Linksruck bei der SPD?

WIR-SPD-Kampagne-wirtschaft-industrie-RüstungViel Schall und Rauch vor der Bundestagswahl

Laut Umfragen der letzten Wochen dümpelt die SPD bundesweit bei um die zwanzig Prozent. Bei den Landtagswahlen im März verlor die Partei viele Stimmen und es sieht danach aus, als könnte sie in der Großen Koalition nur weiter verlieren. Sigmar Gabriel setzt nun auf eine „neue“ Rhetorik, um WählerInnen für seine Partei zu gewinnen. Bereits vor Wochen kündigte er an, er wolle die Mitte der Gesellschaft nach links verschieben.1 Hören wir die ersten Töne einer neuen linken Musik aus den Reihen der SPD?

von Leonie Meliones, Hamburg

Sigmar Gabriel setzt auf ein kurzes Gedächtnis der WählerInnen. Innerhalb der letzten Jahre, Monate und Wochen konnten wir ihn bei mehreren Kehrtwendungen beobachten. Er wechselt Forderungen und Positionen im Takt anstehender Wahlen und Wahlprognosen. Aktuell spricht er über die Wiedereinführung der Vermögenssteuer (mit Einschränkungen), davon, das Rentenniveau auf dem heutigen Stand zu halten und ein progressives Bündnis mit anderen linken Parteien gegen die „radikalen bürgerlichen Rechten“ zu bilden.2 Von seiner Offenheit gegenüber Rot-Rot-Grün, die er in einem Gastbeitrag im Spiegel klar formulierte, distanzierte er sich nach Kritik von den eigenen „GenossInnen“ kurz danach wieder.3 Das bedeutet nicht, dass die SPD nicht zum eigenen Überleben versuchen kann, das Thema Rot-Rot-Grün später wieder aufzugreifen.

Alte Strategie, nicht mal neu verpackt

Wenn Gabriel diese oder ähnliche, teilweise radikalere Versprechen nicht schon 2010 geäußert hätte, um WählerInnen zu locken, könnte ihm vielleicht jemand Glauben schenken. Was davon nach der Wahl überlebt? Nicht viel bis gar nichts. Niemand sollte vergessen, dass die Agenda 2010 von Rot-Grün eingeführt wurde. Hartz IV, prekarisierte Arbeitsverhältnisse und Kürzungen im Sozialbereich sind das Erbe dieser Partei und Gabriel stellt all dies nicht in Frage. Die Renten wurden auch unter Rot-Grün gekürzt und die SPD hat nach der Abschaffung der Vermögenssteuer im Jahr 1997 in der rot-grünen Regierungszeit von 1998 bis 2005 nichts unternommen, um die Vermögenssteuer wieder einzuführen.

Alles was Gabriel vorzuweisen hat, sind „soziale“ Versprechen, die er aus dem Hut zaubert, wenn er gerade ein rotes Image für anstehende Wahlen benötigt.

Realitätscheck

Auch die aktuell reale Politik der SPD sieht anders aus: Sie begünstigt Reiche und drangsaliert Arme. Gerade hat die SPD der Erbschaftssteuerreform zugestimmt. Während damit Firmenerben begünstigt werden, plant Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles die Einführung von 100.000 Ein-Euro-Jobs für Geflüchtete, die jedoch statt mit einem Euro pro Stunde mit achtzig Cent vergütet werden sollen.4 Zudem wurde soeben die Hartz-IV-Reform aus dem Hause Nahles beschlossen. Ursprünglich war vorgesehen, alleinerziehenden Müttern Leistungen für die Zeit zu kürzen, in der die Kinder vom Vater betreut werden. Dies wurde durch heftige Kritik und Proteste verhindert. Davon abgesehen wird die Reform jedoch dazu führen, dass verstärkte Sanktionsmöglichkeiten und eingeschränkte Rechte bei fehlerhaften Bescheiden Hartz IV-EmpfängerInnen das Leben noch schwerer machen. Diese Reform erlaubt dem Staat per Gesetz Menschen zu schikanieren, bis ins Private zu kontrollieren und fast beliebig zu bestrafen.5 Staatlich sanktionierte Diskriminierung, das verdanken wir unter anderem der SPD. Das ist nicht links und sozial, sondern neoliberal und menschenverachtend.

1 http://www.fr-online.de/politik/spd-rhetorischer-linksschwenk,1472596,34336236.html

2 http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/spd-und-umverteilung-gabriel-erwaermt-sich-fuer-vermoegensteuer-14275271.html

3 http://www.spiegel.de/politik/deutschland/sigmar-gabriel-meister-der-verwirrung-kommentar-a-1098899.html

4 http://www.tagesspiegel.de/politik/integrationsgesetz-nahles-plant-80-cent-jobs-fuer-fluechtlinge/13715804.html

5 https://www.tagesschau.de/kommentar/hartz-vier-kommentar-101.html