Bericht von der Essener Aktionskonferenz
Vom 18. bis 20. November fand in der Universität Essen die Konferenz „Lernfabriken meutern“ statt. Die OrganisatorInnen wollen im kommenden Jahr neue Bildungsproteste lostreten.
von Katharina Doll, Teilnehmerin aus Hamburg
Die letzte große Welle von Bildungsprotesten begann 2008 und holte über 100.000 Jugendliche auf die Straße. Im ersten Jahr wurden die Proteste von SchülerInnen organisiert, die sich zu lokalen Gruppen zusammenschlossen. Die Proteste forderten eine Schule für alle, die Abschaffung des Notensystems, eine bessere und kostenlose Ausstattung der Schulen für Menschen mit Behinderung und vieles mehr. Teilweise kämpften sie gemeinsam mit den Gewerkschaften und versuchten auch Azubis für ihren Streik zu gewinnen.
Nach dieser Welle riefen vor allem Studierende zum Bildungsstreik auf und besetzten die Hörsäle. Nachdem die Bewegung bundesweit keine Forderungen zuspitzte und keine demokratischen Strukturen aufbaute, verlief sie im Sande, was auch durch die Dominanz von studentischen Strukturen befördert wurde. Sie war deshalb weder in der Lage die Bologna-Reform mit dem Bachelor-/Mastersystem oder das G8-Turboabi aufzuhalten, noch weitergehende Forderungen wie eine Schule für alle oder kostenlose Lehrmittel durchzusetzen. Mehrere Jahre gab es nur noch vereinzelte Bildungsproteste.
Aktionskonferenz Essen
Nach einigen Jahren begann auf Initiative von „Lernfabriken meutern“ wieder eine Diskussion über Bildungsproteste. Rund 120 Menschen trafen sich vom 18. bis 20. November in Essen, davon die übergroße Mehrheit Studierende, die oft selbst im Asta oder in Hochschulgruppen aktiv sind. Zwar wurden von den wenigen anwesenden SchülerInnen die Forderungen vergangener Schulstreiks wiederholt, doch wurde die Diskussion vor allem von den anwesenden Studierenden dominiert. Die Teilnahme blieb hinter den selbst gesetzten Erwartungen zurück und die kämpferische Stimmung früherer Massenproteste und ein klarer Plan, wie jeder selbst vor Ort Gruppen aufbauen und KollegInnen, SchülerInnen und Studierende im eigenen Umfeld mobilisieren kann, gingen von der Konferenz nicht aus. Das hing auch damit zusammen, dass die auf der Konferenz dominierenden Kräfte sich oft in akademischen Detail-Diskussionen verloren, die für den Aufbau von Protesten nicht entscheidend sind.
Der Aufruf geht trotz aller Schwächen auf die sozialen Probleme eines Bildungssystems ein, das „Marktlogik und Profitmaximierung“ unterworfen ist. Schulen, Ausbildung und Unis sind heute nicht dafür da, alle so gut es geht weiterzubilden, sondern sortieren sozial aus. Meist leben in der Ausbildung die unter schlechteren Bedingungen, die aus ärmeren Umständen kommen. In der Ausbildung wird nicht nach Mindestlohn gezahlt, Bafög reicht nicht aus und „Begabtenförderung“ geht vor allem an Menschen aus reicheren, akademischen Elternhäusern. Gerade in Hauptschulen als soziale „Resteschule“ und in vielen Ausbildungsbereichen ist der Frust groß.
Aktionen 2017
Erste kleinere Aktionen sind von „Lernfabriken meutern“ für den Zeitraum bis März geplant, eine weitere Konferenz und die Planung von größeren Protesten im Juni 2017 stehen dann für März an. In dem Zeitraum wird sich zeigen, ob die Bewegung Fahrt aufnimmt und wie die Strukturen für weitere Aktionen aufgestellt sind. Sollten die OrganisatorInnen bei ihrer akademischen Herangehensweise an solche Treffen bleiben, wird es schwierig über Studierende hinaus, AktivistInnen zu erreichen.
Zum Aufbau von Protesten braucht es von unten organisierte kämpferische Gruppen, die mit klaren Forderungen rausgehen. Wir dürfen uns nicht an dem orientieren, was das Bildungssystem uns vorgibt, sondern müssen das fordern, was wir für ein gutes Leben brauchen.