Die Betriebsbesetzung von Erwitte

Cover-Erwitte-fuer-WebRezension des Buches „Wir halten den Betrieb besetzt“

Im Jahr 1975 besetzten in der westfälischen Kleinstadt Erwitte rund 150 Arbeiter für fast zwei Monate das Zementwerk Seibel & Söhne (S&S). Das Buch „Wir halten den Betrieb besetzt“, herausgegeben von Dieter Braeg, erzählt die Geschichte dieser ersten Betriebsbesetzung in der Bundesrepublik. Es enthält u. a. Interviews, Reden, Texte aus der von den Besetzern herausgegebenen Zeitung „Streikstimme“, Fotografien sowie die Dokumentation „Die Rollen der Frauen im Arbeitskampf in Erwitte“. Dem Buch liegt eine CD-ROM mit weiteren Dokumenten bei. Thematisiert werden u. a. wirtschaftliche Hintergründe, die Rolle der Gewerkschaft, der Anteil der Frauen am Kampf sowie die Öffentlichkeits- und Solidaritätsarbeit.

Dieter Braeg (Hg.): „Wir halten den Betrieb besetzt“. Texte und Dokumente zur Besetzung der Zementfabrik Seibel & Söhne 1975, Berlin: Die Buchmacherei 2015.

von Sönke Jansen, Dortmund

Besonders lebhaft lassen sich Dynamik und Stimmung des Kampfes nachverfolgen, wenn – auf der Basis einer verschriftlichten Tonbandaufnahme – ein Kollege zu Wort kommt, der am 1. Mai jungen GewerkschafterInnen im besetzten Werk davon erzählt, wie es zur Besetzung kam: Der Unternehmer Seibel forderte den Betriebsrat im Januar auf, der Einführung von Kurzarbeit zuzustimmen. Dieser verlangt vorher Einsicht in die Geschäftsbücher, die Seibel verweigert. Im Gegenteil: Er lehnt es ab, überhaupt mit Gewerkschaftsvertretern zu verhandeln, und kündigt die Entlassung von zunächst 50 Arbeitern an, in den nächsten Wochen erhalten 86 die Kündigung. Jegliche Versuche des Betriebsrates, bis zum Ablauf der zweiwöchigen Kündigungsfrist ins Gespräch mit Seibel zu kommen, scheitern – der Unternehmer vergnügt sich stattdessen im Skiurlaub. Am 7. März wollen die Kollegen mit einem ersten Warnstreik Druck auf die Geschäftsleitung ausüben, doch zu verhandeln – wieder ohne Resultat. Inzwischen empören sich auch immer größere Teile der Bevölkerung über das arrogante Verhalten des Unternehmers. Für den 9. März wird unter dem Motto „Gegen Willkür – für Solidarität“ zu einer Protestveranstaltung eingeladen, an der 2.000 Menschen teilnehmen. Durch die große öffentliche Unterstützung ermutigt, machen die Zementwerker am 10. März einen neuen Vorstoß: Zum letzten Mal wird mit einem Warnstreik versucht, Seibel an den Verhandlungstisch zu holen. Bei der Aktion wird den Kollegen klar, dass sie – unmittelbar vor Inkrafttreten der Kündigungen – mit dem Rücken zur Wand stehen. Kurzerhand entschließen sie sich zur Besetzung: „Eins hat sich da zum andern ergeben, und die Lkw-Fahrer fuhren gleich quer vor die Tore vor. Das war ’ne Stimmung hier! – Ich weiß nicht, man kann sagen, es war einfach da. […] Wir konnten ja nicht mehr anders. Samstag wären doch 86 Mann abgegangen.“ (S. 99 f.)

Während der Besetzung entfaltete die Belegschaft eine große Aktivität: Streikposten kontrollierten die Werkszufahrten, um das Einschleusen von Streikbrechern zu verhindern. Für die interessierte Öffentlichkeit wurde das Werk aber geöffnet. Solidaritätsdelegationen aus der Bevölkerung und anderen Betrieben, Schulklassen und VertreterInnen von Parteien und linken Gruppen gingen ein und aus. Bei Familiennachmittagen auf dem Werksgelände hatten die Ehefrauen und Angehörigen der Arbeiter die Möglichkeit, an der Besetzung und den damit verbundenen Diskussionen teilzuhaben. Die Besetzer packten tausende Tütchen mit „Solidaritätszement“ ab, die für eine Mark verkauft wurden. Gemeinsam mit Spendensammlungen in Betrieben, Gewerkschaftsgliederungen, bei Infoständen auf der Straße und bei Solidaritätsveranstaltungen kamen so rund 500.000 Mark für den Kampf zusammen. Durch Pressekonferenzen und die Herausgabe der Zeitung „Streikstimme“ (nach dem Ende der Besetzung „Solidaritätsstimme“) hielt die Belegschaft den Kontakt zur Öffentlichkeit aufrecht und konnte große gesellschaftliche Unterstützung gewinnen.

Wirtschaftskrise, Zementkrieg und die Idee des Strukturkrisenkartells

Die westfälische Zementindustrie war in den 1920er und 1930er Jahren durch viele kleine, häufig von Bauern betriebene, Produktionseinheiten geprägt. Hauptabsatzregion – der Zementmarkt ist aufgrund der hohen Transportkosten sehr regionalisiert – war und ist das stark urbanisierte und industrialisierte Ruhrgebiet. Mit der Technisierung der Zementproduktion begann ein Konzentrationsprozess, dem v. a. in der Zeit direkt nach dem Zweiten Weltkrieg viele kapitalschwache Kleinbetriebe zum Opfer fielen.

Die ersten Jahrzehnte nach dem Krieg waren in Deutschland von wirtschaftlichem Aufschwung (Stichwort: „Wirtschaftswunder“) geprägt, mit dem auch ein Boom der Bauwirtschaft einherging. Dieser kam zwar in den späten 60er Jahren kurz ins Stocken, nahm dann aber wieder an Fahrt auf. In den frühen 70er Jahren wurden die Kapazitäten der Zementindustrie deswegen stark ausgebaut. Unternehmer wie Seibel setzten darauf, nur in begrenztem Umfang neue Arbeitskräfte einzustellen und dafür durch massive Überstunden (zeitweise arbeiteten Zementwerker entgegen gesetzlicher Vorschriften bis zu 400 Stunden im Monat) die Ausbeutung der vorhandenen Arbeiter auf die Spitze zu treiben.

Plötzlich kam es aber 1974 zu einem Ende des Baubooms, im Zuge der sogenannten Ölkrise verdoppelte sich der Preis des zur Zementproduktion erforderlichen schweren Heizöls. In der westfälischen Zementindustrie entbrannte ein Preiskrieg, weil die Unternehmen im Kampf um Marktanteile ihren Zement zu Dumpingpreisen auf den Markt warfen, die teilweise unter den Produktionskosten lagen. 1.000 der 3.600 Arbeitsplätze der westfälischen Zementindustrie galten damals als gefährdet – betrachtet man, dass die meisten Kollegen Alleinverdiener kinderreicher Familien waren und es aufgrund der Monostruktur der regionalen Wirtschaft und der allgemeinen Krise keine alternativen Arbeitsplätze gab, war ein großer Teil der Bevölkerung dieser Region durch die Krise der Zementindustrie in ihrer Existenz bedroht. In dieser Situation versuchte Seibel, seinen Betrieb mit Kurzarbeit und Entlassungen auf eine Kooperation mit dem benachbarten Zementwerk Wittekind vorzubereiten, dessen Inhaber als stiller Teilhaber sogar den Löwenanteil des Kapitals an S&S hatte.

Der Lösungsvorschlag reformistischer Gewerkschaftsführer für die Krise der Zementindustrie war die Bildung eines Strukturkrisenkartells. DGB-Chef Heinz Oskar Vetter erklärte dieses Konzept in seiner Rede – nach Arno Klönne „die Belegschaft [von S&S] lobend und zugleich besänftigend“ (S. 253) – bei einer Veranstaltung zum ersten Jahrestag der Besetzung in Erwitte: Dagegen, dass in der Krise kleine Zementwerke ruiniert und der Markt in den Händen der großen Konzerne (z. B. Dyckerhoff) konzentriert werde, müssten Branchenausschüsse aus Vertretern von Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Staat gebildet werden, die „die konjunkturellen und strukturellen Probleme des Sektors erörtern. Durch Investitionsmeldepflicht […] wird zunächst die Informationsbasis verbessert. Ergeben sich bei der Gegenüberstellung von Angebots- und Nachfrageentwicklung mögliche Fehlentwicklungen, dann warnt der Ausschuss vor dieser Entwicklung. Zeigen die Warnungen keine Wirkung, empfiehlt der Ausschuss den Einsatz staatlicher Instrumente.“ (S. 136 f.) Vetter, der das Privateigentum an Produktionsmitteln und die Marktwirtschaft nicht in Frage stellte, obgleich er ein „Gegengewicht […] in einem verbrieften und praktizierten Recht auf Arbeit und Mitbestimmung der Arbeitnehmer“ forderte, ignorierte hier völlig, dass die Zementkrise direktes Resultat der globalen kapitalistischen Systemkrise war.

Rainer Duhm und Erhard Maus schätzten das Konzept des Strukturkrisenkartells so ein: „Die Forderung nach einem Strukturkrisenkartell konnte sicherlich keinen Ausweg aus der Krisensituation weisen. Vor allen Dingen hätte das Zustandekommen eines solchen Kartells die Zerstörung von Arbeitsplätzen nicht aufgehalten; allenfalls wäre Dyckerhoffs Weg zum regionalen Monopolisten etwas länger geworden – dafür aber mit Profiten gepflastert gewesen. Vorübergehend hat diese Forderung mit Sicherheit auch Verwirrung in die Reihen der Zementwerker getragen. Mitunter sah es so aus, als würden die kämpfenden Kollegen von der so offen daliegenden Klassenfront abgelenkt, um mit den ‚guten‘, den ‚sozial verantwortlichen‘ Unternehmern gegen die ‚Kapitalisten‘ zu kämpfen; Kampfziel: Bildung eines Unternehmerkartells.“ (S. 42)

Der 1. Mai 1975 – die Klassengrenzen werden sichtbarer

In der Belegschaft setzte sich im Laufe des Kampfes zunehmend die Erkenntnis durch, dass ihr Gegner nicht nur ein aus der Reihe tanzender, unanständiger „Frühkapitalist“ war, sondern sie sich in einem Klassenkampf befanden. Dazu trugen die Solidaritätserklärungen bei, die nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus dem Ausland kamen. Sie kamen aus Gewerkschaften und Betrieben, wo sich durch die Wirtschaftskrise von 1974/75 immer mehr KollegInnen gezwungen sahen, für soziale Rechte und Arbeitsplätze in den Kampf zu treten. So war der Kampf der Belegschaft von DEMAG-Kunststofftechnik in Kalldorf, die u. a. mit einem Hungerstreik um den Erhalt ihres Betriebs rang, ein großes Thema in Erwitte. Und auch umgekehrt inspirierte Erwitte andere Belegschaften: Der Vertrauensleutekörper von SEL in Dortmund beantragte bei der IG Metall im Juni 1975 Kampfmaßnahmen für den Erhalt von Arbeitsplätzen nach dem Beispiel Erwittes – was von der Gewerkschaft aber wegen unzulässigen „Eingriffs in unternehmerische Entscheidungen“ abgelehnt wurde (vgl. Protokoll des IGM-Vorstands auf der beiliegenden CD). Der Slogan „euer Kampf ist unser Kampf“ prägte viele Solidaritätserklärungen, die während des Arbeitskampfes in Erwitte eingingen.

Besonders spektakulär war der 1. Mai im Jahr der Besetzung in Erwitte: Trotz der Falschmeldung in den Medien, der Arbeitskampf sei beendet, kamen 12.000-15.000 Menschen aus dem ganzen Bundesgebiet in Solidarität mit der Betriebsbesetzung zur Kundgebung auf den Marktplatz. Eine Delegation von KollegInnen aus der französischen Uhrenfabrik Lip, die ihren Betrieb ebenfalls besetzt und sogar die Produktion unter Eigenregie übernommen hatten, überreichte den Zementwerkern eine „Solidaritätsuhr“. Mit ihnen kamen KollegInnen von Pierburg Neuss (heute KSPG), die 1973 einen wilden Streik führten. Musikgruppen und politische Sänger wie Franz-Josef Degenhardt spielten auf.

Dieser 1. Mai wirkte aber auch wie eine Art Katalysator für die gesellschaftliche Stimmung. Bisher stand die Bevölkerung Erwittes über soziale Grenzen hinweg hinter den Zementwerkern: Selbstverständlich basierte die Solidarität der Lohnabhängigen auf der Erkenntnis, dass Seibels Pläne in der wirtschaftlich ohnehin gebeutelten Region zu weiterer Arbeitslosigkeit und Armut führen würden. Einzelhändler und Handwerker unterstützten den Kampf, weil sie befürchteten, dass die Massenentlassungen die Kaufkraft in der Stadt schwächen könnten. Unternehmer kritisierten die maßlose Willkür von S&S, weil sie die sozialpartnerschaftliche Stabilität gefährdet sahen. Die von einer absoluten CDU-Mehrheit dominierte Lokalpolitik sprach sich – nicht zuletzt unter dem Druck der öffentlichen Stimmung kurz vor den Kommunal- und Landtagswahlen – fast geschlossen für den Kampf der S&S-Belegschaft aus. Ein Zeichen für die gesellschaftliche Breite der Unterstützung für den Arbeitskampf war nicht zuletzt die Weigerung der Polizei, das Werk zu räumen, mit dem Argument, das Streikrecht der Arbeiter stehe über dem privaten Hausrecht Seibels. Dass aber am 1. Mai rote Fahnen auf dem Marktplatz geschwenkt wurden – übrigens nicht nur von angereisten Linken, sondern auch von den ortsansässigen ArbeiterInnen – und in Reden unverblümt auf den Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit hingewiesen wurde, ging dann aber einigen zu weit; die Unterstützung durch bürgerliche und konservative Kreise kühlte sich plötzlich deutlich ab. Dies blieb nicht ohne Auswirkungen auf das Bewusstsein der einfachen Bevölkerung, jedoch konnten deren Sympathien durch engagierte und beharrliche Öffentlichkeits- und Solidaritätsarbeit weitgehend aufrechterhalten werden.

Gewerkschaftlicher Aufbau im Vorfeld des Arbeitskampfes

Es waren besondere Bedingungen, die zur Besetzung des Erwitter Zementwerkes geführt haben. Das taktisch dumme Verhalten des Kapitalisten Seibel, das ihn sogar in Unternehmer- und CDU-Kreisen ins Abseits brachte, war sicherlich einer der Faktoren. Und dass die Kollegen im richtigen Moment den Mut und die Entschlossenheit zeigten, spontan die Werkszufahrten dicht zu machen und ihre Fabrik zu besetzen, kann zu einem gewissen Grad als glücklicher Zufall bezeichnet werden. Dass es aber nicht bei einem spontanen Verzweiflungsakt blieb, sondern sich ein monatelanger Kampf mit großer öffentlicher Ausstrahlungskraft entwickelte, ist auf das Agieren von Gewerkschaft und Belegschaft zurückzuführen, sowohl im Vorfeld als auch während des Kampfes.

In der Verwaltungsstelle Neubeckum der Industriegewerkschaft Chemie-Papier-Keramik (IG CPK), in deren Zuständigkeitsbereich Erwitte lag, wurde die wirtschaftliche Entwicklung aufmerksam verfolgt und schon vor dem Einbrechen der Krise die Perspektive aufgestellt, dass es in der westfälischen Zementindustrie zu Angriffen des Kapitals auf Arbeitsplätze kommen würde. Statt auf die Sozialpartnerschaft mit den Unternehmern zu hoffen, bauten die Funktionäre um den Geschäftsführer Herbert Borghoff Kontakte zu den Belegschaften und Funktionärskörpern der Werke auf. War der gewerkschaftliche Organisationsgrad in der Zementbranche mit 70 Prozent (1975-1985) schon recht hoch, so lag er im Zuständigkeitsbereich der Verwaltungsstelle Neubeckum 1975 bei 83 Prozent. Bei Seibel & Söhne betrug er sogar 91 Prozent – 41 Prozent bei den Angestellten und fast 100 Prozent bei den Arbeitern. Dazu kamen ein solider Vertrauensleutekörper und regelmäßiger Kontakt zwischen Verwaltungsstelle und Belegschaft.

Im Zuge des Kampfes um das Zementwerk sollte sich zeigen, dass die Erwitter Verhältnisse sich kaum im Hauptvorstand der Gewerkschaft widerspiegelten, der v. a. aus Hauptamtlichen und Vertretern chemischer Großbetriebe bestand, in denen sozialpartnerschaftliche Traditionen vorherrschten. Aber vor Ort bestanden sehr günstige Bedingungen für eine vereinte Gegenreaktion der Belegschaft auf Konfrontationen der Unternehmensleitung.

Ende der Besetzung oder Produktion unter Arbeiterselbstverwaltung?

Zur Weiterführung der Produktion unter Arbeiterselbstverwaltung kam es während der Besetzung nicht. Die Idee wurde in der Belegschaft immer wieder diskutiert, gerade unter dem Eindruck der Erfahrung der französischen Lip-KollegInnen. Dafür, dass es aber schließlich nicht zur Eigenproduktion kam, werden im Text von Rainer Duhm und Erhard Maus folgende Gründe genannt: Der harte Konkurrenzkampf hätte zum Verkauf des Zements unter Produktionskosten gezwungen, was das Kampfziel des Erhalts der Arbeitsplätze bei vollem Lohn untergraben hätte. Kapitalistische Großabnehmer, also Bauunternehmen, hätten kaum die Besetzung durch den Kauf von Zement fördern wollen, während der Verkauf an Endverbraucher in großen Mengen unmöglich war. Die Nutzung von Seibels Rohstoffen und Maschinen und schließlich der eigenmächtige Verkauf der Produkte hätte einen großen Angriff auf das Privateigentum an Produktionsmitteln bedeutet, der zum Vorwand für eine gewaltsame Räumung hätte werden und die Solidarität der Öffentlichkeit untergraben können. Schließlich war damit zu rechnen, dass der Hauptvorstand der IG CPK solche Kampfmaßnahmen als Vorwand nutzen würde, dem Kampf die Unterstützung zu entziehen – der Gewerkschaftsführung waren die Aktivitäten von Belegschaft und örtlichen Hauptamtlichen ohnehin schon ein Dorn im Auge. Der IG-CPK-Vorsitzende Hermann Rappe bat seinen SPD-Parteifreund und Bundestagsabgeordneten Engelbert Sander: „Mach doch bitte deinen Einfluss für einen raschen und befriedigenden Abschluss der Aktion geltend. Sie soll sich nicht noch viele Jahre hinziehen.“ (Interview mit Sander auf der beiligenden CD)

Und tatsächlich erwirkte die Gewerkschaftsführung, dass die Besetzung am 2. Mai nach mehr als sieben Wochen beendet und in einen Streik, der sich vor allem vor den Werkstoren abspielte, umgewandelt wurde.

Es gibt Argumente dafür, dass ein zumindest vorläufiges Ende der Besetzung sinnvoll war, um ein unkontrolliertes Abebben oder gar eine Zersplitterung des Arbeitskampfes zu verhindern. So äußerte sich ein Kollege der Solidaritätsdelegation von Lip in einem Interview in der „Streikstimme“ am Tag der Beendigung der Besetzung: „Das Urteil vor dem Arbeitsgericht [die Ungültigkeit aller Kündigungen] ist ja nur zustande gekommen, weil die Kollegen die Fabrikbesetzung aufgegeben haben. […] Das war eine gute und richtige Entscheidung der Kollegen, denn sonst hätte es leicht eine Spaltung in ihren eigenen Reihen geben können, und ihr Streikziel, die Rücknahme aller Entlassungen, wäre gefährdet gewesen. Wichtig […] ist jedoch, dass die Kollegen jetzt nicht gesagt haben: Wir haben Recht bekommen und können jetzt die Hände in den Schoß legen und nach Hause gehen und abwarten, was sich ergibt. Sie bestreiken die Fabrik jetzt rund um die Uhr von außen weiter und sorgen damit dafür, dass sie auch in der Phase der Verhandlungen über ein Druckmittel verfügen. Sie dokumentieren damit auch ihre Kampfentschlossenheit, denn wenn z. B. Seibel das Urteil nicht anerkennt […] können sie wieder die Fabrik besetzen. Und sie können dadurch […] den Ermessensspielraum, den die nächste richterliche Instanz hat, zu ihren Gunsten einengen. Die Öffentlichkeitsarbeit wird nach unseren Erfahrungen bei Lip eine entscheidende Achse sein für die erfolgreiche Fortsetzung des Kampfes.“ (S. 154 f.)

Aber während die Kollegen und die Arbeiterfrauen misstrauisch und kampfbereit blieben, nutzte der Hauptvorstand der IG CPK das Ende der Besetzung dazu, den Kampf auszubremsen. Auf einer Versammlung der Erwitter Frauengruppe erklärte eine gewisse Frau K.: „Dass der Hauptvorstand nicht begeistert ist von einer Werksbesetzung und dass er alles Mögliche versucht, eine solche Auseinandersetzung in die Bahnen zu bringen, die ihm als Hauptvorstand wesentlich geläufiger sind, nämlich in Verhandlungen, in juristische Auseinandersetzungen und, und, und … Vom Hauptvorstand verliert ja auch keiner seinen Arbeitsplatz.“ (S. 203) Unter dem Druck des Hauptvorstandes rechtfertigte auch – der in der Auseinandersetzung durchaus aufrichtig engagierte Geschäftsführer der regionalen IG-CPK-Verwaltungsstelle – Herbert Borghoff die nun vollzogene Verschiebung von der betrieblichen auf die gerichtliche Ebene mit dem Argument, die Parteien und Parlamente würden eher auf den „Instanzenweg“ reagieren.

Die Arbeiter und ihre Angehörigen diskutierten aber in den folgenden Tagen über eine Fortsetzung bzw. Wiederaufnahme der Besetzung. Auf die Frage, ob sie sich vorstellen könnten, bei einer erneuten Besetzung das Werk selbstständig zu leiten, antworteten die Streikposten stehenden Arbeiter bei einem Interview am 5. Mai: „Auf jeden Fall, das wäre schon drin.“, „Wenn wir’s kriegen, dann können wir’s.“, „Das ging ohne Chef besser als vorher.“ (S. 196 f.) Und noch Ende Juli sprachen sich Erwitter Arbeiter in der Fernsehsendung „Monitor“ für eine erneute Besetzung ihres Betriebes aus.

Die juristische Auseinandersetzung

Es zeigte sich, dass der „Instanzenweg“ zu verschiedenen Ergebnissen führte: In der Hochphase der Besetzung und der öffentlichen Solidarität konnte vor dem Arbeitsgericht Paderborn die Rücknahme der 151 Kündigungen (Seibel sprach während des Streiks weitere Kündigungen aus) erwirkt werden. Allerdings hielt sich Seibel nicht daran und sperrte die Kollegen, die ihm vereinbarungsgemäß ihre Arbeitskraft anboten, im Juni sogar aus. Seibel selbst war vor den Gerichten erfolgreicher: Der Betriebsrat wurde wegen der „Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten“ gerichtlich aufgelöst und in einem Verfahren, das sich bis 1990 zog, wurden die IG CPK sowie der Betriebsratsvorsitzende Köchling und der Gewerkschaftssekretär Borghoff vom LAG Hamm wegen angeblich durch den Arbeitskampf entstandenen technischen und wirtschaftlichen Schadens zu Zahlungen in Höhe von 2,5 Millionen DM plus Zinsen verdonnert. (Das Gerichtsurteil ist auf der beiliegenden CD dokumentiert.) Noch bis weit in die 1980er hinein dauerten die Verfahren zu Kündigungsschutzklagen, nicht ausgezahlten Löhnen und Aussperrung. (vgl. S. 20 ff.)

Die Rolle der Frauen im Arbeitskampf

Mit der Rolle der Frauen im Kampf der – bis auf eine Handvoll Bürokräfte – männlichen S&S-Belegschaft beschäftigen sich zwei Teile des Buches explizit: Giesela Notz widmet sich in einem aktuellen Beitrag der Frage, „wie aus braven Hausfrauen kämpferische Demonstrantinnen wurden“ (S. 51 ff.), und die Dokumentation „Die Rolle der Frauen im Arbeitskampf in Erwitte“ (von Regina Hennecke, Beate Mühl und Ulla Wischermann, S. 161 ff.) aus dem Jahr 1977 liefert u. a. Transkripte von Tonbandaufnahmen aus dem Kampfalltag der Frauen, v. a. von Treffen der Frauengruppe.

Notz fasst die alte Diskussion innerhalb der Arbeiterbewegung zusammen, ob die Ehefrauen von Arbeitern eher eine Bremse oder eine Beschleunigung für Klassenauseinandersetzungen darstellen, um dann zu erklären, welchen elementaren Beitrag zum Kampf die Erwitter Arbeiterfrauen – fast alles Hausfrauen und Mütter von bis zu acht Kindern – leisteten.

Kurz vor dieser Auseinandersetzung schafften es die Unternehmer einer baden-württembergischen Papierfabrik während eines Streiks, die Ehefrauen der Arbeiter dazu zu bringen, Gewerkschaftsvertretern den Zugang zu ihren Wohnungen zu verwehren und ihren Männern Druck zu machen, den Streik zu beenden. In Erwitte bezogen Gewerkschaft und Betriebsrat jedoch von vornherein die Frauen, die bisher kaum Kontakt zueinander hatten, in den Arbeitskampf ein: Sie wurden zu Mitglieder- und Streikversammlungen eingeladen und Frauenarbeitskreise zur Information über Fragen des betrieblichen und juristischen Kampfes angeboten. Schnell erkannten die Frauen, dass sie – wenn auch nicht im Betrieb – Teil der Arbeiterklasse und durch die Entlassungen in ihrer Existenz bedroht sind, und entwickelten eine große Energie. Bei aller Belastung durch die Haushalts- und Familienarbeit hatten die Hausfrauen eine gewisse Flexibilität, die es ihnen ermöglichte, aktiv in die Bewegung einzugreifen. Überdies waren sie nicht direkt durch Kündigungen bedroht.

Die Frauen organisierten eine Protestdemonstration zum Wohnsitz des Kapitalisten Seibel in Lippstadt, veranstalteten Infostände auf Marktplätzen, gaben Interviews, schrieben für die „Streikstimme“, reisten durchs ganze Land und hielten Vorträge zum Arbeitskampf an Universitäten und auf Gewerkschaftsversammlungen, sammelten dabei Spenden und, und, und. Die bisher „braven Hausfrauen“ traten als Rednerinnen und Kämpferinnen auf und erlangten auch gegenüber ihren Ehemännern neues Selbstbewusstsein. In der Erwitter Frauengruppe begannen dutzende Frauen, sich auch mit Themen über den Arbeitskampf hinaus auseinanderzusetzen: Portugiesische Revolution, Vietnamkrieg, Abtreibungsrechte, Kapitalismuskritik …

Die Frauen von Erwitte blühten durch den Arbeitskampf auf und begannen, alte Rollenbilder zu sprengen. Auch in den Jahren nach dem Kampf blieb ein Teil von ihnen auf regelmäßiger Grundlage in der Frauengruppe aktiv. Die Möglichkeiten, das neue Selbstbewusstsein in eine nachhaltige Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse und die Überwindung ihrer geschlechtsspezifischen Unterdrückungs- und Ausbeutungsverhältnisse münden zu lassen, waren aber begrenzt: durch den Mangel an Arbeitsplätzen für Frauen, das Fehlen einer Infrastruktur, die ihnen die Last der Hausarbeit von den Schultern hätte nehmen können, und schließlich die trotz aller Fortschritte im Bewusstsein der Kämpfenden weiterbestehenden gesellschaftlichen Strukturen, Vorstellungen und Erwartungen in der westfälischen Provinz – kurzum: das Fortbestehen der kapitalistischen Normalität.

Trotzdem – in einem ARD-Film von 1978 äußerte sich die damals 50-jährige Mutter von acht Kindern, Karin Grabowski: „Mein Leben hat eigentlich erst vor drei Jahren richtig angefangen. Über mein Schicksal hatte ich bis dahin eigentlich gar nicht so nachgedacht. Seitdem bin ich mit so vielen Leuten zusammengekommen, war auf Tagungen und Bildungsveranstaltungen, dass ich inzwischen gelernt habe, dass man nicht alles so hinnehmen muss. [Das Erleben von Solidarität] – das war das überwältigendste Erlebnis überhaupt.“ (S. 85)

Die Dokumentation über die Erwitter Frauengruppe beansprucht nicht zuletzt, „die positiven, fast euphorischen Einschätzungen des Arbeitskampfes, die oft verbreitet werden, [zu] relativieren. Sie soll aufzeigen, warum der Arbeitskampf letztendlich gescheitert ist: falsche Kampfzielbestimmung, undemokratischer Informationsfluss und Geheimniskrämerei anstelle Ausnutzung der anfänglich vorhandenen breiten Öffentlichkeit. Wir wollen die Arbeit in Erwitte nicht diffamieren, sondern helfen, aus den dort gemachten Fehlern zu lernen.“ (S. 176)

Kritik an der Gewerkschaftsführung

Gerade in der Frauengruppe wurde nach der Beendigung der Besetzung die Kritik an der Politik der Gewerkschaft immer lauter. Es häuften sich Beschwerden, dass auf den gewerkschaftlichen Versammlungen kaum offene Diskussionen möglich seien, nicht zuletzt, weil Funktionäre diese durch ihr ausschweifendes Redeverhalten abwürgten. Teilweise nutzen männliche Kollegen die Treffen der Frauengruppe, um an Diskussionen über die Perspektiven ihres Kampfes teilnehmen zu können. Außerdem äußerten die Frauen den Eindruck, die Kämpfenden würden durch die Gewerkschaft bevormundet, ob durch die von oben aufgedrückte Verlagerung des Kampfes auf die juristische Ebene, das Hausverbot für die „Gruppe Internationale Marxisten“ (GIM) bei Gewerkschaftsversammlungen oder das von der Gewerkschaftsführung verhängte Verbot, den aus dem Solidaritätsfonds finanzierten Dokumentationsfilm über die Besetzung in Hamburg vorzuführen, weil dort angeblich „gewerkschaftsfeindliche“ Flugblätter verteilt worden seien. (vgl. S. 203)

Zunehmend gerieten die haupt- und ehrenamtlichen Gewerkschaftsfunktionäre der unteren Ebene zwischen die Fronten von Bürokratie und kämpferischer Basis. So fiel es dem Schulungsleiter, dessen Aufgabe die Unterstützung der Frauengruppe war, schwer, den Sozialplan, der den Kollegen aufgezwungen wurde und den faktischen Verzicht auf den Erhalt der Arbeitsplätze bedeutete, schönzureden (vgl. S. 203). Vorschläge von Kollegen, während des Gerichtsverfahrens gegen den S&S-Betriebsrat in einigen Betrieben Solidaritätsstreiks zu organisieren, um Druck auszuüben, konterte Geschäftsführer Borghoff: Dies sei nicht Aufgabe der Gewerkschaft.

Dass Verwaltungsstelle, Streikleitung und Betriebsrat dem Anliegen des Hauptvorstands nachgaben, die Besetzung zugunsten der gerichtlichen Auseinandersetzung zu beenden, liegt sicherlich an dem Druck, den die Gewerkschaftsführung ausübte, indem sie z. B. die Einstellung der Notlagenunterstützung für die Kollegen androhte. Fatal war aber, dass sie den Konflikt mit dem Hauptvorstand vor der Belegschaft mehr oder weniger geheim hielten, weil sie bei Bekanntwerden ein Einbrechen der Kampfmoral fürchteten. Stattdessen hätten die Kollegen informiert und ihnen selbst, auf der Grundlage offener Diskussionen, die Entscheidung über den Umgang mit der Situation überlassen werden müssen. Letztlich empfanden die Kollegen die ihnen übergestülpte Taktik als Preisgabe eines wichtigen Druckmittels. Bei Gesprächen unter Kollegen im Jahre 1985 „war die einhellige Meinung, dass es der größte Fehler war, die Fabrikbesetzung am 2. Mai 1975 aufzugeben und das Werk zu räumen. Hierdurch bekam F. C. Seibel wieder die wichtigsten Trümpfe in die Hand.“ (S. 125) So konnte Seibel die Meister des Betriebs – die heimlich auch während der Besetzung ihren Lohn bezogen – als Streikbrecher einsetzen und sie im Juni den gelagerten Zement aus den Silos abfahren lassen.

Die Lehren von Erwitte

Welche Lehren für unsere heutigen Kämpfe zeigt uns Erwitte auf? Zunächst verdeutlicht es, dass – auch unter schwierigen ökonomischen (Zementkrise) und gesellschaftlichen (konservative Provinz) Bedingungen große Klassenkämpfe möglich sind. Sie speisen sich aus der spontanen und auf Klasseninstinkt basierenden Initiative, die ArbeiterInnen im Konflikt mit dem Kapital immer wieder an den Tag legen. Erwitte wäre aber nicht möglich gewesen ohne eine starke gewerkschaftliche Organisation. Im Angesicht der sich andeutenden Krise – nicht nur der Branche, sondern der kapitalistischen Ökonomie als solcher – steckten gewerkschaftliche AktivistInnen Energie in die Organisierung der Kollegen und den Aufbau betrieblich-gewerkschaftlicher Strukturen. Sie stellten das Rückgrat des Kampfes, der sich entfachte, als die Kollegen erkannten, dass mit ihrem Klassenfeind keine gütliche Einigung zu erzielen ist.

Die Beschäftigten, ihre Angehörigen und UnterstützerInnen entfalteten in der Betriebsbesetzung und im darauf folgenden Streik eine atemberaubende Aktivität. Ihre Möglichkeiten, von unten Einfluss auf den Verlauf des Kampfes zu nehmen, schwanden aber in dem Maße, wie die offiziellen Kampforgane (Verwaltungsstelle, Betriebsrat, Streikleitung) unter den Druck der reformistischen Gewerkschaftsbürokratie gerieten, die nichts mehr fürchtete, als eine Verselbstständigung des entschlossenen Klassenkampfes, der zu einem Leuchtfeuer für die Belegschaften anderer krisengeschüttelter Betriebe hätte werden können und damit die Strategie von Co-Management und Sozialpartnerschaft ins Wanken gebracht hätte. Hier zeigt sich die enorme Wichtigkeit wirklicher Streikdemokratie, die auf der aktiven Einbindung der KollegInnen, der offenen Diskussionen und demokratischen Beschlussfassung über alle kampfrelevanten Fragen fußt, damit den KollegInnen nicht die Kontrolle über ihren Kampf, von dem letztlich ihr Lebensstandard und ihre Existenz abhängen, genommen wird.

Es ist nicht grundsätzlich abzulehnen, nach errungenen (Teil-) Erfolgen taktische Rückzüge – wie die Verlagerung eines Klassenkonfliktes auf die juristische Ebene – vorzunehmen. Wichtig ist hier aber die Aufrechterhaltung der Aktivität, der Vernetzung und des Austausches von KollegInnen. Denn etwa die Frage, wie bürgerliche Gerichte in arbeitsrechtlichen oder politischen Angelegenheiten „Recht sprechen“, hängt wesentlich mit dem öffentlichen Druck auf der Straße und in den Betrieben zusammen. Das Verhalten des Hauptvorstands der IG CPK in Bezug auf Erwitte hatte nichts mit einem taktischen Rückzug gemein – es war der, tragischerweise erfolgreiche, Versuch der Bürokraten, den Kampf abzuwürgen und in die Bahnen der Sozialpartnerschaft zu drängen.

Die Stärke der relativ kleinen Belegschaft des nur noch bedingt profitablen Zementwerkes Seibel & Söhne bestand darin, dass die Kollegen ihren Kampf gegen Entlassungen zu einer gesellschaftlichen Auseinandersetzung gemacht haben. Es gelang ihnen, das Vorgehen des Bosses als Angriff auf die wirtschaftliche Situation, die Arbeitsplätze und Lebensbedingungen der ganzen Region zu entlarven. Sie zeigten den Belegschaften anderer Betriebe ein großartiges Kampfmittel – die Betriebsbesetzung – in der Praxis und begeisterten unzählige ArbeiterInnen und Jugendliche weit über Erwitte hinaus dafür.

Wie wertvoll die Erfahrungen von Erwitte sind, zeigt nicht zuletzt ein Blick auf die Website des Unternehmens Seibel & Söhne (www.seibel-soehne.de): In der dort dargestellten Firmengeschichte sind die 1970er Jahre komplett ausgespart.

Leseempfehlung

Das Buch „Wir halten den Betrieb besetzt“ weist eine kleine Macke auf: Teilweise geht weder aus dem Inhaltsverzeichnis noch aus den Texten selber auf den ersten Blick hervor, ob man es mit einem Herausgebertext, einem aktuellen Beitrag, einem Text aus der Nachlese in den 1980er Jahren oder einem Zeitzeugnis zu tun hat, ob es sich um ein Unterkapitel oder einen neuen Text handelt. Mit etwas Sucherei ist dies aber meistens herauszufinden, die Einordnung des Gelesenen wird dadurch aber erschwert.

Die Einschätzungen und Darstellungen der Ereignisse sind spannend und lehrreich, wobei es durchaus wünschenswert gewesen wäre, schon zu Anfang eine komprimierte Übersicht über den Gang der Ereignisse zu haben. Diese kann man sich aber erarbeiten, indem man sich durch das Buch (und v. a. das Chronologie-Kapitel) durcharbeitet.

Die Interviews, Tonbandtranskripte und Fotos geben einen sehr lebhaften Eindruck von der Betriebsbesetzung, der Stimmung, den Diskussionen, den Haltungen der AkteurInnen.

Wer sich für die Geschichte der Arbeiterbewegung, Fragen des gewerkschaftlichen Aufbaus und des innergewerkschaftlichen Kampfes um demokratische Strukturen und einen kämpferischen Kurs, die Dynamik von Arbeitskämpfen und die spezifischen Herausforderungen der Kampfform Betriebsbesetzung interessiert, sollte sich „Wir halten den Betrieb besetzt“ anschaffen.