ArbeiterInnen gehen auf die Straße, während der Senat das verhasste Arbeitsreformgesetz diskutiert
von Naomi Byron aus Frankreich für „The Socialist“, die Wochenzeitung der „Socialist Party“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in England und Wales)
Die Regierung Hollande/Valls hatte gehofft, dass der seit Monaten anhaltenden Streikbewegung mit Beginn der Fußballeuropameisterschaft 2016 die Puste ausgehen würde. Doch die Größe und Kampfbereitschaft der Demonstration vom 14. Juni hat gezeigt, dass die Energiereserven immer noch riesig sind. Die OrganisatorInnen sprechen von mehr als einer Million Kolleginnen und Kollegen, die den Weg nach Paris gefunden haben und von großen Kontingenten in weiteren Orten. Beschäftigte aus allen Branchen und Industrie-Bereichen des Landes waren beim Marsch durch Paris dabei und sämtliche Regionen Frankreichs waren vertreten, obwohl die Besitzer einiger Busunternehmen sich geweigert hatten, dem Gewerkschaftsbund CGT Reisebusse für die Fahrt nach Paris zur Verfügung zu stellen.
Weiterhin kommt es zu hunderten von Streiks und Arbeitsniederlegungen. Eine Sache, die ihnen allen gemein ist, besteht darin, dass die Streikenden die völlige Rücknahme des neuen Arbeitsrechtsreformgesetzes fordern.
Man sagt uns, dieses Gesetz sei dazu da, die wirtschaftliche Lage zu verbessern, die Ökonomie „flexibler“ werden zu lassen, damit Arbeitsplätze geschaffen werden können, um so die hohe Erwerbslosigkeit – vor allem unter jungen Leuten – in Frankreich bekämpfen zu können.
Doch die Annahme, dass die Arbeitgeber nur wegen der strengeren Arbeitsschutzgesetze vor Entlassungen ihrer Beschäftigten zurückschrecken, ist völliger Nonsens. Im vergangenen Jahr waren 85 Prozent der Arbeitsverträge für neu Eingestellte in Frankreich befristet, und 70 Prozent dieser Verträge gingen nur über einen Monat oder einen noch kürzeren Zeitraum. Wie viel Flexibilität wollen die Arbeitgeber denn noch?
In Großbritannien wird uns andauernd erzählt, dass wir für einen Verbleib in der EU stimmen müssen, wenn wir unser Arbeitsrecht verteidigen wollen. Dabei hat der nicht durch eine Wahl legitimierte „EU-Kommissar für den Euro und sozialen Dialog“, Valdis Dombrovskis, bei seinem jüngsten Besuch in Frankreich begrüßt: “[Es] ist eine Initiative, die auf die rigiden Bestimmungen auf dem Arbeitsmarkt gerichtet ist, das die Beschäftigung eigentlich fördern soll“.
Im Gegenssatz zu den ArbeiterInnen in Frankreich hat die EU keinen Protest gegen die undemokratische Art und Weise eingelegt, auf die das Arbeitsrechtsreformgesetz auf den Weg gebracht worden ist. Weil sie im Parlament eine Niederlage hätten einstecken müssen, hat die Regierung Hollande/Valls auf einen obscure Teil der Verfassung, auf Artikel 49.3, zurückgegriffen, um das Gesetz ohne wenn und aber durchzudrücken.
Doch der Druck der Straße sorgt dafür, dass es bei der nächsten Lesung in der Nationalversammlung noch unwahrscheinlicher für die Regierung ist, eine Mehrheit zu bekommen. Die Abgeordneten könnten diesen Umstand nutzen, um ein Misstrauensvotum gegen die Regierung anzustrengen. Beim letzten Versuch sind sie damit allerdings gescheitert. Der Kampf wurde somit den Gewerkschaften und den SchülerInnen an den lycées (weiterführende Schulen) überlassen.
Die Gewerkschaften – und unter ihnen vor allem die CGT – waren darauf vorbereitet, Streiks und Demonstrationen auszurufen. Darüber hinaus haben sie ihre Absicht erklärt zu kämpfen, bis dieses Gesetz in Gänze zurückgenommen worden ist. Es fehlt bislang an einer klaren Strategie, wie dies zu erreichen ist.
„Gauche Révolutionnaire“, die Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Frankreich, fordert Versammlungen, auf denen der Kampf organisiert werden kann. Demnach sollen ab dem 15. Juni in allen Orten und Städten Generalversammlungen abgehalten werden, um die nächsten Schritte der Bewegung zu diskutieren und über sie zu beschließen. Im Hafen von Le Havre haben linke AktivistInnen der CGT in noch begrenztem Rahmen gezeigt, wie dies in ganz Frankreich aussehen kann.
Vor jedem neuen Aktionstag haben die GewerkschafterInnen dort über die effektivsten Methoden für die weitere Ausweitung des Kampfes diskutiert – und diese dann in die Tat umgesetzt. Dort sind die Massen in den Kampf mit einbezogen. Das gilt nicht nur für die äußerst effektive Blockade des Hafens und der Stadt sondern auch in dem Sinn, dass an jedem Blockadepunkt Generalversammlungen stattfinden, in deren Rahmen darüber gesprochen wird, wie der Kampf am besten weitergehen kann.
Ein solches Vorgehen kann nicht nur dabei helfen, das besagte Arbeitsgesetz zu verhindern. Es kann auch dazu dienen, diese Revolte zu einer organisierten politischen Opposition gegen die Regierung, die politische Rechte und die rechtsextremen Kräfte werden zu lassen – auf der Grundlage des Kampfes der ArbeiterInnen.