EU-Kritik ohne Alternative

Foto: http://www.flickr.com/photos/olivierh/ CC BY-NC-ND 2.0
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Zum Plan B von Lafontaine und Varoufakis

Mit ihrem „Plan B in Europa“ haben Oskar Lafontaine aus Deutschland, Yanis Varoufakis und Zoe Konstantopoulou aus Griechenland, Jean-Luc Mélènchon aus Frankreich und Stefano Fassina aus Italien den Euro und die EU als neoliberales Projekt der Herrschenden angegriffen.

Von Heino Berg, Göttingen

Ihr gemeinsamer Appell ist eine Reaktion auf das brutale Privatisierungs- und Kürzungsdiktat von Bundesregierung und Eurogruppe, dem sich Alexis Tsipras und die Führung von Syriza am 13. Juli in Griechenland unterworfen haben: „Aus diesem Finanz-Staatsstreich müssen wir unsere Lehren ziehen. Der Euro ist das Werkzeug politischer und ökonomischer Dominanz einer kleinen europäischen Elite geworden“.

Die „Welt“ vom 19.9. behauptet: „Lafontaine und Varoufakis wollen die EU zerschlagen“. Auch wenn diese Einschätzung sicher übertrieben ist: Dieser Text, der immerhin zur Bildung eines internationalen Netzwerks und einer Konferenz im November 2015 führen soll, steht in deutlichem Widerspruch zu den Erklärungen von Gregor Gysi, Bernd Riexinger und Katja Katja Kipping sowie zur „Europäischen Linken“ unter Führung von Pierre Laurent, die bei den griechischen Neuwahlen Tsipras offen unterstützt und einer Ablehnung von EU und Euro eine Abfuhr erteilt haben.

In einem Antrag an die Bundestagsfraktion vom 14.9. forderte Gysi deshalb nicht nur eine Festlegung auf eine Unterstützung der EU, sondern auch einen aktiven Kampf gegen „Fliehkräfte“: „Es ist gewiss nicht die Aufgabe von Linken, den Gründungszweck der EU, auf welche Weise auch immer, in Frage zu stellen oder gar aufs Spiel zu setzen (…) Deshalb ist es unsere Aufgabe die Fliehkräfte der europäischen Einigung zu bekämpfen.“ Sind damit auch die Linken zu bekämpfen, die in Großbritannien für eine Nein-Stimme beim EU-Referendum werben und in Griechenland eine antikapitalistische Lösung jenseits von EU und Euro anstreben?

Der „Plan B“ von Lafontaine und Varoufakis stellt fest, dass die europäischen Verträge mit den Grundprinzipien der Demokratie unvereinbar sind und die gewählten Parlamente – nicht nur in Griechenland – zugunsten der EU-Gremien und der Europäischen Zentralbank entmachten.

Ein Ausstieg aus EU und Eurozone soll damit angedacht und als Abschreckung ins Spiel gebracht werden, um den Erpressungen der Troika nicht mehr wie bei den Verhandlungen über Griechenland hilflos ausgeliefert zu sein.

Halbherzige Kritik

Allerdings bleiben diese Überlegungen halbherzig und stellen die kapitalistische Profitlogik, die den Europäischen Verträgen und Institutionen zugrunde liegt, nicht einmal ansatzweise in Frage. Sie beschränken sich auf Korrekturen des Währungssystems: „Die Einführung eines parallelen Zahlungssystems, Parallelwährungen, digitalisierte Eurotransaktionen, ein Austritt aus der Eurozone sowie die Umwandlung des Euro in eine (demokratische) Gemeinschaftswährung.“

Ein „Geldsystem, das für die EuropäerInnen und Europäer arbeitet, und nicht gegen sie“ ist jedoch auf der Basis von kapitalistischen Produktionsverhältnissen ebenso wenig zu haben wie ein demokratisch verfasstes Europa. Eine „vollständige Neuverhandlung der europäischen Verträge“ ist im Rahmen der bestehenden EU-Institutionen vielleicht eine theoretische Möglichkeit, praktisch aber unmöglich. Die EU ist – wie die griechische Tragödie gezeigt hat – ein Hindernis für sozialistische Bestrebungen in jedem Land Europas und kann genauso wenig „reformiert“ werden wie die NATO, aus der DIE LINKE deshalb auch den Austritt fordert.

Die gemeinsame Erklärung von Lafontaine, Varoufakis und ihren MitstreiterInnen enthält notwendige Kritik an den undemokratischen Institutionen der EU und am Euro. Angesichts von Äußerungen führender Politiker der LINKEN, die an der EU und dem Euro ohne Rücksicht auf das Elend festhalten wollen, das dadurch nicht nur Griechenland aufgezwungen wird, ist diese Stellungnahme für einen „Plan B“ sicher ein Schritt vorwärts. Allerdings bleibt es ein völlig unzureichender Trippelschritt, wenn in diesem Alternativplan keinerlei antikapitalistische Maßnahmen vorgesehen sind und der Bruch mit dem Euro beziehungsweise der EU nicht als Voraussetzung und Mittel für ein sozialistisches Europa, sondern als Selbstzweck vorgestellt werden.