Frauen setzen sich zur Wehr

Proteste in Argentinien, Island, Irland und Polenseite-2_polen1

Frauen in Argentinien, Island, Irland und Polen setzen sich gegen gegen Diskriminierung, Unterdrückung und Gewalt zur Wehr. Sie zeigen, dass nicht der Staat oder bürgerliche Parteien für unsere Interessen kämpfen, sondern wir unsere Zukunft in die eigene Hand nehmen müssen.

von Anne Engelhardt, Kassel

Während die AfD oder die polnische Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ vor den ‚frauenfeindlichen Flüchtlingen‘ warnen, die ‚unsere Frauen‘ belästigen, sind vor allem sie es, die das Rad der Geschichte zurückdrehen und Frauen wieder an den Herd schicken wollen.

Mein Körper, meine Entscheidung

Teil der Diskussion um Frauenrechte ist dabei immer wieder das Recht die eigene Sexualität und den Zeitpunkt sowie das ‚Ob‘ der Schwangerschaft frei entscheiden zu können. Dieses Recht wird insbesondere vom bürgerlichen Staat und der Kirche eingeschränkt und teilweise ganz abgeschafft. In einer Gesellschaft, in der alles der Profitmaximierung dienen soll, gleicht es einer anhaltenden Rebellion, dass sich der Frauenkörper hinsichtlich der Geburt neuen Lebens einfach nicht kontrollieren lässt. Und doch werden immer wieder neue Regelungen erdacht, um dieses Maß der Freiheit irgendwie unter Kontrolle zu bringen.

Irland: ‚Repeal the 8th‘

Seitdem vor vier Jahren Savita Halappanavar in Irland sterben musste, weil ihr trotz hohem Gesundheitsrisiko ein Schwangerschaftsabbruch verwehrt wurde, ist das Thema erneut an die Öffentlichkeit gelangt. Unsere GenossInnen in Irland unterstützen gemeinsam mit anderen FeministInnen in der Organisation ROSA (For Reproductive Rights, Against Oppression, Sexism and Austerity) Frauen darin, sichere und kostenlose Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Gemeinsam mit ÄrztInnen haben sie einen Bus, einen Zug und unlängst eine Drohne organisiert, um Tabletten für den Schwangerschaftsabbruch von Nord- nach Südirland zu transportieren. Am 24. September beteiligten sich mehr als 20.000 Menschen an einer Demonstration in Dublin.

Es sind die Katholische Kirche und der Staat, die Frauen ihr Recht auf Selbstbestimmung verbieten, auch wenn deren Vertreter sich gern als Bewahrer von ‚Nächstenliebe‘ und ‚Toleranz‘ hinstellen. In Wirklichkeit sorgen Lohnabhängige, Jugendliche und SozialistInnen für die Umsetzung progressiver Rechte. Der Paragraph 8 der irischen Verfassung sieht ein Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen vor. Die Forderung der Bewegung „Repeal the 8th“ zielt darauf ab, diesen Paragraphen zu streichen und Schwangerschaftsabbrüche zu legalisieren.

Aufstand der Frauen in Polen

In Polen gingen am 3. Oktober über 140.000 Menschen auf die Straße. Vor allem Frauen, unterstützt durch die Solidarität vieler Kollegen, Partner und Freunde, wehrten sich gegen die sexistische Kampagne von Regierung und Abtreibungsgegnern, die das Recht auf Schwangerschaftsabbruch weiter einschränken wollen. Seit vielen Monaten haben AktivistInnen und auch unsere Schwesterorganisation des CWI in Polen gegen die Verschärfung des Abtreibungsrechts protestiert. Der 3. Oktober, der „Schwarze Montag“, übertraf jedoch alle Erwartungen. Die Regierung war gezwungen an der Frage der reaktionären und sexistischen Politik eine Kehrtwende einzuleiten. Sie nahm das Gesetz zurück. Doch der Kampf geht weiter, denn weiterhin versucht die Regierung, das Abtreibungsrecht zu verschärfen.

Argentinien

Am 19. Oktober diesen Jahres gingen in Argentinien rund 100.000 Frauen auf die Straße. Tausende hatten zuvor den Arbeitsplatz verlassen. Anlässlich des Todes einer 16-Jährigen, die den Folgen sexueller Misshandlungen erlag, demonstrierten sie am „Schwarzen Mittwoch“ gegen Gewalt an Frauen. Laut der NGO ‚La Casa del Encuentro‘ stirbt in Argentinien alle dreißig Stunden eine Frau an häuslicher Gewalt. Auch in zahlreichen anderen lateinamerikanischen Ländern gingen zehntausende Frauen auf die Straße.

Island

In Island haben 1975 zehntausende Frauen und Mädchen für gleiche Löhne, gegen Sexismus und für die Gleichverteilung der Hausarbeit gestreikt. Auch 1985, 2005 und 2010 hatten Frauen landesweit die Arbeit niedergelegt. Doch immer noch verdienen Frauen 14 Prozent weniger als Männer. Aus diesem Anlass folgten nahezu alle weiblichen Beschäftigten am 24. Oktober diesen Jahres einem Aufruf des isländischen Gewerkschaftsdachverbandes und verließen die Arbeit 14 Prozent der Arbeitszeit früher als ihre männlichen Kollegen.

Die Tradition des Frauenstreiks

Die Protestform des landesweiten Frauenstreiks knüpft an Traditionen aus den USA, Russland, Großbritannien und der Schweiz an. Denn Frauen haben oft eine Vorreiterrolle bei Kämpfen gespielt: So streikten im 19. Jahrhundert New Yorker Textilarbeiterinnen für höhere Löhne und den 8- Stundentag. 1917 waren es ebenfalls Textilarbeiterinnen, die in St. Petersburg streikten und damit die Februarrevolution lostraten. In Großbritannien gab es 1969 einen Frauenstreik in den Ford-Werken. Er richtete sich gegen ungleiche Löhne und mündete in das Gesetz für gleiche Bezahlung.

In der Schweiz rief der Schweizerische Gewerkschaftsbund am 14. Juni 1991 zum landesweiten Frauenstreik auf. Es ging gegen die ungleiche Verteilung der Hausarbeit und Lohnunterschiede von bis zu 40 Prozent. Motto des Streiks war „Wenn Frau will, steht alles still“. Rund eine halbe Million Frauen folgten dem Streikaufruf.

Frauenstreiks können erfolgreich sein, wenn sie von Gewerkschaften und der breiten Mehrheit der Bevölkerung getragen werden. Objektiv haben Männer, die selbst lohnabhängig sind und ausgebeutet werden, kein Interesse an Sexismus. Wie Rassismus dem gemeinsamen Kampf gegen Kapitalismus schadet, so trifft auch der tief sitzende Sexismus die Arbeiterbewegung wie ein Boomerang und muss daher immer wieder bekämpft werden.

Und in Deutschland?

Auch hier gibt es immer noch die Paragraphen 218 und 219. Frauen müssen sich immer noch peinlichen und paternalistischen Beratungen unterziehen und für den Eingriff die Kosten oft selbst übernehmen. Die SAV kämpft für die Abschaffung der Paragraphen 218 und 219 im Strafgesetzbuch, von Hartz IV und für den Ausbau kostenloser Kinderbetreuung, Kranken- und Altenpflege, Bildung und kommunaler medizinischer Dienste.

Mit dem Reichtum dieser Gesellschaft, lassen sich diese Forderungen leicht umsetzen und die Beschäftigten in diesen Sektoren – die ebenfalls häufig Frauen sind, gut bezahlen. Gleichzeitig wissen wir, dass das nicht ausreicht. Weder Überwachung, noch etablierte Parteien werden uns schützen oder für unsere Selbstbestimmung sorgen. Im Gegensatz dazu kann eine breite Bewegung von Gewerkschaften, linken Organisationen und Parteien sowie Frauenverbänden das Rollback stoppen und für eine Gesellschaft, frei von Gewalt, Ausbeutung und Unterdrückung kämpfen.