Es steht außer Frage, dass der wesentliche Grund dafür, dass Millionen von „einfachen“ Leuten auf den Wahlkampf von Bernie Sanders anspringen, auf seinen Aufruf zur „politischen Revolution gegen die gesellschaftliche Klasse der Milliardäre“ zurückzuführen ist. Doch die Debatten im Zuge der Vorwahlen bei den Demokraten drehen sich unweigerlich und insbesondere auch um die Frage, wie es um das außenpolitische Programm der KandidatInnen bestellt ist.
von Tony Wilsdon und Tom Crean, Socialist Alternative (USA)
Dies gilt vor allem nach den vom IS motivierten Übergriffen von Paris und San Bernadino. „Socialist Alternative“ hat zwar schon öfter darauf hingewiesen, dass wir mit einigen Punkten aus Sanders´ außenpolitischem Programm ganz und gar nicht übereinstimmen. Doch die Zuspitzung im Verlauf der politischen Debatte macht es aus unserer Sicht nötig, diesbezüglich etwas ausführlicher Stellung zu nehmen. Allerdings muss dabei auch angemerkt werden, dass die fortschrittlichsten ArbeiterInnen und jungen Leute die Unzulänglichkeiten, die Sanders auf außenpolitischer Ebene aufweist, als nicht so problematisch betrachten wie die bisherige Politik seiner Herausforderin Hillary Clinton.
Sanders contra Kriegstreiber
Sanders hat mehrfach betont, dass Clinton – im Gegensatz zu ihm selbst – die desaströse Invasion im Irak im Jahre 2003 mit Begeisterung unterstützte. Darüber hinaus zählte sie zu den Architekten der Kampagne zur Bombardierung Libyens, die – wie wir gewarnt hatten – unweigerlich zur Spaltung des Landes und dazu führen musste, dass die rechtsgerichteten islamistischen Kräfte (zu denen auch der IS gehört) gestärkt werden.
Clinton ist eine Kriegstreiberin, der offenkundig noch nie ein militärisches Abenteuer geboten wurde, das sie nicht befürwortet hätte. Progressive ArbeiterInnen und junge Leute, die in großem Maße zur Wählerschaft der Demokraten zu zählen sind, begreifen, dass die US-Interventionen im Nahen Osten kein einziges Problem der Menschen dort gelöst haben. Abgesehen davon, ist auch das Leben der „einfachen“ AmerikanerInnen dadurch keinen Deut sicherer geworden. Diese ArbeiterInnen und jungen Menschen sind gegen die endlosen Kriege. Von daher liegt Hillary Clinton falsch, wenn sie meint, dass sie vor allem mit ihrer Außenpolitik am meisten punkten kann. Ihre Positionen sind für große Teile der Parteibasis wenig attraktiv.
SozialistInnen leisten Widerstand gegen die Konzerninteressen in Übersee
Eine wirklich sozialistische Außenpolitik muss die Fortführung einer sozialistischen Innenpolitik sein, die auf dem Kampf für die Bedürfnisse der Arbeiterklasse basiert. Der Kapitalismus ist unersättlich darin, immer größere Profite zu machen. Die Folge davon ist die Ausbeutung der Arbeitskräfte und das Aussaugen von Rohstoffen – zum niedrigsten Preis, den man erzielen kann. Und ob dabei die Umwelt Schaden nimmt, ist vollkommen egal. Diese Jagd nach Profiten ignoriert nationale Grenzen und wird im globalen Maßstab betrieben. Der Wettbewerb und die Konflikte finden zwischen den unterschiedlichen kapitalistischen Mächten statt.
Im Kapitalismus handelt es sich bei den sogenannten „nationalen Interessen“ in Wirklichkeit um die „nationalen Interessen der Konzerne“. Dies zeigt sich an den sogenannten Freihandelsabkommen, die von den Lobbyisten der Konzerne hinter verschlossenen Türen verfasst werden. Auch bei der „Entwicklungshilfe“, die fest an die Waren bestimmter nationaler Unternehmen gebunden ist, geht es um nichts anderes. Sanders muss zugute gehalten werden, dass er energisch gegen die Freihandelsabkommen der Konzerne (wie z.B. die „Trans-Pacific Partnership“ [TPP]) Position bezieht.
Diese oppositionelle Haltung weitet Sanders jedoch nicht dahingehend aus, die Konzerninteressen hinter der US-Außenpolitik zu entlarven. Stattdessen legt er den Fokus darauf, Stellung gegen „unilaterale“ Aktionen der USA zu beziehen und drängt zu Partnerschaften mit anderen kapitalistischen Mächten. So unterstützte er z.B. die gemeinsame Invasion von USA und UNO sowie die darauf folgende Besetzung Afghanistans im Jahr 2001. Auch heute, 15 Jahre danach, ist immer noch kein Ende in Sicht.
Eine sozialistische Außenpolitik sollte darauf basieren, über die ganz grundlegenden Klasseninteressen aufzuklären, die hinter der bestehenden US-amerikanischen Außenpolitik stehen. Demgegenüber sollten die Kämpfe der arbeitenden Menschen auf internationaler Ebene unterstützt werden. Weil der Kapitalismus international wirkt, müssen auch die Kämpfe der Arbeiterklasse international stattfinden, wenn sie Erfolg haben sollen.
Imperialismus und Syrien
Sanders hat Recht, wenn er den Syrien-Konflikt als „unglaublichen Sumpf“ bezeichnet. Alle Großmächte, von Russland bis Saudi-Arabien, wollen nur ihre eigenen Interessen durchsetzen. Das Ziel der US-amerikanischen Außenpolitik besteht darin, den in rasantem Tempo schwindenden Einfluss in der Region aufrechtzuerhalten. Um die Interessen der syrischen Bevölkerung, die zwischen den barbarischen Zwillingen – dem Regime von Assad und dem IS – eingekeilt ist, geht es dabei nicht. Bedauerlicherweise steht Sanders im Falle Syriens hinter der Politik der Bombardements von Obama. Dabei wiederholt er, was eine Reihe kapitalistischer Kommentatoren von sich geben, die nicht verstehen, was US-amerikanische Bodentruppen in Syrien bedeuten würden. Sanders spricht viel lieber von einem „Kampf um die Seele des Islam“ und davon, dass man eine Koalition von Nationen bilden müsse, zu der er auch Saudi-Arabien, den Iran und die Monarchie in Jordanien zählen sollen, um den IS zu bekämpfen.
Eine Koalition, die aus mehreren Diktaturen besteht (von denen einige – wie zum Beispiel Saudi-Arabien und der Iran aktiv daran beteiligt waren, die sektiererischen Spannungen zu schüren, welche aktuell zur Verschärfung der Krise beitragen) kann nur eine Anleitung für endlose weitere Konflikte sein. Vor einigen Monaten haben wir Folgendes festgestellt:
„Wenn sie diesen Albtraum beenden wollen, können sich die Arbeiterklasse und die verarmten Bäuerinnen und Bauern im Irak und in Syrien und die kurdische Bevölkerung nur auf ihre eigene Selbstorganisation verlassen. Lebenswichtig ist die vereinte und nicht-sektiererische Selbstverteidigung der bedrohten Gemeinschaften und Minderheiten. Dies kann zu einem bedeutenden Hebel werden, mit dem sich die Basis-Bewegungen, die für sozialistischen Wandel kämpfen, neu aufbauen können.
Wenn sie kompromisslos gegen sämtliche imperialistischen Mächte, lokale reaktionäre Regimes sowie sektiererische Todesschwadrone antritt (und das Recht auf Selbstbestimmung für alle Gemeinschaften verteidigt), dann kann eine solche Bewegung die Unterstützung der Massen der regionalen wie auch der internationalen Arbeiterklasse bekommen.“
Die fehlgeleitete Außenpolitik von Sanders offenbart seine politischen Grenzen. Trotzdem macht sie die unheimlich fortschrittlichen Aspekte seines Wahlkampfes nicht zunichte, weil dadurch Millionen von ArbeiterInnen und Jugendliche politisiert werden. Entscheidend dabei ist – und das haben wir immer wieder klar gemacht –, dass seine Wahlkampagne genutzt wird, um mit dem Aufbau einer neuen politischen Kraft zu beginnen, die von allen Konzerninteressen unabhängig ist. Es geht darum, die Interessen der viel zitierten „99 Prozent“ der Bevölkerung zu vertreten. Für eine neue linke Partei in diesem Land wird eine ganz wesentliche Aufgabe darin bestehen, über die konzernfreundliche Natur der US-amerikanischen Außenpolitik aufzuklären und eine eindeutige Politik der Solidarität mit dem Kampf der ArbeiterInnen und Unterdrückten überall in der Welt zu vertreten.
Dieser Artikel erschien im Original am 28.01.2016 auf socialistalternative.org