Bericht von der Anti-Kögida-Demo in Köln am 5. Januar
So hatten es die Antifa-Organisationen angekündigt und so wurde es eingehalten. Erreicht wurde das durch eine schwer zu schätzende Zahl von Menschen, es waren sicher über 10.000, die sich überall rund um den Bahnhof Deutz versammelt hatten. Zeitweise brachen die Handynetze vor Ort zusammen, bei der Hauptkundgebung standen die DemonstrantInnen so dicht hinter den Drängelgittern der Polizei, dass sie spontan mit „Wir sind keine Ölsardinen“-Rufen protestierten.
An anderen Stellen wurden die Polizeiketten durch die schiere Masse durchbrochen, eine strategisch wichtige Fußgängerbrücke (auf der geplanten Demoroute der Nazis und Rassisten) und Teile der Straße wurden besetzt. Das vielleicht Bemerkenswerteste an diesem Abend war die Entschlossenheit der DemonstrantInnen. Ein kollektives Gefühl ‚Wir wollen diese rassistischen Hetzer hier nicht. Wir lassen sie nicht durch.‘ Am Ende mussten die vielleicht 500 Kögida-Rassisten ihre Deutschlandfahnen einrollen und unverrichteter Dinge abziehen.
Besonderer Kritik verdient die Rolle der Polizei an diesem Abend. Sie war offensichtlich entschlossen, den Aufmarsch der Rechten mit allen Mitteln durchzusetzen. Die DemonstrantInnen an der geplanten Demoroute wurden hinter Drängelgittern eingepfercht, von behelmten Hundertschaften in Schach gehalten, auf der Demoroute stand berittene Polizei. An einigen Stellen wurde mit Pfefferspray und Gummiknüppeln gegen die DemonstrantInnen vorgegangen. Der Anmelder der linken Gegenkundgebung wurde ständig mit Auflagen unter Druck gesetzt, die Namen aller OrderInnen wurden verlangt, eine Polizistin baute sich neben den Rednern auf und stenografierte alle Durchsagen, die am Megafon gemacht wurden, mit. Darüber, dass Parteiprominenz von SPD, Grünen und CDU sich an der Kundgebung des bürgerlichen Bündnisses beteiligten, sollten wir nicht vergessen, dass sie die politische Verantwortung für das Verhalten der Polizei tragen.
Es war allein der großen und entschlossenen Masse an Gegendemonstranten zu verdanken, dass die Nazis und Rassisten an diesem Abend unverrichteter abziehen mussten. Ein großer Teil der GegendemonstrantInnen zog dann noch, den Erfolg feiernd, in einem Demozug in die Innenstadt – auf der Route die die Kögida-Rassisten ursprünglich nehmen wollten.
Kögida kündigt auf Facebook an, im Rheinland nur noch in Düsseldorf aufmarschieren zu wollen. Wenn diese Meldung stimmt, ist das eine großer Erfolg und Ansporn sie gemeinsam auch dort zu blockieren. Es ist unbedingt nötig, jedes mal erneut zu Tausenden auf der Straße zu sein, um sie zu stoppen. Diesmal hatte die Presse zur Mobilisierung beigetragen, darauf können wir uns aber nicht verlassen. Es werden mehr AktivistInnen gebraucht, die helfen, mittels Flugblättern vor Schulen, Unis, Berufsschulen und Betrieben zu mobilisieren. Termine und Treffen zur Vorbereitung gibt es unter anderem auf http://www.sav-koeln.de/ und http://www.keinveedelfuerrassismus.de/, Facebook: „Pegida? Läuft nicht in Köln“, SAV Köln“.
Und es gilt natürlich, neben den Straßenrassisten auch den staatlichen Rassismus zu bekämpfen, der ersteren den Boden bereitet hat.
Dokumentiert: Rede von SAV-Mitglied Georg Kümmel
(Die Rede konnte nur zur Hälfte gehalten werden, weil dann Infos an die DemoteilnehmerInnen nötig wurden.)
Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,
in den letzten Wochen hat sich wahrscheinlich jeder von uns an den Kopf gefasst und gedacht:
Was für ein Irrsinn, wie kann das sein? So viel Dummheit, Dumpfheit, Idiotie, mittelalterliche Dunkelheit am Anfang des 21. Jahrhundert.
Aber in Anlehnung an Shakespeare muss man bei aller Idiotie doch sagen: „Ist es auch Wahnsinn so hat es doch Methode“.
Der Wahnsinn hat Ursachen, er speist sich aus zwei Quellen: Bewusste Nazis und staatlicher Rassismus haben die PEGIDA geschaffen.
Das will ich beweisen:
Wer dieser Tage nach Dresden schaut und über den Zulauf zu Pegida den Kopf schüttelt, dem müssen wir sagen: Ein Vorläufer diese Bewegung entstand wesentlich in Köln: Die Idee der Organisatoren von PEGIDA und KÖGIDA ist, die alten faschistischen und rassistischen Ideologien neu zu verpacken. Es waren die Hetzer von ProKöln, die sich vor mehreren Jahren allgemein alles Islamische als Zielscheibe ausgesucht und aufgebaut haben. Mit ihrer Kampagne gegen den Moscheebau haben sie es in den Kölner Rat geschafft.
Erinnern wir uns: Es war ProKöln mit klar nachzeichenbaren Wurzeln und Verbindungen zu Nazi-Organisationen, die 2008 ihren Anti-Islam-Kongress in Köln abhalten wollten. Damals haben 40.000 eine Kundgebung von Pro-Köln erfolgreich verhindert.
Heute Abend stellen wir uns der alten Mischung aus Nazis und Rassisten entgegen. Der Name Pegida und Kögida ist neu, die Inhalte sind die alten.
Ich weiß nicht, wer von euch sich das Logo von Pegida mal genauer angeschaut hat: Da fliegt eine IS-Fahne in den Mülleimer. Da fliegt ein Hakenkreuz in den Mülleimer. Aber da fliegt auch die schwarz-rote Fahne der Antifa in den Mülleimer. Und dann fliegt da noch eine rote Fahne in den Mülleimer, die man erst googeln muss. Es ist das Logo der PKK, allerdings nicht das von heute, sondern das Logo aus den 80er Jahren. Und das ist doch bemerkenswert: Es waren und sind vor allem auch Kämpfer und Kämpferinnen der PKK, die gegen die IS-Terroristen kämpfen. Was haben die Organisatoren von Pegida gegen die PKK?
Die Antwort: Die PKK ist irgendwie links, die alte Fahne ist rot und enthält Hammer und Sichel.
Und hier haben wir wesentliche ideologischen Elemente des Faschismus zusammen: extremer Nationalismus, Anders-Aussehende, Anders-Gläubige als Sündenböcke und gegen alles Linke.
Was PEGIDA und KöGIDA und wie sie allen heißen, so brandgefährlich macht, ist eben, dass die Wölfe sich einen neuen Schafspelz angezogen haben, nicht mehr braun – die Farbe war zu auffällig. Auf dem neuen Pelz steht: ‚Anti-Islam‘. Das Ziel der Organisatoren ist Faschismus ohne Hakenkreuz, Faschismus ohne offenen Antisemitismus.
Die Faschisten und Rassisten haben jetzt einen neuen Sündenbock: Menschen aus islamischen Ländern. Was PEGIDA und Co. so gefährlich macht, ist dass viele rückständige Menschen darauf reinfallen.
Verständnis?
Ja, aber man müsse die Sorgen der PEGIDA-Demonstranten ernst nehmen – sagen jetzt verschiedene Politiker aus dem bürgerlichen Lager.
Wir sagen: Was man zuallererst ernst nehmen muss, sind die Sorgen und Ängste der Menschen, die durch den Rassismus bedroht werden.
Ja aber, die Pegida-Demonstranten seien nicht alle Nazis oder Rassisten, es seien mehrheitlich Menschen mit materiellen Ängsten.
Erstens: In diesem Land gibt es Millionen Arbeitslose und noch mehr mit Niedriglöhnen. Es gibt Millionen, die Angst um ihre Existenz haben müssen – aber die rennen nicht alle auf die Straße, um rassistische Parolen zu rufen und Ausländer zu Sündenböcken zu machen.
Zweitens: Die Millionen Verarmten in diesem Land brauchen kein geheucheltes Verständnis von Regierungspolitikern, sondern Lösungen: Arbeit und Einkommen, von dem man leben kann, Wohnungen die bezahlbar sind. Da haben aber weder AfD noch CDU/CSU, weder SPD noch Grüne etwas anzubieten. Ob die LINKE eine Lösung anzubieten hat, muss sich erst noch zeigen.
Es stimmt: Nicht alle, die zu den Demos gehen, sind Hardcore-Nazis: Aber wer Seite an Seite mit Nazis läuft und im besten Falle dummes Zeug redet, muss trotzdem wissen, was er tut: Denn so oder so: das Ergebnis dieser Demos ist dasselbe wie das von klassischen Nazi-Demos: Es gibt wieder mehr Angriffe auf Anders-Aussehende, mehr Anschläge auf Häuser in denen Migranten wohnen und Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte.
Deshalb ist unsere Solidarität gefordert.
Als ein Teil der Solidarität lade ich diejenigen unter uns, die einen deutschen Pass und helle Hautfarbe haben ein, sich für einen Moment in die Lage eines dunkelhaarigen, dunkelhäutigen Mädchens zu versetzten, das in diesen Tagen durch Dresden geht oder in die Lage einer jungen Frau, die ein Kopftuch trägt und heute Abend aus dem Deutzer Bahnhof kommt.
Beide müssen Angst haben und beide haben Angst. Und verantwortlich dafür sind die Typen, die da vorne demonstrieren, die gleich ihre Hetze bis in die Innenstadt tragen wollen, Verantwortlich für die Angst sind die „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“-Rassisten. Und deshalb wollen wir sie daran hindern und werden sie daran hindern.
Aber vergessen wir dabei nicht: Dieser Wahnsinn hat Methode, dieser Wahnsinn hat Ursachen. Wieso fällt heute rassistische Hetze bei so vielen auf fruchtbaren Boden?
Bevor 10.000 und fast 20.000 Leute zur Pegida-Demo nach Dresden kamen, vor Hogesa und Kögida, gab es über zehn Jahre fast tägliche Hetze gegen Menschen aus islamischen Ländern, und es ist über 20 Jahre her, seit im Zusammenhang mit der faktischen Abschaffung des Asylrechts eine wiederkehrende Diffamierung von Ausländern in Politker-Reden quasi Standard wurde.
Und das geht weiter: Ich frage mal ganz provokativ: Welche Form von Rassismus ist eigentlich die gefährlichere: Wenn vorbestrafte PEGIDA-Führer vor kriminellen Ausländern warnen oder wenn ein grüner Ministerpräsident für die Abschiebung von Roma-Flüchtlingen nach Serbien stimmt?
Was ist eigentlich gefährlicher: Wenn einfach gefaltete Menschen auf einfache Parolen hereinfallen oder wenn die etablierten Parteien jeden Tag zwischen nützlichen und nutzlosen Ausländern unterscheiden? Wer sagt, das gut ausgebildete Flüchtlinge der Wirtschaft nützen, der sagt doch, die anderen brauchen wir nicht.
Welcher Rassismus ist gefährlicher: der dumpfe Rassismus derer, die auf die Straße gehen oder der Rassismus derer, die von Menschlichkeit reden aber gleichzeitig Flüchtlinge abschieben, ja zynisch die Asylverfahren noch beschleunigen wollen?
Nicht zu vergessen, die deutschen Rüstungsexporte, die deutsche Außen- und Wirtschaftspolitik, die Fluchtursachen schaffen.
Es ist diese Heuchelei, dieser etablierte Rassismus der etablierten Kräfte, der Pegida und Kögida den Boden bereitet hat. Der staatliche Rassismus hat dem Straßenrassismus den Boden bereitet, nicht umgekehrt. Der eine ist nicht weniger gefährlich als der andere, beiden müssen wir entgegentreten, auf unterschiedliche Art aber mit derselben Entschlossenheit.
Wir lehnen jede Form von Spaltung ab: Wir machen keine Unterschiede, nicht nach Hautfarbe, Geburtsort, nicht nach Religion und auch nicht nach Schulabschluss und Berufsausbildung. Flüchtlinge sind Flüchtlinge, Menschen sind Menschen, und wer Hilfe braucht, dem muss geholfen werden. Den tausend Versuchen der Spaltung in Deutsche und Nicht-deutsche, in Flüchtlinge vor Krisen und Flüchtlinge vor Kriegen, in Muslime, Christen, Atheisten, Akademiker oder Analphabeten setzen wir zwei Worte entgegen „Für Alle“: Bleiberecht für Alle, Wohnungen für Alle, Ausbildung, Arbeit, Einkommen für Alle, Frieden für Alle.
Rassismus spaltet – Rassismus nützt nur den Reichen, den Lohndrückern, Immobilienhaien und Waffenexporteuren. Deshalb gibt es noch zwei Worte, die wichtig sind: „Alle gemeinsam!“. Einen Streik gewinnt man nur gemeinsam und den Kampf um Arbeitsplätze, Einkommen, bezahlbare Wohnungen gewinnen wir nur gemeinsam.
Das sollten sich auch die Gewerkschaftsvorstände mal zu Herzen nehmen und die Beschäftigten zu Demos wie heute Abend mobilisieren.
Wir wollen nicht in einer Welt leben, in der Menschen Angst haben müssen, weil sie eine andere Hautfarbe oder Kopfbedeckung haben.
Wir wollen nicht in einer Welt leben, in der Menschen täglich auf der Flucht im Mittelmeer ertrinken. Wir wollen nicht in einer Welt leben, in der Menschen fliehen müssen – egal ob vor Kriegen oder Krisen. Und weil wir nicht in solch einer Welt leben wollen, müssen wir sie verändern, grundlegend verändern meine ich.
Wir werden auf die Straße gehen, so oft die Rassisten auf die Straße gehen,
Aber das wird nicht reichen. Ich lade alle ein, sich Gedanken zu machen, an Diskussionen zu beteiligen, wie wir das Übel an der Wurzel packen können. Der Wahnsinn von Pegida und Kögida ist leider Ausdruck eines viel größeren Wahnsinns: Des Wahnsinns dieser verrückten Welt, in der wir leben. Der Wahnsinn des kapitalistischen Profitsystems.
Der Wahnsinn einer Welt und eines Gesellschaftssystems, in dem es nie zuvor so viel Reichtum neben so viel Armut gegeben hat. Der Wahnsinn von immer neuen Kriegen.
Wenn wir diesen Wahnsinn beenden, dann entziehen wir damit auch den Nazis und Rassisten den Boden – für immer!