Wie können die Rassisten gestoppt werden?
Seit Monaten ziehen, fast unbehelligt von der Öffentlichkeit, hunderte Nazis als Berliner Ableger der rassistischen Pegida-Bewegung durch das Regierungsviertel in Berlin. Während die Nazimobilisierung relativ konstant zwischen 100 und 200 Demonstranten lag, durchlief der Gegenprotest verschiedene Phasen. Angesichts der stark gestiegenen Gewalt gegen Flüchtlinge und ihre Unterkünfte, aber auch gegen Linke und MigrantInnen, müssen die Nazis in jeder Stadt, in jedem Bezirk gestoppt werden. Das ist nur durch eine breite Mobilisierung z.B. durch Linkspartei und Gewerkschaften möglich.
von Charlotte Claes und Sarah Moayeri, Berlin
Pegida in Dresden konnte in breitere Teile der Bevölkerung, den „besorgten Bürgern“ vorstoßen, zog aber auch faschistische Kräfte an. Dieses Konzept konnte nicht auf andere Städte übertragen werden. Bärgida ist ein Bündnis verschiedener rechtsextremer Gruppierungen wie der NPD, deren Landesvorsitzender Schmidtke sich öfter auf den Demos sehen lässt, den Identitären, Pro Deutschland und gewaltbereiten Nazihools, also genau derjenigen Kräfte, die morgen die nächsten Flüchtlingsheime anzünden werden. Auch der „Nazi-Pinkler“ Christoph S. ist unter den Demonstranten. Er wurde bekannt durch einen widerlichen fremdenfeindlichen Übergriff, bei dem er auf Kinder urinierte.
Protest in Moabit
Vor dem Hintergrund einer an vielen Orten erstarkenden Rechten und einer Zunahme von Rassismus, geschürt durch Medien und Bundesregierung, gewannen Nazis an Selbstbewusstsein. Bärgida begann, nicht mehr nur durch das Regierungsviertel zu laufen, sondern den Protest auf andere Orte zu verlegen. Nachdem zu Beginn des Jahres tausende gegen Bärgida demonstrierten und teilweise ihre Aufmärsche verhinderten, konnten die antifaschistischen Proteste ihre Größe nicht jeden Montag aufrechterhalten. Bürgerliche Medien versuchten das Phänomen totzuschweigen, aber auch linke und linksradikale Kräfte hielten es bisher nicht für nötig, gegen Bärgida zu mobilisieren.
Doch als Bärgida durch den benachbarten Bezirk Moabit laufen wollte, wo es viele MigrantInnen und eine alternative Szene gibt, regte sich Widerstand. Lokale Initiativen und Organisationen formierten sich zum Protest und brachten wieder über tausend Menschen auf die Straße, nachdem der Protest gegen Bärgida selten noch dreistellig war. Viele der Initiativen wurden später zum Hilfsnetzwerk “Moabit hilft”. Durch ihre Gegenproteste verhinderten sie, dass Nazis nach Moabit und vor die Berliner Erstaufnahmeeinrichtung ziehen konnten. Bis zum November gab es wöchentliche Demonstrationen gegen Bärgida, die in Moabit ihren Anfang nahmen.
Aktionsbündnis #NoBärgida
Der Gegenprotest wird vom Bündnis NoBärgida organisiert, an dem sich auch die Linksjugend [‘solid] Kreuzkölln beteiligt. Nach dem Abschwung des Gegenprotests im Frühjahr 2015 gelang es, durch die Initiative in Moabit eine breitere Schicht von AnwohnerInnen und Jugendlichen zu mobilisieren. Es wurden Flugblätter und T-Shirts gedruckt und das Bündnis stemmte mit wenigen Kräften jede Woche eine Demonstration und eine weitere Kundgebung, koordiniert Blockadeversuche und sorgte dafür, dass die Nazis nirgendwo unhinterfragt demonstrieren konnten.
Insgesamt ist #NoBärgida allerdings mit verschiedenen Problemen konfrontiert. Die große Anzahl an unterschiedlichen Nazimobilisierungen führt zum einen zu einer Vereinzelung der Proteste und AktivistInnen und zum anderen zu einer Frustration, die nur durch organisierten Widerstand überwunden werden kann. Auch das massive Polizeiaufgebot trägt jeden Montag dazu bei, die Proteste zu zermürben und Blockaden zu verhindern. Bärgida wird jede Woche mit Hamburger Gittern abgezäunt und durch ein Großaufgebot von Polizisten beschützt.
Linksjugend [’solid] Kreuzkölln trägt einen großen politischen Anteil zu den Protesten bei. In den vergangenen Wochen haben sie, auch im Zuge unserer Kampagne „Wohnen. Bleiben. Fluchtursachen bekämpfen. Die Reichen sollen zahlen!“, in Redebeiträgen und Flugblättern die soziale Frage aufgeworfen und auf die Ursachen von Wohnungsnot, Armut und Rassismus aufmerksam gemacht. Wir betonen auch immer wieder die Notwendigkeit der Organisierung und einer breiten Mobilisierung durch Linkspartei und Gewerkschaften. Dass Pegida und Ableger überhaupt entstehen konnten, hängt mit einer fehlenden Antwort von links auf soziale Probleme zusammen. Stellenabbau im öffentlichen Dienst, Privatisierungen, Abschiebungen, „Schuldenbremse“ und Sparmaßnahmen wurden auch von linksregierten Ländern umgesetzt. Die LINKE muss stattdessen zum einen glaubwürdig für Schutz und Verteidigung Geflüchteter eintreten, Bleiberecht, Abschiebestopp und gleiche Rechte für alle fordern, zum anderen als Lösung der Probleme für ein vom Bund finanziertes öffentliches Investitionsprogramm, Mindestsicherung für alle, gleiche Löhne für gleiche Arbeit und so weiter eintreten und in Brandenburg und Thüringen aus der Koalition mit SPD beziehungsweise Grünen austreten. Nicht Flüchtlinge, sondern Politiker und die Vermögenden Deutschlands profitieren davon und sind die Schuldigen an der sozialen Misere. Daher bauen wir das Aktionsbündnis #NoBärgida weiter auf mit der Perspektive, gemeinsam mit anderen linken Kräften, Gewerkschaften und antirassistischen Initiativen eine größere Gegenkraft zu bilden und die Rechten zu stoppen.
Berlinweite Demonstration
Die montäglichen Proteste gegen Bärgida drücken bei Weitem nicht das Potential antifaschistischer Kräfte in Berlin aus. Gewerkschaften und die Partei DIE LINKE müssen ihre Möglichkeiten viel stärker nutzen. Deshalb schlägt auch #NoBärgida vor, die unterschiedlichen Proteste und die großen Organisationen zusammenzufassen und gemeinsam zu einer großen antirassistischen Demonstration aufzurufen, mit der ein deutliches Zeichen gegen (auch staatlichen) Rassismus sowie für gemeinsame und gleiche Rechte für alle gesetzt wird.
#NoBärgida Montags 18:30 Uhr Washingtonplatz Berlin Hbf