Protestbewegung erreicht Wiedereinstellung des Intendanten
Seit Jahrzehnten ist das Rostocker Volkstheater von Schließung bzw. Kürzungen bedroht. So auch dieses Jahr. Die Bürgerschaft beschloss, dass es nun nur noch zwei Sparten geben wird, statt vier. Die restlichen zwei Sparten werden höchstens durch ausgeliehene Künstler erhalten. Der Grund ist klar – die Schuldenbremse der Bundesregierung. Das sagt aber keiner von den Politikern.
Von Frank Zimmermann
Im letzten Jahr wurde ein neuer Intendant eingestellt – Sewan Latchinian. Er brachte neuen Schwung in das Programm des Theaters, indem er sowohl inhaltlich als auch räumlich die Nähe zur normalen Bevölkerung suchte. So organisierte er z.B. einen Auftritt in einer Brauerei. Auch zeigte er sich als ein durchaus kritischer Mensch, als er das Stück „Deutschland – ein Wintermärchen“ ins Programm aufnahm. Beides fand verhältnismäßig viel Anklang in der Bevölkerung. Kritisch zeigte er sich auch gegenüber den Kürzungen, die das Volkstheater bedrohen und eigentlich einen Tod auf Raten bedeuten. Er rechnete dies auch in der Öffentlichkeit vor und widerlegte die Argumentation des Landeskultusministers und der kommunalen Kürzungspolitiker.
Vor ein paar Wochen spitzte sich die Lage zu, als Herr Latchinian folgendes sagte: „Seit Wochen zerstören (…) IS-Schergen im Irak die jahrtausendealten Weltkulturerbestätten Nimrud und Kirkuk, aus religiösen Vorwänden. Und hier bei uns in Mecklenburg-Vorpommern – ich setze das nicht gleich, aber vergleichen muss man das schon – hat momentan im Namen des Geldes die Zerstörung funktionierender Theaterstrukturen begonnen.“ Ein wahrlich harter, aber treffender Vergleich. Dies nahm der Oberbürgermeister zum Anlass, Latchinian fristlos zu kündigen. Da hatte er aber nicht mit der, für Rostocker Verhältnisse starken, Protestbewegung, die durch die ganzen Kürzungen entstanden war, gerechnet. Am 12.4. gab es eine Zuschauerkonferenz vor dem Theater mit 300 Beteiligten, auf der das SPD-Fraktionsmitglied Thomas Senz, der die Entlassung und die Kürzungen verteidigt, ausgepfiffen wurde und Studierende der HMT (Hochschule für Musik und Theater) sagten, dass Kunst Opposition sei. Am darauffolgenden Tag fanden noch verschiedene weitere Aktionen statt, unter anderem eine Kundgebung mit circa 800 Beteiligten. Die für Rostock recht hohe Beteiligung kann man sich durch die Verbundenheit des Volkstheaters mit der stadtweiten Kultur- und Kunstszene erklären, die bis in die Jugendkultur hineinreicht.
Die SAV Rostock beteiligt sich an der Bewegung und hat ein Flugblatt erstellt. Bei der Demonstration konnten wir auch einige Exemplare unserer Zeitung „Solidarität“ verkaufen. Der öffentliche Druck, der inzwischen auch aus der ganzen Bundesrepublik kam, erreichte die Wiedereinstellung von Sewan Latchinian. Jetzt muss dieser Erfolg und der gegenwärtige Schwung der Protestbewegung genutzt werden, die Kürzungen am Volkstheater rückgängig zu machen.