Kaum Spielraum auf kapitalistischer Grundlage
Der IWF, die EZB und europäische Union beziehen gegen Griechenland eine harte Haltung. Ihre Erpressung macht deutlich, dass ein Ende der Austerität auf dem Verhandlungsweg nicht zu erreichen ist. Die griechische Regierung muss entschlossene Maßnahmen ergreifen und Mobilisierungen von unten sollten verstärkt werden.
von Michael Koschitzki, Berlin
Eine Bündelung der Schuldenzahlung Ende Juni gab der griechischen Regierung zunächst Aufschub. Doch am 30. Juni sind Zahlungen von 1,6 Milliarden an den IWF fällig. Wird nicht gezahlt, ist eine dreiwöchige Schonfrist üblich. Dann ist der Betrag am 20. Juli fällig – zeitgleich mit einer Zahlungspflicht von 3,5 Milliarden Euro an die EZB. Schon alleine diese Summen zeigen, dass von dem so genannten Hilfspaket von 7,2 Milliarden Euro, über deren Auszahlung gerade verhandelt wird, kaum Geld in Griechenland bleibt, sondern wieder nur an Gläubiger fließt.
Und die knüpfen an die Auszahlung Bedingungen: Die Renten sollen weiter gekürzt werden, das Renteneintrittsalter weiter erhöht, der Mindestlohn nicht wieder angehoben und Privatisierungen weiter vorangetrieben werden. Garniert werden solche Forderungen mit falschen Behauptungen und Zahlen über die Situation in Griechenland, wie sie zumindest im Falle von Bosbach’s Äußerungen zm angeblichen Renteneintrittsalter bei Günther Jauch aufgedeckt wurden. Kanzlerin Angela Merkel bekräftigte das Beharren der deutschen Regierung auf den Bedingungen in ihrer Regierungserklärung am 18. Juni.
Die Bundesregierung will eine Abkehr Griechenlands von der Kürzungspolitik verhindern, damit auch für andere Staaten wie Spanien, Portugal oder Irland kein positives Beispiel gesetzt wird. Genauso wie die Bundesregierung arbeiterfeindliche Politik bei der Post unterstützt, bei der gerade durch Tochterfirmen Lohnkürzungen von bis zu 20 Prozent durchgesetzt werden sollen, wogegen sich mit Streiks gewehrt wird, beharrt sie auf arbeiterfeindlicher Kürzungspolitik in Griechenland. Die Beschäftigten in Griechenland, Deutschland, Spanien und anderswo haben dabei mehr miteinander gemeinsam als mit dieser Regierung.
Erpressung der EZB
Die Europäische Zentralbank droht in den Verhandlungen, die ELA-Kredite auslaufen zu lassen. Damit wären die Einlagen griechischer Banken nicht mehr garantiert und es würde zu einem Bankenrun kommen, Pleiten von Banken drohen im großen Stil. Bereits in den ersten fünf Monaten diesen Jahren waren es rund 30 Milliarden Euro, die aus Griechenland abgeflossen sind. Durch die Drohung der EZB wurden bereits bis zu 700 Millionen Euro täglich von den Konten abgehoben. Eine Umsetzung der Drohung würde dazu führen, dass die griechische Regierung unmittelbar Kapitalverkehrskontrollen einführen müsste, um zu verhindern, dass noch mehr Geld das Land verlässt.
In Zypern wurden diese 2013 erstmals eingeführt. Jedoch waren sie dort mit einer rigorosen Kürzungs- und Privatisierungspolitik verbunden. Gleichzeitig konnten die Reichen trotz der Kontrollen Geld im Ausland abheben und so ihr Vermögen sichern, während vor allem die zypriotische Arbeiterklasse von den Beschränkungen betroffen war. Letztlich spielt die entscheidende Rolle, wer Kapitalverkehrskontrollen mit welchem Interesse einführt und unter wessen Kontrolle sie stattfinden.
Kapitalverkehrskontrollen hätten gleich zu den ersten Maßnahmen einer linken Regierung gehören müssen. Es sind hauptsächlich die Reichen und Kapitaleigner, die ihr Geld ins Ausland transferieren, während die Masse der Arbeiterklasse durch die Auswirkungen der Krise kaum noch Vermögen hat. 25 Prozent aller GriechInnen sind arbeitslos, 90 Prozent von ihnen erhalten keinerlei staatliche Unterstützung. Durch die Kontrolle des Kapitalverkehrs könnte Steuerhinterziehung der Reichen erschwert werden. Es müsste der erste Schritt sein, die Kontrolle über das Finanzsystem zu erlangen und von der Verstaatlichung der Banken unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung gefolgt werden. Solche Maßnahmen würden massiven Widerstand der griechischen und europäischen Kapitalisten hervorrufen. Das Zögern der griechischen Regierung Kapitalverkehrskontrollen einzuführen, zeigt, dass sie davor zurückschrecken, diese Konfrontation einzugehen.
Rausschmiss aus dem Euro?
Obwohl sich Merkel in ihrer Regierungserklärung gegen einen Grexit ausgesprochen hat, mehren sich die Anzeichen, dass ein Rausschmiss Griechenlands aus dem Euro als Option in Erwägung gezogen wird. So sprach sich zum Beispiel der Union-Fraktionsgeschäftsführer Grosse-Brömer dafür aus, dass „notfalls ein Grexit hinzunehmen“ sei. Der lettische Finanzministerminister hält die Möglichkeit eines Grexits für „sehr groß“. In Großbritannien und der EU haben die Vorbereitungen für ein mögliches Ausscheiden Griechenlands angeblich begonnen.
Doch darf sich die griechische Regierung nicht durch die Drohung eines Euro-Rausschmiss zwingen lassen, weiteren Kürzungsmaßnahmen zuzustimmen. Statt um jeden Preis im Euro bleiben zu wollen, sollten sie jegliche Kürzungen ablehnen und stattdessen die Schulden nicht zurückzahlen, Kapitalverkehrskontrollen einführen und die Banken unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung verstaatlichen. Auf dieser Grundlage könnte Syriza ihre Wahlversprechen beginnen umzusetzen und die Arbeiterklasse anderer Länder auffordern, den gleichen Weg zu gehen. Um den Widerstand der griechischen Kapitalisten zu brechen, müssten zur Durchsetzung dieser Schritte demokratische Strukturen der Selbstorganisation von unten aufgebaut werden. Konzerne, die versuchen sich der Regierung zu widersetzen oder Geld und Maschinen ins Ausland transportieren, gehören enteignet.
Unterstützung für harten Kurs – Unzufriedenheit mit Syriza
Doch bislang hat die Syriza-Führung einen anderen Kurs eingeschlagen. In den Verhandlungen machte sie deutlich, dass sie gewillt ist, Teile ihrer Wahlversprechen nicht zu erfüllen. Die Mindestlohnerhöhung soll beispielsweise ausgesetzt werden. Insgesamt versucht sie den Forderungen der Troika nach Kürzungen nachzukommen ohne ihr Gesicht zu verlieren. Für eine harte Haltung gegen die Troika gibt es in Griechenland laut Umfragen große Mehrheiten, die sich auch in Wahlumfragen niederschlagen. Gleichzeitig wächst die Unzufriedenheit mit dem Schlingerkurs von Syriza. Sie muss sich jetzt entscheiden, ob sie Kürzungen zustimmt oder sich mit den europäischen und griechischen Kapitalisten anlegt.
Eine entscheidende Rolle spielt dabei die Linke innerhalb und außerhalb Syrizas. In der Syriza Fraktion gibt es mehrere Abgeordnete, die dem linken Flügel angehören. Wenn die Tsipras-Regierung nicht auf Stimmen der bürgerlichen Parteien angewiesen sein will, hat sie nach derzeitigem Stand im Parlament keine Mehrheit für Rentenkürzungen und ähnliche Maßnahmen. Auch außerhalb der Partei bewegt sich mehr. In Athen und anderen Städten gab es am 17. Juni Demonstrationen von Tausenden gegen die Sparpolitik und für eine harte Haltung gegen die Gläubiger. An diesem Widerstand muss angeknüpft und er muss mit einem politischen Programm bewaffnet werden.
Von Athen bis Berlin
In Deutschland muss der Widerstand gegen die Politik der Bundesregierung vorangebracht werden. Am Samstag 20. Juni findet in Berlin eine Demonstration unter dem Titel „Europa anders machen“ statt, zu der auch DIE LINKE mobilisiert. Daran muss weiter angeknüpft werden und auch die inhaltlichen Diskussionen insbesondere in der LINKEN fortgesetzt werden. Gregor Gysi kritisierte in der Aussprache zur Regierungserklärung richtigerweise die Haltung der Bundesregierung, landete jedoch dann dabei, statt Schuldenstreichung zu fordern, der Bundesregierung eine Gefährdung des Euro und der europäischen Integration vorzuwerfen. Andere Teile der Fraktion machten mehr Druck unter anderem mit einer Plakataktion während der Aussprache. Leider verpasste der letzte Bundesparteitag der LINKEN die Haltung zu Griechenland intensiv zu diskutieren. Ein Antrag der AKL, der leider nicht behandelt wurde, forderte „eine Unterstützung einer griechischen Linksregierung, wenn diese, aus unserer Sicht notwendige, Maßnahmen zum Bruch mit den kapitalistischen Eigentums- und Machtverhältnissen ergreift, wie die demokratische Verstaatlichung von Banken, Enteignung von Reedern und Kircheneigentum, Einführung von Kapitalverkehrskontrollen und einem staatlichen Außenhandelsmonopol – auch wenn das den Bruch mit EU und Euro bedeuten sollte.“ Diese Diskussion muss jetzt verstärkt geführt werden.