Knackpunkte vor Schlichtung scheinbar gelöst – doch für weitere Aktionen bereithalten
Während in der Schlichtung und anschließenden Verhandlungen noch die tatsächlichen Verbesserungen für LokführerInnen und das Zugpersonal verhandelt werden, scheinen wesentliche Streikziele bereits erreicht. Doch die GDL muss jetzt den Kampf zur Durchsetzung ihrer materiellen Forderungen genauso entschlossen führen.
von Michael Koschitzki, Berlin
Die GDL machte sich diese Woche bereit für den möglicherweise längsten Streik in der Geschichte der Deutschen Eisenbahn. Obwohl die öffentliche Meinung polarisiert war, stand die Streikfront mit großer Beteiligung und Zustimmung. Man war bereit, auch zum zweiten Mal im Monat in den Arbeitskampf zu treten. Um die daraus entstehenden Lohneinbußen zu senken, wurde das Streikgeld erhöht. Das drückte eher eine ernsthafte Vorbereitung und Kampfbereitschaft aus, als dass es ein Zeichen der Schwäche war, wie es in einer der vielen einseitigen Pressemeldungen dieser Tage interpretiert wurde.
In den Verhandlungen, die während des Streiks am Mittwoch stattfanden, wurde laut GDL vereinbart, dass Abschlüsse mit anderen Gewerkschaften (also vor allem der EVG) keinen Einfluss auf die Verhandlungen mit der GDL haben. Damit erhält sie wohl das Recht, Tarifverträge für das gesamte Zugpersonal abzuschließen. Die Lokrangierführer werden in den Lokführertarifvertrag eingegliedert und nicht fallen gelassen.
Bedeutung der Einigung
Damit konnte die GDL, so wie es aussieht, ihr Streikziel, auch für ZugbegleiterInnen Tarifverträge abzuschließen, bereits erreichen. Weil diese bisher durch die EVG vertreten wurden, wollte die Bahn verhindern, dass eine als kämpferischere Gewerkschaft geltende Interessensvertretung neue Beschäftigte organisiert und vertritt. Da so ein Beispiel schnell Schule machen kann, setzte sich die Bundesregierung als Haupteigentümer der Bahn für einen harten Kurs gegenüber der GDL ein. Politisch wurde das Unterfangen mit dem Tarifeinheitsgesetz flankiert, welches das Streikrecht einschränken wird.
Auch wenn das Tarifeinheitsgesetz mit der Einigung nicht vom Tisch ist, stellt ein möglicher Erfolg der GDL einen Schritt zur Verteidigung des Streikrechts da. Sie hat damit auch gezeigt, dass es sich lohnt zu kämpfen und zu streiken. Die EVG drohte ihrerseits mit Streiks sollte es nicht zu einem zügigen Abschluss kommen und drängt darauf, dass keine Beschäftigten durch ihre Tarifverträge schlechter gestellt werden. Die EVG Spitzen schlugen den kampfeslustigen Ton erst seit den Aktionen der LokführerInnen an, doch gerade deshalb sollten sich die dort organisierten BahnkollegInnen an den LokführerInnen ein Beispiel nehmen und für einen kämpferischen Kurs und für gemeinsame Aktionen eintreten, mit denen mehr für alle rausgeholt werden kann.
Schlichtung
Eine Schlichtung ist nicht ideal. Schlichtungen dienen in der Regel dazu, die Dynamik eines Arbeitskampfes zu brechen. Sollte sich die GDL so durchgesetzt haben, wie sie angibt, scheint die Schlichtung jetzt vor allen Dingen dafür zu dienen, es nicht nach einem schnellen Sieg der GDL – dazu noch erkämpft durch einen Streik – aussehen zu lassen. Da die Bundesregierung mehr Schlichtungen will und sich bereits auch für Zwangsschlichtungen eingesetzt wird, wollten sie lieber eine Schlichtung als eine Lösung durch Verhandlungen. Es ist nachvollziehbar, dass die GDL angesichts der fehlenden Solidarität und der polarisierten öffentlichen Meinung jetzt die Schlichtung akzeptieren musste, aber wenn die Deutsche Bahn hart bleibt, wird sie ihre Forderungen nur durch Kampf durchsetzen können. Immerhin geht es jetzt noch um die Reduzierung von Überstunden, Verbesserung der Freizeit, Reduzierung der Arbeitszeit und Erhöhung der Löhne um fünf Prozent. Hier darf sich die GDL nicht über den Tisch ziehen lassen.
Mit der Benennung Bodo Ramelows als Schlichter hatte die GDL viele überrascht. Richtigerweise hat er diese Benennung mit einer scharfen Kritik an der Bundesregierung, ihrem Tarifeinheitsgesetz und auch an der Bahn und deren geforderter Unterordnung kleiner Gewerkschaften verbunden. Er muss jetzt als Vertreter der Bahn Beschäftigten agieren und nicht als Schlichter, der einen Kompromiss – möglicherweise sogar einen faulen – aushandeln soll. DIE LINKE lehnt das Tarifeinheitsgesetz ab – hätte aber noch stärker und geschlossener Solidarität mit dem Kampf der Lokführer zeigen müssen.
Hintertürchen der Einigung?
Der GDL Vorsitzende Claus Weselsky erklärte zwar, dass sie ein „schriftlich miteinander fixiertes Tarifzwischenergebnis“ hätten, „in dem klar und deutlich geregelt ist, dass die von uns vertretenen Mitglieder Tarifverträge auch erhalten werden, wenn es dem Arbeitgeber nicht gelingt, Tarifeinheit und einheitliche Regeln mit der anderen Gewerkschaft herzustellen.“ Jedoch sagte DB-Personalvorstand Ulrich Weber „Wir gehen in diese Schlichtung so, wie wir bisher auch verhandelt haben: Ohne Vorbedingungen.“ Hat die Deutsche Bahn noch ein Hintertürchen?
Es ist davon auszugehen, dass die GDL sich jetzt durchgesetzt hat. Jedoch hielt die Bahn auch schon zuvor schon gemachte Absprachen nicht ein. Es besteht die Gefahr, dass sie die Schlichtung scheitern lässt und sich nach dem 17. Juni auf eine neue Auseinandersetzung einlässt, in dem Wissen, dass sie ab dem ersten Juli das Tarifeinheitsgesetz einsetzen kann. Falls das der Fall ist, müssen die LokführerInnen vorbereitet sein, ihre Interessen wieder mit der gleichen Entschlossenheit durchzusetzen, wie sie sie in den letzten Tagen gezeigt haben.
Schon jetzt ist ihr Kampf ein Beispiel für enorme Kampfbereitschaft. Die Auseinandersetzung findet statt während sich auch ErzieherInnen, SozialarbeiterInnen, Postbeschäftigte, Geldtransporteuer, Einzelhandelsbeschäftigte und Beschäftigte der Charité in Auseinandersetzungen befinden. Statt sich von den LokführerInnen abzuwenden, wäre es die Aufgabe des DGB alle diese Kämpfe noch mehr zusammen und in einer gemeinsamen Streikbewegung zum Erfolg zu führen.