Eintausend bei Berliner Demonstration
Die Demo unter dem Motto „Wir lassen uns nicht spalten: Soziales Berlin für alle! Rassisten stoppen!“ zog vom Oranienplatz vorbei am Sozialsenat und Haus der deutschen Wirtschaft zum Roten Rathaus. Schon im Vorfeld gab es auffallend viel Interesse von Schülerinnen und Schülern, Material an ihren Schulen und in ihren Kiezen zu verteilen. Und so war die Demo auch geprägt von einer kämpferischen Stimmung und einer jugendlichen Mehrheit.
von Anna Shadrova, aktiv im Bündnis soziales Berlin gegen Rassismus
Das Bündnis Soziales Berlin gegen Rassismus, das zu der Demo aufgerufen hatte, wurde Anfang des Jahres von Aktiven des Aktionsbündnisses NoBärgida, der GEW, der Linken Neukölln und der SAV gegründet und fand schnell Unterstützung aus breiten Kreisen: Neben traditionellen Antifa-Strukturen und Gruppen der radikalen Linken, den Initiativen Tempelhof 100% und dem Mietenvolksentscheid-Bündnis, dem Berliner Ableger des Bundesverbands Soziale Arbeit, der HDP und der Linken Berlin unterzeichneten auch die Berliner GEW und junge GEW, ver.di-Jugend und der Arbeitkreis Senioren der IGM den Aufruf.
Am 16. April kamen sie zusammen und formierten eine lebendige und lautstarke Demonstration. VertreterInnen der genannten Organisationen und Geflüchtete sprachen zu den TeilnehmerInnen. In mehreren Reden wurde die Verbindung zu Frankreich gezogen, wo Hunderttausende gemeinsam gegen die unsoziale Politik der Regierung protestieren. Die Demonstrierenden riefen: „Von Paris nach Berlin, von Prag nach Athen. Wir wollen die Reichen zahlen sehen.“
Weitere Infos zu UnterstützerInnen, den Forderungen und zum Aufruf findet man auf der Web- und der Facebookseite des Bündnisses: http://sozialesberlin.wordpress.com und http://www.facebook.com/SozialesBerlingegenRassismus.
In Berlin hat sich im vergangen Jahr eine blühende Bündnislandschaft entwickelt, sodass es mittlerweile mindestens das Aktionsbündnis NoBärgida, das Bündnis Soziales Berlin gegen Rassismus, Berlin nazifrei, das Bündnis gegen Rechts, Berlin für alle, den Refugee-Schulstreik/Jugend gegen Rassismus und erste Ansätze von Aufstehen gegen Rassismus gibt. Das Bündnis soziales Berlin gegen Rassismus unterscheidet sich von den anderen darin, dass es die soziale Frage in den Mittelpunkt der antifaschistischen Mobilisierung stellt.
Dank Schuldenbremse und der kurzfristigen Planung des Senats erlebt Berlin derzeit Mängel an allen Ecken: Es fehlen bereits jetzt mindestens zehn Schulen, sodass Klassen vergrößert und nullte und elfte Stunden eingeführt werden müssen. Viele geflüchtete Kinder können nicht in Regelklassen überführt werden, sondern werden in sogenannten „Willkommensklassen“ geparkt. Die KollegInnen in den Bezirken, Krankenhäusern und Bürgerämtern sind überlastet, weil fast die Hälfte der Stellen im öffentlichen Dienst seit 1990 abgebaut wurde. Es fehlen hunderttausende Wohnungen für alte und neue BerlinerInnen. Deswegen müssen zum Beispiel auch Menschen, deren Asylantrag schon genehmigt wurde, in Massenunterkünften ohne Privatsphäre bleiben, weil sie keine Wohnung finden. Vielerorts gibt kaum noch Möglichkeiten für Schul- und Vereinssport, weil viele Turnhallen unnötigerweise als Flüchtlingsunterkunft genutzt werden.
Bei solchen Zuständen ist es kein Wunder, wenn es zu Verteilungskämpfen zwischen Alt- und NeuberlinerInnen kommt, die rassistischen Stimmungen Vorschub leisten.
Die Demo am Samstag war seit Langem der erste Versuch, mit eigenen Forderungen in die Offensive zu kommen, statt immer nur den Nazis hinterherzulaufen, wenn sie durch die Stadt marschieren. Und das tun sie zu tausenden: Zuletzt am 12. März, wo die Gegenmobilisierung, zu der auch der DGB aufgerufen hatte, nicht bedeutend größer war als die Demo am Samstag. Und das nächste Mal am 7. Mai, wo fünftausend und mehr Rassisten zu einer Großmobilisierung erwartet werden.
Es gab viel positives Feedback auf unser Material und immer wieder haben Leute bestätigt, dass sie gut finden, was wir machen, und unsere Forderungen unterstützen. Dennoch gab es im vergangenen Jahr keine großen Mobilisierungen von Seiten der sozialen und antifaschistischen Bewegung in der Stadt, obwohl es größere Mobilisierungen zu anderen Themen gab (TTIP, Wir haben es satt, 1. Mai, LL-Demo). Auch die Demo am Samstag blieb trotz der Breite und Größe ihrer Unterstützerorganisationen relativ klein. Die wichtigsten Fragen für die Bewegung in der nächsten Zeit sind deshalb:
Wie können die Kräfte der verschiedenen Bündnisstrukturen bündeln, um weitere rassistische und Naziaufmärsche in der Stadt zu verhindern? Wie können wir neue und breitere Schichten in der Stadt aktivieren und damit politischen Druck für unsere Forderungen aufbauen?
Das Bündnis Soziales Berlin gegen Rassismus lädt zu einer Diskussion über diese Fragen am 3. Mai, 18h im GEW-Haus, Ahornstraße 5 ein.