gespalten“ sei. Beide Kandidaten beteuern, die Wunden schließen zu wollen und das Land wieder zu vereinen. Es gibt tatsächlich eine Spaltung, doch diese verläuft nicht zwischen Hofer und VdB. Viele, die Hofer wählen, tun dies mit dem Ziel, gegen „die da oben“ ein Zeichen zu setzen. Der Rassismus, für den Hofer steht ist für viele nicht das vorrangige Motiv, doch ist dieser Rassismus auch kein Hindernis – was auch die Folge der Normalisierung von Rassismus durch alle etablierten Parteien ist. Viele, die VdB wählen werden, tun dies ausschließlich, um Hofer zu verhindern. Und viele, die gar nicht wählen tun das, weil keiner der Kandidaten ihre Interessen vertritt. Denn was es bei dieser Wahl nicht gibt, ist die Möglichkeit, für die Interessen der ArbeiterInnen, der Arbeitslosen, der Armen zu stimmen. Eine solche braucht es jedoch dringend. Die Spaltung in Österreich, wie in jedem anderen Land, verläuft zwischen oben und unten. Zwischen dem reichsten 1%, das beinahe 40% des Reichtums besitzt, und den ArbeiterInnen, Arbeitslosen und Armen jeglicher Herkunft, die diesen Reichtum erst ermöglichen – aber selbst nichts davon haben.
Sowohl Hofer als auch VdB sind Kandidaten der Herrschenden. Es ist nicht egal, wer von beiden Präsident wird, doch für beide gilt: die Offensive der Unternehmen und die Kürzungspolitik werden weitergehen. Wo die FPÖ an der Macht ist, wie in Oberösterreich, wird die arbeiterInnenfeindliche Politik brutaler, rassistischer und sexistischer durchgepeitscht – aber auch die rot-grüne Regierung in Wien plant ein gigantisches Kürzungspaket und die Ausgliederung des Krankenanstaltsverbundes (KAV). Ob Hofer gewinnt oder nicht: die ist FPÖ auf dem Weg, bei den nächsten Wahlen die stärkste Partei zu werden. SPÖ und ÖVP liefern sich bereits ein Wettrennen, wer von beiden mit der FPÖ die nächste Regierung stellen wird.
Die politische Krise der Regierung und der Republik ist unabhängig davon, wer Präsident wird, tief und vertieft sich weiter. Dass ein Kandidat der FPÖ voraussichtlich um die 50% der Stimmen erreichen wird und keiner der Kandidaten einer Regierungspartei angehört ist eine Quittung für die fast nur von gelegentlichen Verschlechterungen und Skandalen unterbrochene Stillstands-Politik der Regierung. Dass der Staat nicht mal mehr in der Lage ist eine Wahl halbwegs ordentlich zu organisieren ist Ausdruck einer tiefen Krise der bürgerlichen Demokratie selbst. Eine deutliche Mehrheit will kein „weiter so“ – und das zurecht.
Besonders seit der Stichwahl im Frühjahr ist VdB weit nach rechts gegangen. Statt die Regierung von links anzugreifen und so auch Hofers Scheinantworten auf die Probleme in Österreich zu entlarven überließ er die berechtigte Wut besonders unter ArbeiterInnen und Jugendlichen der FPÖ. Nach dem Motto „die Linken wählen mich ja eh um Hofer zu verhindern“ bemüht sich VdB um die Stimmen des Griess- und ÖVP-Publikums. Je mehr Teile des Establishments hinter VdB stehen, desto besser für Hofer. Aufgabe eines linken Wahlkampfs wäre es gewesen jenen, die Hofer wählen in der Hoffnung, etwas „gegen die da oben“ zutun, ein echtes linkes Programm gegen Armut, Arbeitslosigkeit und die Herrschaft der Reichen zu bieten. Doch VdB, der für „weiter so“ steht, konnte und wollte diesen Wahlkampf nicht führen. Es gibt sehr gute Gründe VdB nicht zu wählen, der ein Ausdruck der Unfähigkeit und Ratlosigkeit des politischen Establishments ist und wesentliche Verantwortung für einen möglichen Wahlsieg Hofers und einen weiteren Aufstieg der FPÖ trägt. Auch als Präsident wird VdB den Aufstieg der FPÖ nicht stoppen. Er ist kein Teil der Lösung, sondern ein Teil des Problems. In Zeiten, in denen sich die EU als brutales Instrument des internationalen Kapitals zur Zerschlagung erkämpfter sozialer Standards in ganz Europa offenbart, stellt sich VdB kritiklos hinter die EU. Dass VdB CETA unterschreiben wird, kann mittlerweile als sicher gelten.
Mit einem VdB-Sieg wäre das Signal für ein „weiter so“ gegeben, das hat er in seinem Wahlkampf sehr deutlich gemacht. Sollte am 4.12. VdB siegen, wird die Erleichterung darüber bei vielen greifbar sein – doch es wäre falsch, sich dann in Ruhe zu wiegen. VdBs Sieg wäre bestenfalls ein Aufschub – es ist die Politik, für die auch VdB steht, die die FPÖ überhaupt erst so stark hat werden lassen.
Hofer ist Teil des Establishments
Hofers Anti-Establishment-Wahlkampf andererseits ist völlig aufgesetzt: Hofer ist Mitglied im elitären Burschenschafter-Netzwerk. Ein Netzwerk, das dafür sorgt, dass wichtige Positionen in Wirtschaft und Politik einer kleinen Gruppe Männer aus wohlhabenden, rechten Familien vorbehalten werden. Hofer ist Mitglied im monarchistischen „St. Georgs-Orden“, der „elitär“ sogar offiziell in der Selbstdarstellung hat und Hofers Wahlkampf unterstützt hat. „Norbert Hofer ist nicht gegen das Establishment“ hat der selbsternannte „Freiherr“ van Handel, Mitglied der „St. Georgs-Ordensregierung“ in der ZIB2 zutreffend bemerkt. All das passt so gar nicht zur Selbstdarstellung Hofers als Kandidat der „einfachen Österreicher“.
Auch Hofers EU-kritische Positionierung ist nichts als plumper Nationalismus. Er wendet sich nicht gegen die undemokratische Kürzungspolitik Brüssels. Er will nur dieselbe arbeiterInnenfeindliche Politik auf nationalstaatlicher Ebene selbst organisieren. Im tatsächlichen Widerstand gegen die EU sind unsere Verbündeten die ArbeiterInnen, Arbeitslosen und Armen Europas, nicht die österreichischen KapitalistInnen. Angesichts der Abgehobenheit der PolitikerInnen ist der Wunsch, gegen „die da oben“ zu stimmen sehr gut nachvollziehbar. Wer sich aber von Hofer Politik gegen die Eliten oder das Establishment erwartet, wird bald bitter enttäuscht werden. Hofer und die FPÖ wollen das Gleiche wie die jetzige Regierung der Reichen, nur aggressiver, schneller und mit noch mehr Rassismus durchsetzen.
Ein Sieg Hofers würde nicht den Faschismus an die Macht bringen. Wer das verbreitet schürt Ängste, die letztlich von der eigentlichen Gefahr ablenken: dem aggressiven Sozial-Kahlschlags- und Privatisierungskurs, für den die FPÖ-Praxis nun mal steht, und einer rassistischen und sexistischen Offensive. Sicher würde ein Hofer Sieg das Selbstbewusstsein der Rechtsextremen und RassistInnen stärken. Ähnlich wie nach dem Sieg Trumps in den USA würde es zu gewalttätigen Übergriffen gegen MigrantInnen, Muslime/Muslimas und Linken kommen. Vor Allem aber würden sich RassistInnen bestärkt fühlen offener als bisher aufzutreten. Beleidigungen und Übergriffe würden an Schulen, Arbeitsplätzen, Sportvereinen usw. zunehmen. Dagegen brauchen wir eine aktiv geführte Kampagne im Sinne von „Hände weg von meinen KollegInnen! Gemeinsam für Arbeitsplätze und höhere Löhne“ mit Demonstrationen und anderen öffentlichen und betrieblichen Aktionen. So kann gegen den sich breit machenden Rassismus gekämpft werden. Es ist die Aufgabe der Linken und besonders der Gewerkschaften, eine solche Kampagne aufzubauen. Sie kann auch die Grundlage für den Widerstand legen, der gegen die Angriffe durch die aktuelle und jede folgende Regierung nötig sein wird.
Ein Sieg Hofers wäre eine unmittelbare Gefahr, weil er den Rassismus und die brutale Kürzungspolitik stärken würde. Auch die bisherigen Bundespräsidenten waren keine Freunde der ArbeiterInnenklasse und auch Van der Bellen wäre das sicher nicht. Mit einem Präsidenten Hofer würde aber ein elitärer Rechtsextremer das Amt ausfüllen und besonders im Zusammenhang mit einem möglichen Kanzler Strache einen Prellbock gegen Gewerkschaftsrechte und erkämpfte Fortschritte von ArbeiterInnen, Jugendlichen, Frauen aber auch MigrantInnen darstellen. Das ohnehin schon unter Beschuss stehende Recht auf straffreien Schwangerschaftsabbruch würde noch mehr ins Visier der Politik geraten. Aktive Rückendeckung aus der Hofburg für die Politik, wie sie die FPÖ im Bund 2000-05 und derzeit auch im Burgenland oder Oberösterreich gezeigt hat, würde eine Beschleunigung von Angriffen auf MigrantInnen, Erwerbslose und Sozialleistungen bedeuten und eine Welle von Kürzungen bei Gesundheit und Bildung und Privatisierungen begünstigen. Natürlich sind diese Prozesse bereits im Gange. Hofer würde diese Entwicklung zwar nicht auslösen, aber beschleunigen.
Gegen Hofer stimmen! Widerstand organisieren! Linke Alternative aufbauen!
Um die Verschlechterung der Bedingungen, unter denen wir den Widerstand gegen die Politik der Reichen aufbauen müssen, nicht noch mehr zu beschleunigen, werden die Mitglieder der SLP am 4.12. gegen Hofer stimmen. Dies ist jedoch der am wenigsten bedeutende Teil des Kampfes gegen den Aufstieg der FPÖ. Dessen Wurzeln liegen in der Kürzungspolitik der Regierung, dem Mangel an Widerstand gegen die Angriffe von oben und dem Fehlen einer echten, kämpferischen politischen Alternative. Es ist unbedingt notwendig, die Gewerkschaften aus dem Tiefschlaf zu rütteln, um die Angriffe auf Mindestsicherung, Arbeitszeiten und Löhne zurückzuschlagen. Jede weitere Niederlage schwächt die Ausgangsposition für Widerstand. Egal wer Präsident wird, die Gewerkschaft muss jetzt Initiativen setzen, um in die Offensive kommen – etwa durch den sofortigen Beginn einer Großmobilisierung für eine Demonstration im Frühjahr, die sich gegen alle Angriffe auf soziale Standards richtet.
Die Frage von vorgezogenen Neuwahlen steht seit Monaten im Raum und kann sich nach dem 4.12. verschärfen. Der Wahlmüdigkeit steht das „es muss sich endlich was tun“ entgegen. Deutlich ist, dass sich sowohl ÖVP (Loptaka ruft für Hofer auf) als auch SPÖ (Kerns Kuschelkurs mit Strache) auf Neuwahlen und eine Koalition mit der FPÖ vorbereiten. Die Linke muss die nächsten Wahlen nutzen um eine Alternative zu dem Einheitsbrei der etablierten Parteien von Grün bis Blau anzubieten. Diskussionen mit KollegInnen und auf der Straße zeigen uns: Die Leute sind nicht „politikverdrossen“, sie sehen nur keinen Sinn darin, sich weiterhin zwischen verschiedenen Übeln entscheiden zu müssen. Wir müssen die Reichen und ihre Regierung wo wir können, auf der Straße und in den Betrieben, unter Druck setzen, aber eben auch auf der Wahlebene. Wir sind überzeugt, dass wir im Rahmen einer solchen kämpferischen Kampagne auch auf viele treffen werden, die für Hofer gestimmt haben. Der oft arrogante Zugang gegen Hofer-WählerInnen ist gänzlich falsch. Vielmehr ist es notwendig, die Gründe für eine solche Stimmabgabe zu verstehen. Es gibt neben den überzeugten Rechtsextremen viele, die für eine kämpferische Politik gegen die Reichen und für ArbeiterInnenrechte zu gewinnen sind. Das bedeutet nicht, rassistische und sexistische Stimmungen, die sich gesetzt haben, zu ignorieren. Gerade im Kampf gegen die Kürzungspolitik braucht es kompromisslose Überzeugungsarbeit und aktiven Antirassismus und Antisexismus, um die Spaltungen in der ArbeiterInnenklasse zu überwinden und kampffähig zu sein.
Die SLP tritt dafür ein in kämpferischen Kampagnen Themen wie Wohnungsnot, Armut, Niedriglöhne etc aufzugreifen um eine politische Alternative aufzubauen. Und die SLP tritt dafür ein, dass sich aus und mit dem Aufbruch-Projekt so eine Wahlalternative bildet. Mit einer Reihe motivierter Gruppen und vielen neuen AktivistInnen in ganz Österreich ist Aufbruch von allem linken Strukturen derzeit noch am ehesten in der Lage, diese Aufgabe zu übernehmen. So ein Wahlkampf gegen die mit Millionen Euros gerüsteten Parteien der Reichen wird nicht leicht, aber er kann der Ansatzpunkt für eine Bewegung gegen Hofer, die FPÖ, die Regierung und das System der Superreichen und der Eliten werden!