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Liebe Kolleginnen und Kollegen,
euer Streik legt den Finger in die Wunde! Nicht euer Streik, sondern der Normalbetrieb gefährdet die Patienten. Nicht nur an der Charité, sondern bundesweit herrschen katastrophale Zustände in den Krankenhäusern.
Euer Streik wirft zu Recht die Frage auf, was eine gute Krankenversorgung wert ist. Viele Menschen stehen hinter euch, weil sie meinen, dass eure Arbeit wichtiger ist als Prestigeobjekte wie die teure Finanzierung des BER, der Ausbau der Stadtautobahn A100, der Staatsoper oder des Berliner Schlosses.
Der Charité-Vorstand argumentiert, die Umsetzung eurer Forderungen würde die Schaffung 600 neuer Stellen bedeuten und 36 Millionen Euro kosten. Das sei unbezahlbar, krakeelen sie. Da wäre man ja manchmal gern ein Flughafen. Während ihr jeden Tag schuftet und funktioniert, funktioniert an diesem Flughafen gar nichts. Dabei verschlingt der BER jeden Monat 17 Millionen Euro – dafür, dass er leer steht! Das Geld für zwei Monate Leerstand am BER würde also ausreichen, um eure Forderungen für ein Jahr zu finanzieren.
Die neue Kanzler-U-Bahn vom Alexanderplatz bis zum Kanzleramt ist gerade mal 1,8km lang und hat 650 Millionen gekostet. Das heißt im Klartext: Die finanziellen Mittel für 55 Meter Kanzler-U-Bahn hätten ausgereicht, um Geld für eure Forderungen bereit zu stellen. Es ist also eine politische Frage, wofür Geld ausgegeben wird.
Marktwirtschaft im Gesundheitswesen?
All das passiert aber nicht nur in Berlin, sondern auch auf Bundesebene. Soeben hat die Bundesregierung ein Krankenhausstrukturgesetz beschlossen. Der Abgeordnete der Linksfraktion Harald Weinberg nannte dieses Gesetz zu Recht eine „Abwrackprämie für Krankenhäuser“. Anstatt mehr Geld für gute Pflege und Arbeitsbedingungen bereit zu stellen, wird dieses Gesetz zu mehr Privatisierungen und Krankenhausschließungen führen. Nicht weniger, sondern noch mehr marktwirtschaftliche Kriterien sollen im Krankenhaus Einzug halten. Krankenhäuser mit schlechter Qualität sollen weniger Mittel erhalten oder ganz schließen. Aber wer bestimmt eigentlich über Qualität? Sicher nicht die Pflegekraft im Nachtdienst, die allein eine ganze Station zu versorgen hat und sich mehr Personal wünscht.
Carsten Becker von ver.di Charité erinnerte beim Warnstreik im April an die Worte Rudolf Virchows vor 167 Jahren: „Wenn man eine öffentliche Gesundheitsversorgung will, dann darf man nicht fragen, was sie kostet, sondern was man braucht“.
Menschen vor Profite!
Der Kapitalismus ist jedoch nicht auf menschliche Bedürfnisse, sondern auf den höchstmöglichen Profit spezialisiert. Dieser macht auch vor den Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge nicht halt. Um Kosten zu sparen gibt es selbst in öffentlichen Krankenhäusern Outsourcing – wir alle haben es bei der Ausgründung der CFM 2006 erlebt. Die Kolleginnen und Kollegen kämpfen hier immer noch für einen Tarifvertrag, obwohl ein solcher eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte. All das ist aber kein Zufall. Im Kapitalismus wird aus dem öffentlichen Gesundheitswesen ein durchökonomisierter und zunehmend privatisierter Gesundheitsmarkt. Mit den Fallpauschalen wird der Preis der Gesundheit eines Menschen genau wie jede andere Ware kalkuliert und berechnet. Der damit verbundene Wettbewerb führt zu Überversorgung bei Behandlungen, die sich „lohnen“ und Unterversorgung bei Behandlungen, die sich nicht „lohnen“. Pharmakonzerne machen mit überteuerten und teilweise nutzlosen Medikamenten Riesenprofite. Die staatliche Gesundheitsversorgung wird abgebaut, Lohnabhängige müssen immer mehr zahlen, Krankenhäuser werden zu Fabriken.
Für eine bedarfsgerechte Finanzierung
Euer Kampf für mehr Personal im Krankenhaus stellt diese Logik in Frage. Wir meinen: Krankenhäuser müssen genau wie Schulen, Verkehr und Altenpflege bedarfsgerecht finanziert werden. Dazu bedarf es in der Krankenhausversorgung der Durchsetzung einer Personalmindestbesetzung, wie sie von euch gerade per Tarifvertrag erkämpft wird und von ver.di und der LINKEN per Gesetz für alle gefordert wird.
Alle geplanten Privatisierungsschritte gehören gestoppt, bereits erfolgte Privatisierungen müssen rückgängig gemacht werden. Die CFM muss wieder in die Charité eingegliedert werden. Nötig ist ein massives staatliches Investitionsprogramm zur Sanierung von Krankenhäusern, zum Aufbau eines Netzes von Polikliniken, zur Verbesserung und Förderung der Gesundheitsvorsorge und Forschung. Ein solches Programm muss durch eine deutliche Besteuerung von Banken und Konzernen finanziert werden. Eine zehnprozentige Millionärssteuer würde rund 200 Milliarden Euro jährlich in die Kassen spülen (selbst bei einem Freibetrag von einer Million).
Zur Abschaffung des Wettbewerbs und des Profitemachens mit der Gesundheit von Menschen gehört auch, dass die Pharmaindustrie – unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch die arbeitende Bevölkerung – in Gemeineigentum überführt wird. Profitorientiertes Wirtschaften hat in der Gesundheitsversorgung nichts zu suchen.
Wir wünschen euch viel Erfolg in eurem Kampf und werden unser Möglichstes tun, euren Streik bekannt zu machen. SAV-Mitglieder sind im Bündnis ‚Berlinerinnen und Berliner für mehr Personal im Krankenhaus‘ aktiv und helfen mit, Solidarität zu organisieren.
Einladung zu Treffen der SAV:
Dienstag, 23.06.: Kapitalismus macht krank – Gesundheit vor Profite! 19h in Neukölln, Reuterstraße 52 (Nähe U-Bhf Hermannplatz)
Montag, 29.06.: Krise und Widerstand in Spanien. 19h im Prenzlauer Berg, im: Sonntagsclub, Greifenhagener Straße/ Ecke Erich Weinert-Straße (Nähe S-Bhf Schönhauser Allee)
Dienstag. 30.06. Our health – not your business! Der Kampf an der Charité für mehr Personal und das Gesundheitsprogamm der SAV. Mit: Stephan Gummert, ver.di Betriebsgruppe Charité, 19h im Friedrichshain, Gryphiusstraße 16 (Nähe U-Bhf Samariterstr und SBHF Ostkreuz).
Dienstag, 07.07.: Ist Sozialismus eine Utopie? Wie können Alternativen zu Kapitalismus und Stalinismus aussehen?
19h in Neukölln, Reuterstraße 52 (Nähe U Bhf Hermannplatz)