Eine Bewertung des Abschlusses bei der Deutschen Bahn
Nach über einem Jahr Verhandlungen und neun Streikrunden hat die Gewerkschaft der Lokomotivführer (GDL) der Deutschen Bahn (DB) AG einen Abschluss abgetrotzt.
von Torsten Sting, Rostock * Mitglied im ver.di-Bezirksfachbereichsvorstand Rostock, Verkehr
Welch „finstere“ Mächte hatten sich nicht gegen die GDL verschworen?! Der mächtige Bahnkonzern mit der Rückendeckung durch die Arbeitgeberverbände. Die Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD, die durch das „Tarifeinheitsgesetz“ die nur 34.000 Mitglieder zählende Organisation in ihrer Existenz bedrohte. Die bürgerlichen Medien, welche fast ohne Ausnahme die Streiks und den Vorsitzenden der GDL, Claus Weselsky, verunglimpften. Und als unrühmliches „i“ –Tüpfelchen, der Großteil der Spitze der DGB-Gewerkschaften. Umso bemerkenswerter ist der Inhalt der Vereinbarungen, welche die GDL erreichen konnte.
Tarifpolitischer Erfolg
Es handelte sich bei dem Konflikt zwischen GDL und der DB AG um einen komplizierten Tarifkonflikt mit starken politischen Elementen. Vorrangiges Ziel der Gewerkschaft war ein Tarifvertrag für das komplette Zugpersonal. Die Bahn weigerte sich standhaft dies zuzugestehen und verzögerte immer wieder die Verhandlungen und brach gar bereits gemachte Zusagen. Daher sah sich die GDL immer wieder gezwungen, zu neuen Streiks aufzurufen. Als die Lokführer zum unbefristeten Arbeitskampf über Pfingsten ansetzten, bekam die Deutsche Bahn kalte Füße und rettete sich in die Schlichtung. Das nun präsentierte Ergebnis sieht unter anderem vor, dass die GDL einen Tarifvertrag für das komplette Zugpersonal durchsetzen konnte. Damit hat sie in einem der zentralen Punkte einen klaren Sieg davontragen. Da es sich bei der GDL um eine kämpferische Gewerkschaft handelt, die mehr den Konflikt mit der Arbeitgeberseite einzugehen bereit ist, bedeutet dieser Machtzuwachs auch eine Ermutigung für Linke innerhalb und außerhalb der Gewerkschaften.
Politischer Sieg
Ein wichtiger Aspekt des Kampfes war das Damoklesschwert in Gestalt des Tarifeinheitsgesetzes. Es ist nicht übertrieben festzustellen, dass die GDL das Grundrecht auf Streik als solches verteidigt hat. Obwohl zum 1.Juli das „Tarifeinheitsgesetz“ in Kraft trat, welches de facto das Recht auf Arbeitskampf für die im Betrieb kleinere Gewerkschaft abschafft, ließen sich die KollegInnen nicht einschüchtern. Dass die Deutsche Bahn nun bis zum Jahr 2020 in einem Grundsatzpapier zugestehen musste, dass jenes Gesetz bei der DB keine Anwendung findet, also der Arbeitgeber den Gewerkschaften unabhängig ihrer Größe das Streikrecht zubilligt, rundet den Erfolg der GDL bei den Grundsatzkonflikten ab.
Materielle Erfolge
Darüber hinaus können sich die tariflichen Fortschritte sehen lassen. Die Gehälter steigen – analog zur EVG- binnen zwei Jahren um 5,1 Prozent, zudem gibt es eine Einmalzahlung von 350 Euro. Wichtiger war den KollegInnen aber eine Reduzierung der Arbeitsbelastungen. Hier konnte die GDL erreichen, dass Überstunden auf maximal 80 pro Beschäftigten im Jahr begrenzt wird. Bis Ende 2017 sollen von drei Millionen Überstunden bei den Lokführern ein Drittel abgebaut werden. In diesem Zeitraum sollen 300 Lokführer und 100 Zugbegleiter eingestellt werden.
Arbeitszeitverkürzung
Besonders hervorzuheben ist, dass mit dem 1.1.2018 die Arbeitszeit von 39 auf 38 Stunden in der Woche verkürzt wird. Die Konzernspitze deutet bereits an, dies auch mit der EVG verhandeln zu wollen. Dieser konkrete Fortschritt kann ein Signal für andere Branchen sein. KollegInnen können dieses Beispiel in ihren Gewerkschaften nutzen. Auch die Partei DIE LINKE sollte es zum Anlass nehmen, eine neue gesellschaftliche Debatte zur nötigen Verkürzung der Arbeitszeit beim vollem Lohn und Personalausgleich anzustoßen.
Wermutstropfen
So wichtig es ist die Erfolge zu betonen, so nötig ist es zudem die Gefahren zu sehen, die dieser Abschluss mit seinen 14 Tarifverträgen und zwei Zusatzvereinbarungen beinhaltet. Zentral ist hierbei das Schlichtungssystem mit dem sich die DB AG durchsetzen konnte. Dieses besagt, dass es im Rahmen einer Tarifauseinandersetzung ausreicht, dass eine Partei die Schlichtung will, diese ist dann zwingend. Die Regelung kann in der Zukunft für die Arbeitgeberseite ein nützliches Instrument sein, um Streikaktionen im Keime zu ersticken.
Fazit
Dennoch überwiegen die positiven Elemente des Abschlusses deutlich. Lehrt doch dieser Konflikt, dass sich eine kämpferische Gewerkschaftspolitik auszahlt und das man auch unter ungünstigen Rahmenbedingungen gewinnen kann, wenn man entschlossen sein Ziel verfolgt, den Konflikt mit den Kapitalisten nicht scheut und das Mittel des Streiks konsequent einsetzt. Der Erfolg der GDL verdeutlicht eindrucksvoll die Macht der Arbeiterklasse. Einige Tausend Beschäftigte waren dazu in der Lage den Bahnverkehr zum Großteil lahmzulegen.
Wichtig war die praktizierte Solidarität mit den KollegInnen. Trotz Medienhetze und der Haltung der DGB-Führung, der GDL in den Rücken zu fallen, gab es kontinuierliche Zustimmungsraten von knapp 50 Prozent. Es war positiv, dass die Partei DIE LINKE sich mit der GDL solidarisierte, jedoch blieb sie bei der Unterstützung des Streiks unter ihren Möglichkeiten.
Ausblick
Die GDL sollte den Erfolg innerbetrieblich einerseits dazu nutzen, ihre Stellung auszubauen. Andererseits gilt es aber auch, an der Basis den Brückenschlag zu den KollegInnen der EVG herzustellen um bei zukünftigen Konflikten an einem Strang zu ziehen und damit die Interessen aller Beschäftigten gegenüber dem Arbeitgeber besser vertreten zu können.
Die gute Basis bei den Tarifverträgen der Deutschen Bahn sollte offensiv dazu genutzt werden, die Bedingungen bei den privaten Firmen zu verbessern, verbunden mit der Perspektive eines Flächentarifvertrages für die Branche.
Auch wenn die GDL einen tarifpolitischen „Kniff“ gefunden hat, dass „Tarifeinheitsgesetz“ zu umschiffen, muss der Kampf gegen selbiges weitergehen. Mit Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht, aber noch mehr mit politischem Druck. Hier wären vor allem die DGB-Gewerkschaften gefragt.
Die GDL sollte ihre gewachsene Bedeutung nutzen um kämpferische Tendenzen in anderen Gewerkschaften zu unterstützen und Kontakte aufzubauen. Dabei hat sie bereits einen guten Anfang gemacht, indem sie sich mit den Streiks der Sozial- und Erziehungsdienste und der KollegInnen an der Charité solidarisch erklärte, was auf gute Resonanz bei den KollegInnen stieß.
Es gilt weiterhin politisch darauf hinzuweisen, dass nicht der Ausfall der Züge infolge eines Streiks das Problem ist. Der Normalbetrieb der Deutschen Bahn ist das Problem. Kaum machte sich der Sommer bemerkbar, schon fielen die ersten Klimaanlagen aus. Solange die DB AG auf Profit getrimmt wird, kann es keine Bahn im Sinne der NutzerInnen und der Beschäftigten geben. Daher sollte die GDL dem DGB und der LINKEN eine Initiative zur Reverstaatlichung der Deutschen Bahn vorschlagen, die der demokratischen Kontrolle unterworfen ist.