Bericht von den antifaschistischen Protesten gegen den bundesweiten Naziaufmarsch am 4. Juni 2016
Etwa 900-1.000 rechte Hools, Anhänger von NPD, „Die Rechte“ und „III. Weg“ aus dem gesamten Bundesgebiet kamen zum sogenannten „Tag der deutschen Zukunft“ (TDDZ) in die Ruhrgebietsmetropole, um ihre braune Hetze zu verbreiten. Ihnen gegenüber standen etwa fünfmal so viele Menschen, die an verschiedenen Stellen gegen die Nazis demonstrierten. Auch wenn es über den Tag einige Blockaden und Störungen gab, die den Aufzug der Partei „Die Rechte“ verzögern konnten, setzte die Einsatzleitung der Polizei alles daran, antifaschistischen Widerstand unmöglich zu machen.
Bereits im Vorfeld des TDDZ waren viele Menschen in Dortmund empört. Bei einer Pressekonferenz hatte die Polizei Dortmund erklärt, dass sie die Route der Nazis nicht veröffentlichen wird. Stattdessen wurde angekündigt, nicht wie üblich nur AnwohnerInnen mit Flugblättern darüber zu informieren, dass ein größerer Aufmarsch vor ihrer Haustür stattfindet. Sondern diese Infoblätter auch in nicht betroffenen Stadtteilen zu verbreiten! Damit wurde in Kauf genommen, zehntausende DortmunderInnen zu verwirren – um Blockadeversuche von Linken zu erschweren. Gespräche mit dem antifaschistischen Bündnis „BlockaDO“ wurden von Seiten der Polizei von Beginn an verweigert.
Trotzdem gelang es Nazi-GegnerInnen kurz vor dem Aufmarsch noch die Route des Aufmarschs offenzulegen. Von Dortmund-Dorstfeld sollte dieser in den nördlich gelegenen Stadtteil Huckarde führen. Anders als in Dorstfeld konnte durch ausdauernde Anwohnerproteste hier verhindert werden, dass sich die Nazis der Partei „Die Rechte“ weiter ausbreiten. Die widerständigen HuckarderInnen sind den „Rechten“ schon lange ein Dorn im Auge. Seit drei Jahren schon versucht die faschistische Partei erfolglos im Stadtteil ein Büro zu eröffnen. Erst im vergangenen März noch war sie mit einer gerichtlichen Klage gescheitert.
Größere Mobilisierung nötig
Für den 4. Juni hatten zahlreiche Anti-Nazi-Bündnisse Gegenproteste angekündigt. Etwa 2.500 Menschen kamen zu einer Demonstration des „Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus“, dem Bündnis von CDU, SPD, Grünen, Kirchen und dem DGB. Weitere 2.500 beteiligten sich an den Blockadeversuchen von „NoTDDZ“ und BlockaDO. Leider hatten DIE LINKE und Gewerkschaften keine bundesweite Kampagne gestartet, um gegen den TDDZ zu mobilisieren. Die linksjugend [’solid] Dortmund und der Bundesarbeitskreis Revolutionäre Linke hatten sich für bundesweite Unterstützung der linksjugend und LINKEN eingesetzt. Die Resonanz war jedoch begrenzt.
Dafür aber war dieser in Dortmund für Wochen das dominierende politische Thema. Mediale Aufmerksamkeit bekam vor allem auch die Künstlergruppe „Tools for Action“. Diese hatte mit Beschäftigten des Schauspielhauses und SchülerInnen von 18 Schulen über hundert überdimensionale aufblasbare Spiegelwürfel vorbereitet, die bei vielen Aktionen am 4. Juni zum Einsatz kamen.
Der Einsatz der Würfel wurde auch nochmal am Vorabend bei der Kundgebung der Bezirksschüler*innenvetretung geübt. Zu der Kundgebung wurde kurzfristig an mehreren Schulen mobilisiert, um breiten Widerstand gegen die Nazis aufzubauen. Es gab mehrere Workshops unter anderem organisiert von linksjugend [’solid] und SAV zum Charakter der AfD. Außerdem trat der Berliner Rapper Master Al auf.
Blockadeversuche, Gegenproteste und polizeiliche Repression
Beim Treffpunkt von BlockaDO am Dortmunder Hafen um 11 Uhr wurde schnell deutlich, dass die polizeilichen Einsatzkräfte alles daran setzen würden, AntifaschistInnen den Weg in die betroffenen Stadtteile zu versperren. Der öffentliche Nahverkehr dorthin wurde eingestellt und größere Straßen abgeriegelt. Versuche, die Polizeiketten zu Fuß und mit Hilfe der Spiegelwürfel zu durchfließen, wurden mit Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken immer wieder gestoppt. Im Verlauf kassierten die Einsatzkräfte der Polizei die Würfel von BlockaDO und zerstachen diese. Auch wurde es den AntifaschistInnen verweigert, zu anderen Anmeldungen von Anti-Nazi-GegnerInnen zu stoßen.
Gegen Mittag gelang es dann etwa 200 Personen auf zwei Ebenen den S-Bahnhof Dorstfeld zu blockieren, was die Anreise der Nazis zu dem Ort ihrer Auftaktkundgebungsort verzögerte. Auch kleineren Gruppen von AntifaschistInnen schafften es später, in das Aufmarschgebiet einzudringen. Alle Blockadepunkte wurden aber nach und nach geräumt.
Durch zahlreiche Störungen verzögerte sich dann der Start der Nazi-Demo um knapp zwei Stunden. Ein massives Aufgebot von 4-5.000 Polizisten mit Räumpanzern, Wasserwerfern, Sperrgittern und Hundestaffeln aus 15 Bundesländern sicherte dann aber deren weiteren „ungestörten“ Verlauf. Dabei wurden zahlreiche Verletzungen von Nazi-GegnerInnen in Kauf genommen und die beiden betroffenen Stadtteile abgesperrt und in einen Ausnahmezustand versetzt. Insgesamt wurden 16 AntifaschistInnen festgenommen. Die WAZ berichtete am Rande von einer Hochzeit in Huckarde, die von der Polizei begleitet und abgeschirmt werden musste.
„Den Nazis wird (…) der rote Teppich ausgerollt“
BlockaDO hatte für den späten Nachmittag zu einer Demonstration durch die migrantisch geprägte Nordstadt aufgerufen, zu der 1.000 Menschen kamen. Hier drückte sich vor allem dagegen Wut aus, wie die Polizei mit antifaschistischen Protesten und Blockaden umging. Wie ein BlockaDO-Sprecher im Lautsprecherwagen richtigerweise sagte: „Den Nazis wird in dieser Stadt immer der roten Teppich ausgerollt“. Kritisiert wurde auch, wie der Polizeipräsident im Vorfeld Angst vor tausenden gewaltbereiten Autonomen geschürt habe, die entlang der Route Depots mit Steinen errichten würden. Tatsächlich konnte die Einsatzleitung der Polizei am Tag selber allerdings nur von einem einzigen Steinwurf berichten.
Als die DemonstrantInnen kurz vor dem Tatort des von dem rechten Terror-Netzwerk NSU ermordeten Mehmet Kubaşık für eine Gedenkminute Halt machen wollte, kesselte die Polizei aber auch diese Versammlung. Sprechchöre wurden gerufen wie „Nazis morden, der Staat schaut zu – Verfassungsschutz und NSU“ oder „Nazis morden, der Staat macht mit – der NSU war nicht zu dritt!“.
AnwohnerInnen brachten den Gekesselten immer wieder Essen und Getränke und zeigten ihre Solidarität. Nach Stunden dann erreichte die antifaschistische Demonstration schließlich den Hauptbahnhof, wo die Versammlung beendet wurde.
Intervention von Linksjugend [’solid] und SAV
Gemeinsam mit Linksjugend [’solid] Dortmund hatten sich SAV-Mitglieder in die Vorbereitungen und die Struktur von BlockaDO eingebracht und eine eigene politische Kampagne auf die Beine gestellt.
Es wurden in den Monaten vor dem TDDZ etwa 15.000 Flyer (Link zu Flyer: http://solid-dortmund.blogspot.de/2016/05/040616-nazis-stoppen.html) von Linksjugend [’solid] Dortmund verteilt, weitere hunderte Aufkleber und Plakate verklebt. Es gab wöchentliche Verteilungen vor Dortmunder Schulen und ein Blockadetraining mit der ver.di Jugend. Zahlreiche Mitglieder der Basisgruppe sind zu Mobiveranstaltungen in anderen Städten gefahren. Auf Bundeskongressen der LINKEn, ihrem Jugend- und Studierendenverband wurde für bundesweite Unterstützung der Gegenproteste geworben. Der BAK Revolutionäre Linke mobilisierte seine Mitglieder. Zu der Kungebung der Bezirksschüler*innenveretung am Vorabend des TDDZ hatten auch Linksjugend-Mitglieder beigetragen.
Am 4. Juni selber beteiligten sich SAV-Mitglieder aus neun Städten an verschiedenen Protest- und Blockadepunkten. Linksjugend [’solid] hatte bei den Demos von BlockaDO einen Block organisiert mit eigenem Ordnerdienst, kämpferischen Parolen, Fahnen und Bannern. Svenja Jeschak, Mitglied von Linksjugend [’solid] und SAV Dortmund konnte bei der Abschlussdemonstration von BlockaDO sprechen. In ihrer Rede (Link zu Video: https://www.youtube.com/watch?v=bk1I3t6zrwQ) betonte sie, dass es nicht alleine ausreicht, gegen die Nazis auf die Straße zu gehen und sie zu blockieren. Sondern dass Kampf gegen rassistische und faschistische Ideen auch mit dem Kampf gegen Ausbeutung, Arbeitsplatzmangel und Wohnungsnot und für gleiche Rechte für alle verbunden werden muss. Schuld an der sozialen Misere vieler hier lebender Menschen sei schließlich nicht die Geflüchteten, sondern der Kapitalismus selbst.
Die SAV Dortmund lädt alle Interessierten am 14. Juni zu einer Versanstaltung mit dem Thema: Revolution und Bürgerkrieg in Spanien 1931 bis 1939 ein.