Teil 4: Frauen – und Familienpolitik
Die Alternative für Deutschland ist bereits in zehn Landesparlamenten vertreten. Allerdings hat sie immer noch Schwierigkeiten, Frauen für sich zu mobilisieren. Kein Wunder, denn das Programm der AfD ist ein Frauen-Benachteiligungs-Programm.
von Aleksandra Setsumei, Aachen
Einkommen
Frauen verdienen bekanntermaßen weniger als Männer, sind öfter in Teilzeit- und Leiharbeit beschäftigt und öfter von Altersarmut betroffen. Vierzig Prozent der Alleinerziehenden, wovon die meisten Frauen sind, leben von Hartz IV.
Gerade sie würden unter AfD-Konzepten wie der „aktivierenden Grundsicherung“ * leiden. Was genau die AfD mit der „aktivierenden Grundsicherung“ meint, erklärt sie nicht. Da sie aber „aktivierend“ wirken soll, bedeutet das, dass sie niedrig genug sein muss, um Menschen zur Annahme von Billigjobs zu zwingen und unterstellt dabei, dass Arbeitslose bloß zu faul wären.
Solche Pläne treffen immer die mit den geringsten Einkommen, also Frauen, am härtesten.
Abtreibung
„Die Alternative für Deutschland wendet sich gegen alle Versuche, Abtreibungen zu bagatellisieren, staatlicherseits zu fördern oder sie gar zu einem Menschenrecht zu erklären.“
Während Frauen in Polen und Irland auf die Straßen gehen und für das Recht, über eigene Körper entscheiden zu dürfen, kämpfen, macht die AfD kurzen Prozess: Da der Lebensschutz schon beim Embryo beginne, müsse das Ziel jeder Schwangerenkonfliktberatung der „Schutz des ungeborenen Lebens“ sein. Bezeichnend ist, in welchem Zusammenhang die AfD sich über Abtreibungen beklagt – im Kapitel unter der Überschrift: „Mehr Kinder statt Masseneinwanderung“ (Kapitel 6.2. AfD-Grundsatzprogramm).
Familienbild
Die AfD setzt sich dafür ein, die gesellschaftlich organisierte Betreuung durch Institutionen wie Krippen oder Ganztagsschulen einzuschränken und durch „tatsächliche Wahlfreiheit“ zu ersetzen. Eine solche Politik würde dazu führen, dass weniger Kitaplätze und Betreuungsangebote zur Verfügung stünden. Das Ergebnis wäre keine „Wahlfreiheit“, sondern der Zwang für viele Eltern, vor allem Mütter, mit dem Kind zu Hause zu bleiben.
Richtig ist: Berufstätige Eltern möchten mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen, als das heute lange und flexibilisierte Arbeitszeiten zulassen. Sie wollen, dass ihre Kinder in Kitas nicht bloß aufbewahrt, sondern gut betreut werden. Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich, kurze Wege zur Arbeit und mehr Personal in Kitas wären die Lösung. Die AfD will nichts davon.
Familienfreundliche Politik?
Die AfD gibt vor, sich für die Familien einzusetzen. Sie fordert Wertschätzung der Elternarbeit und möchte damit Familiengründungen attraktiver machen.
Dabei ist nicht die fehlende Anerkennung der Grund dafür, dass viele Menschen sich gegen die Gründung eigener Familien – in welcher Art und Form auch immer – entscheiden. Es ist die einfache soziale Realität, die dies für viele junge Menschen unmöglich macht. Ihre Situation ist geprägt von Unsicherheit und Leistungsdruck. Mehr als die Hälfte der unter 25-jährigen Angestellten arbeiten befristet. Diejenigen, die eine Ausbildung absolvieren, erfahren oft erst in den letzten Monaten, ob sie von ihrem Betrieb übernommen werden oder nicht.
Wie sollen die jungen Leute unter solchen Bedingungen ihr Leben oder gar eine Familie planen?
Es ist die Politik des Neoliberalismus und der Kürzungen, die die Unsicherheiten schaffen. Die Umsetzung des Programms der AfD mit Privatisierung von Wohnungen, Kürzungen der Löhne und Sozialleistungen usw. würde jede Art von Familienleben sogar noch schwieriger machen.
Häusliche Pflege
„Die AfD will Familienarbeit in der Pflege als Beitrag für das Gemeinwohl gesellschaftlich anerkennen. Die individuelle häusliche Pflege muss zu einem Hauptbestandteil der sozialen Sicherungssysteme werden.“
Das bedeutet nichts anderes als Verlagerung der Last vom Staat auf die Familie. Dadurch würden das Risiko und die resultierenden Lasten von Krankheit und Alter privat von der Familie getragen.
Es sind die Frauen, die meistens die häusliche Pflegearbeit übernehmen (fast drei Viertel der Pflegepersonen sind Frauen). Meistens verdient die Frau weniger und zieht bei der Entscheidung, wer zu Hause bleiben soll, den Kürzeren. Damit wird sie zur unentgeltlichen Arbeit zu Hause verurteilt – belohnt würde sie mit ‚gesellschaftlicher Anerkennung‘.
Finanzielle Unabhängigkeit
Grundlage für eine Gleichbehandlung der Frau ist ihre finanzielle Unabhängigkeit. Diese setzt in der kapitalistischen Gesellschaft ein eigenes und ausreichendes Einkommen voraus. Würden Frauen durch Kindererziehung und Pflege zu Hause bleiben müssen, könnten sie nicht erwerbstätig sein. Damit wären sie finanziell absolut von ihren Männern abhängig und von einer Gleichbehandlung könnte nicht die Rede sein. Deswegen sind Forderungen der AfD frauenfeindlich.
Auf der anderen Seite wollen wir uns nicht mit der aktuellen Lage zufrieden geben. Die SAV setzt sich für kostenlose, qualitativ deutlich verbesserte Kinderbetreuung und Altenpflege, gleichen Lohn für gleiche Arbeit und Arbeitszeitverkürzung ein. Mit diesem Programm würden sowohl Frauen als auch Männer entlastet und hätten mehr gemeinsame Freizeit für PartnerIn, Kinder, Oma und Opa.
Die falschen Lösungen
Die AfD greift demagogisch tatsächliche Probleme auf. Gegenüber dem Leistungsdruck und der Kälte der kapitalistischen Gesellschaft stellt sie die romantisierende Vorstellung der familiären Wärme. Auf diese Weise versteckt sie ihr tatsächliches Ziel: Verlagerung der Erziehungs- und Pflegearbeit auf die Frauen um damit die Lohnnebenkosten für die private Wirtschaft zu senken.
Die Umsetzung des Programms der AfD bedeutet einen Rückschritt in jeder feministischen Hinsicht. Statt finanzieller Unabhängigkeit erwartet Frauen unbezahlte häusliche Reproduktionsarbeit. Statt Vielfalt der Geschlechterverhältnisse strenge Geschlechterrollen. Damit werden keine Probleme gelöst, sondern die Situation der Lohnabhängigen und Erwerbslosen, besonders der Frauen, real verschlechtert.
* Alle Zitate stammen aus dem AfD-Grundsatzprogramm