Nach rassistischen Übergriffen werden Geflüchtete beschuldigt
In der Nacht vom 14. zum 15. September eskalierte auf dem Kornmarkt in Bautzen die Situation: zwanzig unbegleitete jugendliche Asylsuchende und circa achtzig Rassisten trafen dort aufeinander. Nach Darstellung der Polizei sollen die physischen Auseinandersetzungen von den jugendlichen Geflüchteten ausgegangen sein, die sich regelmäßig auf dem Platz treffen, weil es dort einen freien WLAN-Zugang gibt. Dieser Darstellung widersprechen jedoch zahlreiche Augenzeugenberichte.
von Steve Hollasky, Dresden
Sowohl der Verein „Bautzen bleibt bunt“, als auch die Partei DIE LINKE bezweifeln den von der Polizei dargestellten Tathergang. So wurde außer Acht gelassen, dass bereits lange vor der Nacht vom 14. zum 15. September Rechte die jugendlichen Geflüchteten gezielt provozierten. Schon Monate zuvor war in Bautzen ein als Asylsuchendenunterkunft geplantes Haus angezündet worden. Umstehende bejubelten das Geschehen und behinderten die Löscharbeiten der Feuerwehr. Die Vorfälle auf dem Kornmarkt waren das Ergebnis einer monatelangen Eskalationsstrategie rechter Kräfte. Trotz dieser weithin bekannten Vorgeschichte ging die Polizei in der Nacht vom 14. zum 15. September und auch danach äußerst einseitig vor: Die jugendlichen Asylsuchenden erhielten Platzverweise, ihnen wurde ab 19 Uhr „Hausarrest“ auferlegt und der Konsum von Alkohol untersagt. Die gesamte sächsische Rechte feierte dies in sozialen Netzwerken als Erfolg ihres Vorgehens.
Der Version der Polizei widerspricht ebenso der Umstand, dass es Verletzte nur auf Seite der Asylsuchenden gab. Als ein Krankenwagen die Unterkunft der jugendlichen Geflüchteten anfuhr, um die Opfer zu versorgen, wurde er von einem rassistischen Mob mit Steinen attackiert und so die Versorgung verhindert. Die wurde erst möglich, als die Polizei die Anfahrt eines weiteren Krankenwagens absicherte.
Nicht wenige Aussagen malen die Nacht von Bautzen in dramatischen Farben: Die Geflüchteten hätten sich lediglich gegen Übergriffe gewehrt und seien von Rassisten durch die Stadt gehetzt worden.
Potential für Widerstand
Reaktionen auf die Übergriffe kamen schnell und deutlich: Am Wochenende nach den Vorfällen gingen 450 AntifaschistInnen aus ganz Ostsachsen in Bautzen auf die Straße, um dem rechten Terror etwas entgegenzusetzen. Zeitgleich demonstrierten auch hundert Rechte durch Bautzen. Dennoch war das Polizeiaufgebot bei der antifaschistischen Demonstration weitaus größer. Gut eine Woche nach der Nacht auf dem Kronmarkt, demonstrierten über 500 Menschen mit einer Menschenkette gegen rassistisch motivierte Gewalt.
Endlich Antwort finden
Bautzen ist kein „braunes Nest“ in einem „braunen Sachsen“. Es gibt nicht Wenige, die bereit sind, sich gegen rechte Übergriffe zu wehren. Viel zutreffender ist die Einschätzung, dass es der Linken bislang nicht gelungen ist, angemessen auf die Übergriffe zu reagieren. Die Partei DIE LINKE hat bislang nicht eine einzige Protestaktion gegen die Übergriffe in Bautzen organisiert. Das überließ sie ausgerechnet der SPD, die rassistische Gesetze und Sozialabbau mit zu verantworten hat. Während es einer gut vernetzten Rechten gelingt, ihre Anhänger auf die Straße zu rufen, versagt die Linke bei dieser Aufgabe. Die Antwort auf die soziale Demagogie der Rechten, die Geflüchtete für all die hausgemachten Übel des Kapitalismus – wie Armut, schlechte Infrastruktur, steigende Mieten und Entlassungen – verantwortlich macht, müssten gemeinsame soziale und antirassistische Kämpfe von hier Geborenen und Geflüchteten sein. Denn sie alle sind MieterInnen, Angestellte, ArbeiterInnen, Jugendliche und Arbeitslose. Und daher einen sie die gleichen Interessen: Geringe Mieten, menschenwürdiges Wohnen und hohe Löhne.
Genau das muss man den Menschen zeigen und zwar nicht theoretisch, sondern im Kampf auf der Straße, in der Schule und im Betrieb für soziale Verbesserungen für alle.