Französischer Arbeitskampf bei Amazon

amazon_frankreichIn der Südost-französischen Stadt Montelimar wurde Anfang Juli ein Amazon-Logistik-Standort bestreikt und blockiert. Nach Zwölf Tagen Arbeitskampf wurde die Arbeit wieder aufgenommen. Verbesserungen wurden erkämpft und das Selbstbewusstsein der Belegschaft enorm erhöht. Wir haben ein Interview mit Mathieu Jardin geführt, er ist Mitglied der Gauche Révolutionnaire (CWI Frankreich) und Gewerkschafter der CGT im Departement Drôme.

Wie wird es bei „Amazon.fr Logistique“ weitergehen?

MJ: Am 02.06. wurde für die Wiederaufnahme der Arbeit ab Montag, den 06. Juni gestimmt. Es gab ein gemeinsames Mittagessen in Solidarität mit der letzten Streikposten-Schicht nach neun Tagen dauerhafter Besetzung.

Wie haben sich die Gewerkschaften in diesem Arbeitskampf eingebracht?

MJ: Die Gewerkschaften haben in den Betrieben zu finanzieller Solidarität aufgerufen und für die Streikenden gesammelt. Zudem wurde ein Aufruf der Klassen-Solidarität über die sozialen Netzwerke und gewerkschaftlichen Kanäle verbreitet. Die „Union Locale“ (UL, lokale Gewerkschaftsstruktur) hat Solidaritäts-Mittagessen vorbereitet und mit einer freien Spende ebenfalls für die Streikenden gesammelt. Die UL-Montélimar hat dauerhaft zwischen drei und zehn GewerkschafterInnen aus ihrem Hauptamtlichen-Apparat gestellt, um den Amazon-Streikposten in 24 Stunden Schichten zu unterstützen. Soliflugblätter wurden täglich neu herausgebracht und verbreitet, um den Streik bekannter zu machen. Die UD (Union Departement,regionale Gewerkschaftsstruktur) hat ebenfalls offizielle Vertreter zu Hilfe geschickt. Die CGT Amazon hat andauernd mit allen vier Amazon-Standorten in Frankreich gearbeitet. Jeden Tag wurden Vollversammlungen von StreikaktivistInnen abgehalten, um über den Fortgang der Bewegung zu entscheiden und die Dinge zu organisieren. 15 vorher unorganisierte Streikende haben sich der CGT angeschlossen; das waren die kämpferischsten, die auch eine sehr wichtige Rolle im Streik gespielt haben. Die CGT hat auch die „Nuit Debout“-Bewegung zur Solidarität aufgerufen und hat sich darüber hinaus an all diejenigen gewandt, die bereit sind, gegen die Ungerechtigkeit des Kapitalismus zu kämpfen. Und sie hat eine Solidemo mit Startpunkt direkt vor dem Amazon-Standort organisiert.

Was war die Rolle der „Nuit Debout“?

MJ: AktivistInnen von „Nuit Debout“ waren von Beginn an dabei und haben dauerhaft mit drei bis zehn AktivistInnen den Streikposten unterstützt. Tag und Nacht, während der gesamten Dauer des Konflikts. Heute organisieren sie eine großangelegte Soli-Sammlung, um den Streikenden dringend benötigte finanzielle Hilfe zukommen zu lassen. Die „Nuit Debout“-Bewegung ist aber sehr heterogen – AktivistInnen bezeichnen sich u.a. als antikapitalistisch, aktivistisch, reformistisch, opportunistisch, humanistisch, solidarisch… insofern hat „Nuit Debout“-Montelimare ein politisches Flugblatt herausgebracht, in dem sie versuchen, an von der PS (Parti Socialiste, regierende sozialdemokratische Partei) enttäuschte Schichten zu appellieren und sich zum neuen Sprachrohr der Arbeiterbewegung zu machen. Aber zumindest haben drei ihrer Vollversammlungen auf dem Betriebsgelände stattgefunden, um dort über die Art und Weise der Unterstützung zu entscheiden. Auf regionaler Ebene hat „Nuit Debout“ Drome-Ardèche eine große Solidemo anläßlich der Gerichtsverhandlung gegen einen Belegschaftsvertreter organisiert, welche eine Rolle dabei gespielt hat, den Einsatz der CRS-Robocops um einen Tag zu verzögern.

Und gibt es aktuell schon konkrete Gewinne aus dem Kampf?

MJ: Wir haben die „Modulation“ erkämpft, d.h. der Samstag ist zukünftig arbeitsfrei. Außerdem wurde die Höhe von individuellen Prämien verdoppelt und die Löhne wurden allgemein um 0,5% erhöht! Die Belegschaft fühlt sich massiv gestärkt für die nächsten verpflichteten Verhandlungen die jährlich stattfinden. Ein weiterer Gewinn ist die Erfahrung der unglaublichen Solidarität. Einerseits unter den Amazon-ArbeiterInnen als die Unternehmensführung angeboten hatte, die Löhne nur am Standort in Montelimar um 1%, an den anderen drei jedoch nicht zu erhöhen – das wurde geschlossen abgelehnt, um sich nicht von oben spalten zu lassen. Andererseits die Solidarität und Hilfe der Gewerkschaften, der AktivistInnen von Nuit Debout und der lokalen Bevölkerung. Auch wenn das Ziel einer 1%igen-Lohnerhöhung nicht erkämpft wurde – so war unser Arbeitskampf ein erster Sieg!