Nein zu weiteren Einschränkungen des Asylrechts!
Seit Anfang Dezember 2014 sind 50.000 Menschen aus Kosova ausgewandert. Das ist ein heftiger Aderlass für ein Land mit gerade mal 1,8 Millionen EinwohnerInnen.
Von Ronald Luther, Berlin
Die Deutsche Botschaft in der kosovarischen Hauptstadt Priština malt bereits Schreckensbilder an die Wand und spricht in einem Bericht von einer Ausreise-„Lawine“ aus dem Kosova nach Deutschland. Es werden Massenabschiebungen und „Hauruckaktionen“ gefordert. Und Bayerns CSU-Innenminister Joachim Herrmann rief sofort zur Bekämpfung von Asyl-Missbrauch auf. Erneut wird die Angst vor einer angeblichen Masseneinwanderung geschürt, die die deutschen Sozialsysteme überfordern könnte. Dabei kann man in Deutschland fast kein Asyl mehr erhalten, selbst wenn man die Voraussetzungen des deutschen Asylrechts erfüllt und durch Staaten politisch verfolgt wird oder das Leben zum Beispiel durch Folter oder Todesstrafe bedroht ist. Denn Asyl erhält man in Deutschland generell nicht, wenn man aus einem sogenannten sicheren Herkunftsland kommt oder über einen sicheren Drittstaat einreist. Auch deshalb schlug der bayrische Innenminister vor, Kosova schnell zum „sicheren Herkunftsland“ zu erklären. Dabei trifft das deutsche Asylrecht auf die meisten Kosovaren überhaupt nicht zu, da Asyl nicht bei allgemeinen Notsituationen wie Armut, Bürgerkriege oder Perspektivlosigkeit gewährt wird.
Die meisten Kosovaren wollen auch kein Asyl beantragen oder von deutschen Sozialleistungen leben, sondern legal arbeiten und ihr eigenes Geld verdienen. Gerade mal 5.586 Kosovaren beantragten seit Dezember Asyl bei uns. Wie andere Zuwanderer aus Osteuropa auch werden die meisten Kosovaren nur eine prekäre, schlecht bezahlte Arbeit finden. So arbeiten in den großen deutschen Schlachthöfen Armutsmigranten aus Osteuropa unter sklavenähnlichen Bedingungen zu Dumpinglöhnen und wohnen dort in erbärmlichsten Verhältnissenn. Auch andere Zahlen lassen keine Überforderung Deutschlands befürchten, selbst wenn man von einem weiteren Anstieg der Zuwanderungs- und Flüchtlingszahlen nach Deutschland ausgeht. So hat Deutschland im letzten Jahr 202.834 Flüchtlinge und etwa 470.000 Zuwanderer aufgenommen, das sind gerade mal 0,83 Prozent der Gesamtbevölkerung. Die UNO geht davon aus, dass sich weltweit fast 51,2 Millionen Menschen auf der Flucht befinden. Fast 90 Prozent dieser Menschen flüchten in Nachbarländer oder sind Binnenflüchtlinge. Deutschland hat davon gerade mal 0,41 Prozent aufgenommen. Im Vergleich dazu ist in Jordanien mittlerweile jeder zehnte und im Libanon sogar jeder vierte Einwohner ein syrischer Flüchtling.
Die Kosovaren hatten ihre Unabhängigkeit von Serbien im Jahre 2008 mit großer Begeisterung und vielen Hoffnungen begrüßt und fühlen sich nun betrogen. So hat offiziell nur etwa jeder Dritte Kosovare Arbeit und 60 bis 70 Prozent der jungen Menschen sind arbeitslos. In den letzten Jahren wurden auf Betreiben der EU viele ehemalige Staatsbetriebe privatisiert, was zu einem Verlust von bis zu 76.000 Arbeitsplätzen führte. Etwa 30 Prozent leben unter der Armutsgrenze. Der Durchschnittsverdienst liegt bei gerade mal 250 Euro im Monat und medizinische Versorgung gibt es praktisch nur gegen Bargeld. Viele können sich im Winter noch nicht einmal das Brennholz für den Ofen leisten. Gleichzeitig gibt es im Kosova viele Millionäre, die meisten davon sind Politiker. So gilt als reichster Mann des Kosova der ehemalige Präsident und Ministerpräsident Behgjet Pacolli, dessen Vermögen mit 420 Millionen Euro angegeben wird.
Der eigentliche Anlass für die verstärkte Auswanderung war aber die Bildung einer neuen Regierung in Priština Anfang Dezember letzten Jahres nach einer halbjährigen Patt-Situation. Diese Regierung kam nur auf massiven Druck der EU und der USA zu Stande und seitdem herrscht politischer Stillstand. Hinzu kommt eine große Unzufriedenheit mit der weit verbreiteten Korruption und organisierten Kriminalität. So werden staatliche Jobs über ein Klientelsystem der regierenden Parteien vergeben. Es ist ein offenes Geheimnis, dass in Kosova eine korrupte Politikerkaste an der Macht ist, die eng mit der organisierten Kriminalität verbunden ist. So gilt das Land als ein Umschlagsplatz im europäischen Drogen- und Menschenhandel. Das alles geschieht mit Wissen der EULEX, einer Behörde der EU, die den Aufbau eines Rechtsstaates im Kosova überwachen soll und der UNO-Mission UNMIK, die das Land übergangsweise verwaltet. EULEX-Mitarbeiter waren im letzten Jahr selber in eine Korruptionsaffäre verstrickt gewesen.
Es herrschen dort noch immer Massenelend und Massenarbeitslosigkeit, denn das meiste Geld verschwindet in den kriminellen Strukturen des Landes. Besonders die deutsche Regierung kann sich hier nicht aus der Verantwortung stehlen. So sagt das Auswärtige Amt selber, dass Deutschland einer der privilegierten Partner Kosovas ist und man besucht sich gerne auf Regierungsebene.
Unterstützung erhalten EULEX und UNMIK von KFOR-Soldaten der NATO, in der auch 740 Soldaten aus Deutschland Dienst tun. Diese sollen insbesondere die immer wieder aufflammenden Konflikte zwischen albanischer Mehrheit und serbischer Minderheit unterdrücken, die wegen der vielen ungelösten Probleme im Kosova ausbrechen. Diese Auseinandersetzungen werden durch die Haltung der serbischen Regierung, die Unabhängigkeit von Kosova nicht anzuerkennen, verstärkt. Dabei kann die serbische Regierung auf die Unterstützung der russischen Regierung zählen. Im Kosova treffen also geopolitische Interessen der EU und USA auf die von Russland. So wurde mit dem Camp Bondsteel die größte Militärbasis der USA auf europäischen Boden mit einem 99jährigen Mietvertrag und Option auf Verlängerung errichtet.
Die Flüchtlinge versuchen also Verhältnissen zu entkommen, die auch durch die Politik der Bundesrepublik Deutschland und der mit ihr verbündeten imperialistischen Staaten entstanden sind. Sie dürfen nicht abgeschoben werden, sondern ihnen muss unsere Solidarität gelten.